Das große Match um Mobile Payment (2): Spieler und Felder

by Dirk Elsner on 17. April 2012

Der erste Teil dieser Reihe stellte die Vision des Mobile Payment vor. Vor allem in der Mindmap zum Next Payment tauchen mittlerweile unterschiedlichste Angebote auf. Heute und im nächsten Beitrag schaue ich mir einiger der Spieler an, die um einen Platz in der Mannschaft buhlen. Dabei sollte den Lesern klar sein, dass hier und in den folgenden Beiträgen längst nicht alle Newcomer bzw. alle Initiativen ausreichend betrachtet werden können. Die Entwicklung ist derzeit so rasant, dass man Blogbeiträge schon in Echtzeit ändern müsste, um sie aktuell zu halten[1]. So berichtete gerade am vergangenen Wochenende die Webseite Der Handel, dass etwa die Kreditkartenanbieter Visa und Mastercard weltweit jeweils 30 Projekte zum Mobile Payment laufen haben.

Telekommunikations- und Netzunternehmen dominieren das Spielfeld

Erstaunlich ist, dass gerade nicht diejenigen im Mobile Payment die Sturmspitze bilden, von denen man glaubt, es sei ihre besondere Stärke: Banken und Kartenunternehmen. Nein offensiv aufgestellt sind vielmehr die Non- und Nearbanks, wie Telekommunikations- und Netzunternehmen. Sie wollen uns Zuschauern mit verbesserten Komfort, Geschwindigkeit und Bemühungen um hohe Sicherheit ein attraktives Match bieten.

Lothar Lochmaier fasst die Entwicklungen in der aktuellen t3n-Ausgabe zusammen. Ich teile seine dort vertretene Sicht, dass die führenden Innovatoren der IT-Branche wie Google, Amazon, Facebook, PayPal (= eBay) durchaus in der Lage sind, eine neue Generation von (mobilen) Bezahlmodellen im Netz zu starten und über bereits etablierte Absatzwege in kürzester Zeit in den Massenmarkt zu treiben. Weiter schreibt er: “So wird nicht nur Google, dass über eine europäische Banklizenz verfügt das mobile Bezahlen ermöglichen, etwa per Google Wallet und NFC. Facebook Apps werden mit Facebook Credits und dadurch mit Kreditfunktionen kombiniert. PayPal verfügt über eine Vollbanklizenz und könnte dem Markt der Internetbezahlverfahren so erneut einen Schub verleihen.“

Die Aufstellung wird ergänzt durch weitere Web- und Telekommunikations- konzerne, die eine Banklizenz haben[2]. Dazu gehören die Deutsche Telekom via Clickandbuy, der japanische Telefonriese NTT Docomo, der sich den Bankverein Werther gekauft hat oder eine beantragt haben, wie die kanadische Rogers Telekom. Vodafone dagegen scheint ohne Banklizenz auszukommen, weil der Kommunikationsriese mobile Bezahlverfahren zusammen mit VISA anbieten will. Daneben hat Amazon bereits einen Bezahldienst gestartet, den man in Europa bisher nur nutzen kann, wenn Händler diesen Dienst integriert haben. In den USA ist der Handelsriese einen Schritt weiter und bietet über WebPay seinen Kunden an, an andere Amazon-Kunden Geld zu überweisen bzw. zu empfangen.

Zweiter weitere wichtige Sturmkräfte fehlen noch in der Formation. Noch ist unklar, ob sie sichbereits an der Außenlinie warm machen. Apple hat gerade Anfang März ein Patent für eine iWallet angemeldet[3] und fördert damit die schon länger brodelnden Spekulationen um einen Einstieg ins Banking. Offiziell angekündigt hat Apple dazu freilich noch nichts. Und auch Microsoft, so munkelt es das Web, könne sich auf das Segment des Mobile Payments stürzen. Jedenfalls deutet eine jüngst Ausschreibung auf Payment Jobs dies an[4].

Die Aufstellung des New Payments mag sich beeindruckend lesen. Aber so viele Stars in der Mannschaft garantiert noch lange kein gutes Match, denn weil jeder glänzen will, besteht die große Gefahr, dass sich einige Edeldribbler gegenseitig egalisieren (mehr dazu in Teil 5).

Mobil bis hin zum Kontoersatz

Vodafone ist übrigens ein hoch interessanter Spieler auf dem Mobile Payment Markt. Der britische Telekommunikationsriese ist in Europa mit der Dreierkette Deutsche Telekom und O2 Initiator des mpass-Angebots, das sich in Europa noch nicht in die Offensive traut. In Afrika hat Vodafone aber mit M-Pesa bereits Zahlungsverkehrsgeschichte als Legionär geschrieben.

Vodafone hat M-Pesa zusammen mit der kenianischen Mobilfunkfirma Safaricom entwickelt und Anfang 2007 in Kenia eingeführt. Damit werden grundlegenden Funktionen des Geldtransfers und des bargeldlosen Zahlungsverkehrs über Mobiltelefone und zwar ohne die Notwendigkeit eines regulären Bankkontos angeboten (siehe auch Artikel auf Wikipedia). Tatsächlich, so im Gespräch mit Christian Rapp von Vodafone, werden in M-Pesa-Ländern Gehaltszahlungen häufig gleich auf Mobilfunkkonten überwiesen. Banken werden für diese Funktion also nicht mehr benötigt.

Mehr zu M-PESA

Slate: Reaching the Poor: Mobile Banking and Financial Inclusion (27.2.12)

memeburn: How M-Pesa disrupts entire economies

BusinessDailyAfrica: M-Pesa’s new platform promises faster payments

Mobile Payment boomt, nur nicht in Europa

Mobile Payment entwickelt sich rasant und ist dabei, die Bezahlwege von Konsumenten und Geschäften zu verändern[5]. Die Schätzungen über das Transaktionsvolumen sind insgesamt aber ausgesprochen uneinheitlich bis unübersichtlich. In der folgenden Grafik schreibt mobile payments today, dass im vergangenen Jahr, dass Gesamtvolumen mobiler Zahlungen bereits bei 240 Mrd. US$ lag:

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Bitte auf die Grafik klicken, um sie komplett zu öffnen (Quelle: mobile payments today)

Eine Studie des Marktforschers Renub erwartet im Jahre 2014 ein Transaktionsvolumen von 500 Mrd. US$ im Mobile Payment, weltweit, davon 200 Mrd. US$ in den USA. Arthur D Little erwartet für 2012 ein Volumen von 250 Mrd. US$, was einem Wachstum von 68% gegenüber 2011 entspräche. Juniper Reaseach schätzt das weltweite mobile Zahlungsvolumen für 2015 gar auf 670 Mrd. US$. Gerade hat KPMG eine neue Studie veröffentlicht,[6] die ein weltweites Volumen von über 945 Mrd. US$ im Jahre 2015 erwartet bei Wachstumsraten von 97,4% jährlich zwischen 2010 und 2015. Interessant an der KPMG-Studie ist, dass dort die veränderte Aufteilung dargestellt wird:

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Nach der letzten und sehr differenzierten Zahlungsverkehrsstatistik der Bundesbank wurden in Deutschland unter Nichtbanken 2010 2,68 Mrd. Transaktionen mit Karten (Umsatz 169 Mrd.) durchgeführt, 5,87 Mrd. Überweisungen (Umsatz 52,251 Billionen Euro) getätigt und 8,7 Mrd. Lastschriften (Umsatz 11.781 Billionen Euro eingezogen. Die Bundesbank kann auf Basis ihrer Erhebungsmethodik bisher leider keine Angaben über innovative Zahlungsformen liefern.[7]

Bereits 2004 zeigte aber eine repräsentative Mobile-Payment-Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, dass jeder zweite Bundesbürger sich vorstellen könne, entsprechende Dienste zu nutzen, schreibt die Seite wi-mobile. Freilich sind die damals geweckten Erwartungen bisher bei weitem nicht erfüllt worden[8]. Dies könnte an der rustikalen Spielweise unbequemen Nutzung und zu wenigen Kassenhäuschen Akzeptanzstellen gelegen haben. Dazu kommt in Deutschland eine ausgeprägte Risikoaversion in Bezug auf elektronische Verfahren und eine hohe Bargeldpräferenz im privaten Sektor.

Mobile Payment ist insbesondere in afrikanischen Staaten und Emerging Markets populär. Das ist kein Wunder, denn in diesen Ländern ist die Telekommunikationsinfrastruktur deutlich besser als das Bankenangebot. Mobile Payment boomt in Asien und hier vor allem in China und Indien. 2011 wuchs nach einem Report des chinesischen Marktforschungsunternehmen Analysys International das Volumen auf umgerechnet 11,75 Mrd. US$. Das liegt um 67,8% höher als 2010. Die Zahl der Nutzer mobiler Bezahlverfahren stieg auf 187 Millionen Menschen (+26,4%) fasst die Global Times die Ergebnisse zusammen. Bis 2014 werden 387 Millionen Nutzer erwartet.

Folgt man den hier vorgestellten Studien, dann wird Mobile Payment aber auch in Europa ankommen und zum Mainstream werden. Ich teile jedenfalls die Einschätzung einer rasanten Verbreitung mobiler Bezahlverfahren per Smartphone.

Im dritten Teil der Serie werden wir sehen, dass es noch weitere wichtige Player gibt, die es entgegen der Erwartung nicht so einfach machen, einen Favoriten zu ermitteln.


[1] Eine erstklassige Quelle für tägliche Links auf relevante Beiträge ist in André M. Bajorats Link Sammlung zu finden. Weitere Beiträge und weitere Quellen auf diese Seite im Blick Log.

[2] Eigentlich müsste ich schreiben haben sollen, denn entsprechende Dokumente habe ich nicht einsehen können, sondern beziehe mich hier nur auf verlinkte Nachrichtenquellen im Netz.

[3] Zusammenfassend dazu Handelsblatt Online v. 6.4.12 iWallet-Patent – Kommt nun die iBank? und sehr viele Details unterPatently Apple.

[4] Vom Microsoft Gründer soll ja bekanntlich der Spruch stammen:“Banking is necessary, banks are not”

[5] Das stellte auch eine im vergangenen Jahr veröffentlichte StudiederKPMG fest.

[6] Studie ist hier als PDF zu lesen. Mobile Payment ab S. 14; Presseerklärung dazu hier, Bericht dazu: mobile payments today: Report: m-payment volume to surpass $900B by 2015.

[7] Die Bundesbank teilte mir auf eine entsprechende Anfrage per Mail mit: “Die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Statistik basiert ausschließlich auf den Meldungen der in Deutschland ansässigen monetären Finanzinstitute (ohne Geldmarktfonds). Die Erhebungsmethodik ist innerhalb der Europäischen Währungsunion harmonisiert und unterscheidet lediglich in die zugrundeliegenden Zahlungsverkehrsinstrumente Überweisung, Lastschrift, Kartenzahlung sowie E-Geld Transaktionen. Der Initiierungskanal für die Transaktion bleibt dabei unberücksichtigt. Konkret würde zum Beispiel eine über das Handy kontaktlos angestoßene Kartenzahlung in der Kategorie „Kartenzahlung“ auftauchen, wäre aber nicht als Transaktion auf der Grundlage eines innovativen Verfahrens erkennbar.”

Man kann aber davon ausgehen, dass die neuen Anbieter auf das Kartenvolumen und mit ihren meist ebenso angebotenen webbasierten Zahlungsmethoden auf einen Teil des Überweisungs- bzw. Lastschriftvolumens abzielen. Daneben dürften die Daten bereits solche Transaktionen enthalten, da die Abrechnungen mobiler bzw. über neue webbasierte Zahlungsdienste wie paypal oder click&buy letztlich über Kreditkarten bzw. Lastschrifteinzüge über Konten erfolgen.

[8] Und man könnte noch weiter zurück gehen. Ende der 90er und Anfang er 2000er Jahre gab es bereits schon einmal einen großen Boom umCybercashund E-Commerce. Siehe dazu SPIEGEL vom 28.2.2000: Geschäfte mit Cybercash

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