Ökonom Georg Erber über die ökonomische Konsequenzen eines Staats-Bailouts

by Gastbeitrag on 24. November 2010

Der Blick Log hat bereits in der vergangenen Woche und gestern eine intensivere Debatte über die Alternative Haircut statt Bailouts gefordert. Der Ökonom Georg Erber hat in einem lesenswerten Beitrag für die Readers Edition u.a. die ökonomische Konsequenzen eines Bailouts von Staaten abgewogen. Hier der Ausriss aus dem Text für die Readers Edition*:

“Wenn das Insolvenzrisiko der drei Staaten nicht von deren privaten Anlegern getragen werden muss, sondern von der Steuerzahlern der übrigen Länder, insbesondere den Deutschen, dann kann man sich billiger als sonst refinanzieren. Klar, im Zweifel springt dann der deutsche Fiskus ein und begleicht die Schulden dieser Länder und holt sich die dafür erforderlich Mittel eben vom deutschen Steuerzahler. Es ist also nicht die Frage, ob es zu einer Zinskostenersparnis der Schuldnerstatten kommt, sondern die Frage, ob dies gerecht gegenüber den Steuerzahlern anderer Länder ist. Die Antwort liegt auf der Hand: Offensichtlich nicht.

Das Problem der Opportunitätskosten

Trotzdem kann es manchmal für andere Länder sinnvoll sein, Hilfen zu gewähren. Das Argument verweist auf die Opportunitätskosten, die bei einer Staatspleite auch als negative Externalität in den übrigen Ländern entstehen. Da ja die drei Länder wirtschaftlich eng mit den anderen EU-Mitgliedsländern einschließlich des Finanzsektors verwoben sind, würden im Falle einer Staatspleite in diesen Ländern auch Bürger in den übrigen Mitgliedsländern in Mitleidenschaft gezogen werden. Es könnten sogar einige Geschäftsbanken dort, wenn sie hohe Klumpenrisiken an Forderungen gegenüber diesen Ländern halten, in die Pleitewelle mitgerissen werden. Die dadurch entstehenden Kosten müssen dann mit den Kosten der EU-Mitgliedsländer, die Finanzhilfen gewähren, abgewogen werden. Ist es teurer, die Staaten pleite gehen zu lassen oder ihnen eine Finanzhilfe zu gewähren?

In der Politik scheint, siehe die Kanzlerin und ihre Finanzminister, das Dogma vorzuherrschen, dass ohne Prüfung der Bailout immer günstiger ist als eine veritable Staatspleite. Nur in Deutschland regt sich in der akademischen Zunft Widerspruch.

Die geordnete Staatsinsolvenz

Das Kernargument dabei ist, dass ein Bailout nicht nur anhand der direkten Kosten mit denen einer Staatspleite verglichen werden darf, sondern, dass auch indirekte Kosten durch die damit gegebenen Fehlanreize entstehen, die die direkten Kosten wesentlich übersteigen können. Diese entstehen daraus, dass ein leichtfertiger Schuldner aus der Tatsache, dass er auf sichere Hilfe im Fall einer drohenden Insolvenz rechnen kann, sein Risikoverhalten in die falsche Richtung verändert. Statt weniger riskant zu wirtschaften und sich zu verschulden, zieht er aus der Absicherung durch Dritte den Schluss, dass er die Gewinne aus riskanten Anlagen ja internalisieren kann, aber für mögliche Verluste nicht eintreten muss. Mithin wird durch einen Bailout nicht die Lehre gezogen, dass man zu riskante Geschäfte getätigt hat und in Zukunft vorsichtiger zu sein hätte, sondern umgekehrt, dass durch die Bailout-Garantien der anderen Länder man sogar noch höhere Risiken als vorher eingehen kann. Man nennt dies im englischen Sprachraum auch adverse selection.

Als Alternative haben deshalb fünf führende deutsche Ökonomen die Einführung einer geordneten Staatsinsolvenz vorgeschlagen. Durch diese Insolvenzordnung soll sichergestellt sein, dass das Insolvenzrisiko bei den jeweiligen Staaten und deren Kreditgebern verbleibt. Damit würde dem EU-Vertrag entsprechend die No-Bailout-Klausel gewahrt.

Da Anleger in Staatsschuldverschreibungen das Insolvenzrisiko selber tragen müssen, müssen sie sich auch bei Kreditvergabe an diese Staaten mit deren Bonität ernsthaft auseinandersetzen. Dies führt zu restriktiver Kreditvergabe und damit einem heilsamen Zwang der Schuldnerstaaten, sich entsprechend zurückhaltender bei der Verschuldung ihres Gemeinwesens zurückzuhalten. Soweit so gut. Nur kann keiner ernsthaft behaupten, dass man den Opportunitätskostenvergleich Staatspleite versus Bailout auch mit ausreichend Informationen unterlegen kann, so dass eine rationale Entscheidung möglich ist.

Mithin bleibt – die Pleite der Lehman Brothers hat es gezeigt – eine Spekulation, welche Lösung bei den bestehenden Unsicherheiten nun am Ende die beste sein könnte. Vermutlich ist dies eine sogenannte gemischte Strategie. Man zieht die Gläubiger mittels Haircut zu einem erheblichen Teil zur Verantwortung und gewährt dann die notwendigen Staatshilfen, um einen völligen Kollaps der Staaten zu vermeiden. Allerdings sollte eine solche Staatsintervention rasch erfolgen, ob die Spekulationen, was am Ende passiert in der breiten Öffentlichkeit, nicht ins Kraut schießen zu lassen. Mithin ist jetzt Eile geboten.”

* Ausschnitt übernommen gem. Lizenzbedingungen der Readers Edition, die hier nachzulesen sind.

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