Bundestag befasst sich mit Finanzmarktstabilisierung und niemand interessiert es

by Dirk Elsner on 19. Januar 2012

Das ist verrückt. Da diskutiert heute der Bundestag ein Gesetz, dass potentiell dazu geeignet ist, die Staatsverschuldung Deutschlands um fast 25% noch oben zu schrauben und niemanden interessiert das. Mit dem Gesetz soll der Garantierahmen für die Stabilisierung von Banken auf 400 Mrd. Euro und die Kreditermächtigung auf 80 Mrd. Euro (davon 10 Mrd. Euro mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages) erhöht werden.

Heute Nachmittag ging es mit der ersten Lesung des Entwurfs eines zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (Dokumentation hier) los. Dazu habe ich nur einen Bericht im Web gefunden. Boulevard Baden hat wenigstens die Agenturen ausgewertet und berichtet. Die packe ich jetzt ganz nach oben auf meine tägliche Wirtschaftslektüre. Der Bericht dort: Regierung will Banken wieder retten können

Ist schon irgendwie erstaunlich. Es ist zwar nur die erste Lesung gewesen, aber ich hätte doch marginal mehr Aufmerksamkeiten in Zeiten erwartet, wo es beim Bundespräsidenten schon um Bobby Cars und Biereinladungen auf dem Oktoberfest geht. Aber die Politik selbst hat sich sehr zurück gehalten, was mich wundert. In der gerade mal eine halbe Stunde dauernden Debatte trat nur die zweite Garde an. Im nur halbvoll besetzten Bundestag begrüßte die SPD dann das Gesetz. Kein Stoff für Zoff?

Schade eigentlich, denn ein ziemlich wichtiger Einwand kam vom übrigens auch in Finanzkreisen hohen Respekt genießenden Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick. Er kritisierte die mangelnden parlamentarische Kontrollmöglichkeiten. Zudem empörte er sich über die Vergabe umfangreicher Mittel der Europäischen Zentralbank (EZB) an Europas Banken „zu Billigstkonditionen“. Das sei die „eigentliche Bankenrettung“ und diese laufe ohne jegliche Transparenz. „Das ist das eigentlich Skandalöse“, sagte Schick lt. Boulevard Baden. Für diese Politik der EZB trage auch die Bundesregierung Verantwortung.

Interessant ist, dass der Gesetzentwurf eine Klausel für den Fall enthält, wenn die Schuldenbremse durch die Inanspruchnahme des Fonds gerissen wird. Die genauen Konsequenzen kann ich aus dem Gesetzentwurf nicht ableiten. In der Begründung heißt es dazu: Durch die “Regel wird sichergestellt, dass die Tilgung der zusätzlich aufgenommenen Kredite der nach der Schuldenregel relevanten strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes zugerechnet wird. Dies geschieht durch die Veranschlagung entsprechender Tilgungsausgaben im Bundeshaushalt und nicht im Fonds.” Das hätte ich gern einmal näher erklärt bekommen.

Und beim Durchscrollen des Gesetzesentwurfs habe ich tatsächlich nichts gefunden zu einer erweiterten parlamentarischen Kontrolle. Die SoFFin bleibt für die Öffentlichkeit eine Black Box.

In der mangelnden öffentlichen Wahrnehmung spiegelt sich genau das wider, was mich in der vergangenen Woche an der Causo Wulff so genervt hat: Vom Bundespräsidenten wird eine 150%tige Transparenz in der Offenlegung von Lappalien erwartet. Dort aber wo man Transparenz einfordern sollte, da interessiert das niemanden.

PS

Im vom Bundestag veröffentlichten Plenarprotokoll ist die entsprechende Debatte ab Seite 18225 nachzulesen.

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