Der öffentliche Irrsinn um einen griechischen Schuldenschnitt und die neue Bankenkrise

by Dirk Elsner on 10. Oktober 2011

one person's crazyness is another person's reality

Da wird einem wieder einmal schwindelig, wenn man allein die Schlagzeilen vom Wochenende durchscrollt. Jetzt ist nämlich auch offiziell die europäische Schuldenkrise zu einer Bankenkrise mutiert. Sie war das zwar schon immer, bis Ende September versteckten Banken und Politiker die mangelnde Kapitalisierung der Finanzbranche aber noch mehr oder weniger geschickt hinter dem Begriff Eurokrise. Offiziell wollte man das Auseinanderfallen des Euro verhindern und sich solidarisch zeigen mit Griechenland. Ungern wurde eingeräumt, dass die Kapitalspritzen vorwiegend dazu dienen, fällig werdende Schulden bei privaten Gläubigern (Banken, Versicherungen, Hedge Fonds, Privatinvestoren etc.) zu begleichen.

Zu lange hat man verdrängt, dass sich viele Banken wieder einmal vollgesogen haben mit vermeintlich risikolosen Positionen, diesmal waren es Staatsanleihen der Eurozone (was übrigens im Interesse der regierenden Politiker lag). Wieder einmal stimmten die Anreize nicht, weil Kredite an Eurostaaten nicht Anrechnung finden auf die Mindesteigenkapitalquoten der Banken und damit quasi Staatsanleihen per Gesetz als risikolos gelten. Nun ist auch diese Illusion geplatzt.

Panikartig sucht nun seit Monaten die Funktionselite aus Wirtschaft, Politik und Behörden in einer einzigartigen Kakophonie Lösungen aus dem Dilemma. Für die Medien sind das alles natürlich optimale Vorzeichen für erneute Horrorszenarien: So beschwört das Handelsblatt “Die Angst vor dem nächsten großen Knall” und gibt sich reichlich Mühe, dies mit Beispielen zu unterlegen.

Und es geht fröhlich weiter: Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit von Italien und Spanien herabgestuft. Begründung: Die Regierungen hätten zu spät auf die Schuldenkrise reagiert. Die spanischen Problem-Banken stehen unterdessen wegen Liquiditätsproblemen vor einer Fusion. Moodys hat Belgien herabgestuft und die dort sitzende Dexia Bank wird vom Staat übernommen. Das Haus, in dem Frankreichs Präsident Sarkozy seinen Vertrauten Pierre Mariani in den Chefsessel gehievt hatte, war übrigens im Sommer noch gut durch den Stresstest gekommen war. Die Stress-Test-Veröffentlichungen hielt ich bereits im Sommer für eine Beruhigungspille und PR-Maßnahme für den Finanzsektor (übrigens auch 2010).

Es gehört keine besondere prophetische Gabe zu der Vorhersage, dass die Dexia-Bank nur der Anfang ist. Über die Logik, warum eine Zwangskapitalisierung droht, habe ich bereits vergangenen Mittwoch geschrieben in “Das nicht mehr lösbare Trilemma der Finanzbranche”. Frankreich hat bereits angekündigt, den EFSF für die Stützung nationaler Banken nutzen zu wollen und bekommt damit Zoff mit der Bundesregierung. Falls Europas Schuldenstaaten ihre Verbindlichkeiten nicht ganz zurückzahlen, so schreibt die FAZ, droht europäischen Banken allein deshalb eine Eigenkapitallücke von 40 Milliarden Euro. Ein Zahl, die ich für zu niedrig halte. Für Deutschland selbst sieht die Bundesregierung inländische Institute zwar als Inseln der Stabilität, will aber gleichzeitig den nationalen Bankenrettungsfonds Soffin reaktivieren. Die Frage der Zwangskapitalisierung wird in den nächsten Tagen und Wochen immer lebhafter diskutiert werden. Interessant daran wird sein, welche Bedingungen an eine Rekapitalisierung geknüpft wird.

Merkel und Sarko sind gestern mal wieder voran marschiert und haben erneut ein “Lösungspaket” angekündigt. Gefühlt ist es das 287ste, nur diesmal umfasst es erstmalig auch die Finanzbranche. Die beiden Politiker zeigten sich laut FAZ entschlossen, “bis zum Monatsende ein überzeugendes und umfassendes Paket zur Lösung der Krise vorzulegen. Dabei wolle man auch für Griechenland eine umfassende Lösung anbieten.” Interessant ist eigentlich nur, dass es wieder einmal einen Kurswechsel von Merkel gegeben hat. Aber endlich nähert sie sich einer Position, die man auch im Januar schon hätte haben können. Laut FTD drängt sie jetzt sogar auf die Griechen-Pleite. Die Bundesregierung, so FTD-Online, halte eine Insolvenz des Landes auf Dauer für unvermeidbar, verlautet aus mehreren Quellen. Und sogleich bemüht sich die FTD uns die Konsequenzen einer Griechen-Pleite für die internationalen Banken aufzubereiten.

Ob Europa wirklich droht zum Krisengebiet zu werden, wie das der Schweizer Privatbankier Konrad Hummler glaubt, ist nicht klar. In den Meldungswirren, ging unter, dass Irland Fortschritte macht und den Rettungsschirm im kommenden Jahr loswerden will. Ob das wirklich stimmt, lässt sich vor dem Hintergrund der europäischen Desinformationspolitik nicht wirklich beurteilen. In jedem Fall hat Irland natürlich ein Interesse von den Finanzmärkten so wahrgenommen zu werden, dass das Land Fortschritte macht.

Das ist auch ein guter Übergang für den Abschluss, denn eine wesentliche Ursache für das Andauern der Krise ist das ausgehöhlte Vertrauen. Vor drei Jahren nach der Lehman-Pleite wusste man das bereits. Die Finanzbranche und die Politik haben es aber nicht geschafft, und sie haben es nicht einmal versucht, neues Vertrauen aufzubauen. Stattdessen hat man zwar in Sonntags- und Kongressreden von Vertrauen und Transparenz gequatscht und sich zwischendurch gelobt für das hervorragende Krisenmanagement. Die Probleme selbst, die seit Jahren weiter in vielen Bilanzen lagern, hat man auf Basis der (noch) geltenden Finanzmarktregulierung und Rechnungslegungsvorschriften weggerechnet und schöngeredet.

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