Volkswirtschaftliche Prognosen: Fehlerquote hat zugenommen

by Dirk Elsner on 31. Oktober 2012

Es gehört zu den Dauerthemen dieses Blogs, auf die Fehlbarkeit volkswirtschaftlicher Prognosen und Rezepte hinzuweisen. Das mache ich nicht, weil ich es besser weiß, sondern ich mache es vor allem, weil die Prognosen und Rezepte immer noch oft in dem Duktus veröffentlicht und besprochen werden, dass die Empfehlungen und Vorhersagen unfehlbar sind.

In der letzten Woche hat einmal mehr das Handelsblatt die professionellen Auguren unter dem Titel “Die Irrtums-Industrie” aufs Korn genommen. Hans Christian Müller, Ulf Sommer und Dirk Heilmann haben sich darin die Mühe gemacht und die Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute der letzten Jahre auf ihre Treffgenauigkeit untersucht. Die Ergebnisse haben sie in der Grafik Wahrheit widerlegt Pessimisten zusammen gefasst. Sie kommen zu dem vordergründig erfreulichen Schluss:

“Das Erfreuliche an den unerfreulichen Prognosen: Sinn und seine Kollegen lagen in den vergangenen Jahren durchweg daneben. Ihr Pessimismus wurde durch die Wirklichkeit nicht bestätigt.“

Leider ist es aber nicht so, dass die Realität immer nach oben abweicht. Die Wirtschaftsaktivitäten können natürlich auch die Prognosen deutlich unterschreiten, wie 2008 und 2009 eindrucksvoll bewiesen haben. Das DIW hatte in einer Untersuchung 2009 einmal festgestellt, dass Prognosen nicht nur sehr ungenau sind, sondern auch systematisch zu optimistisch ausfallen.

Die Kritik an solchen Prognosen ist daher nicht neu (vgl. Wiw-Werkbank “Konjunkturprognosen in der Kritik” und natürlich die umfangreiche Sammlung in der Rubrik des Blick Logs “Vorhersage und Analyse”). Die Handelsblatt-Autoren berichten über eine Studie (kann diese leider nicht finden) des Leipziger Ökonomen Ullrich Heilemann, nach der die Prognosen in den vergangenen zehn Jahren weiter vom wahren Wert entfernt als in den 80er-Jahren. Die Fehlerquote der Prognosen hat also zugenommen.

Um so bemerkenswerter ist es, dass sich das veröffentlichte Prognosewesen der Volkswirte immer noch nicht weiter entwickelt hat. Wie so etwas aussehen könnte hatte ich im letzten Jahr einmal in diesem Beitrag dargestellt. Darin ging es vor allem darum für Prognosen Spannbreiten oder besser noch Risikomaße anzugeben, die man z.B. über Simulationen ermitteln könnte.

In einem Kommentar zu dem damaligen Beitrag hat Jonas Dovern, der mit seinem Blog “Der Ökonomie Beobachter” die professionelle Ökonomie beobachtet, darauf hingewiesen, dass am IfW in Kiel für alle Konjunkturprognosen mit Konfidenzbändern für die Wachstumsprognosen gearbeitet wird. Kiel Economics, dessen Mitgründer und Geschäftsführer Dovern ist,  erstellt z.B. vierteljährliche Konjunkturprognose, in denen jeweils verschiedene Szenarien aufgezeigt werden (z.B. für verschiedene Entwicklungen des Ölpreises oder der Weltkonjunktur oder der Entwicklung der Schuldenkrise im Euroraum). Leider finden aber solche fortschrittlichen Ansätze nicht den Weg in die offiziellen Publikationen, wie etwa die Information über die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2012. Auch im Volltext des Gutachtens habe ich außer allgemeinen Risikohinweisen nichts gefunden. Dort werden wieder einmal die üblichen Punktprognosen genannt.

nigecus Oktober 31, 2012 um 20:18 Uhr

Schade dass das hb nur die letzten 3 Jahre anzeigte.

Dirk Elsner November 1, 2012 um 07:28 Uhr

Von vor 2009 gibt es ja die Untersuchung des DIW
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.96365.de/09-13-3.pdf

Makrointelligenz Oktober 31, 2012 um 19:12 Uhr

Punktprognosen sind grundsätzlich unseriös, es sei denn man versieht sie mit zusätzlichen Informationen über die Spannbreite, die erwartet wird. Ich denke, die schlechten Prognosen über die letzten 10 Jahre sind vor allem der hohen Volatilität des BIPs nach der Lehman Pleite geschuldet. Die Prognosen legen immer ein Durchschnittszenario zu Grunde und sind im Falle einer ungewöhnlichen Entwicklung dementsprechend dann weit daneben. Die Tatsache, dass darauf nicht reagiert wird von Volkswirten, die wahrscheinlich auch eine ökonometrische/statistische Ausbildung genossen haben, ist in der Tat enttäuschend.

Tim Oktober 31, 2012 um 10:30 Uhr

Es kommt natürlich sehr darauf an, auf welcher Basis man den Prognosefehler mißt. Praktisch alle Ökonomen können das BSP des Folgejahres trivialerweise praktisch immer mit einem Fehler von max. 1-2 % vorhersagen.

Jonas Dovern Oktober 31, 2012 um 10:44 Uhr

Da wäre ich vorsichtig. Rezessionen werden üblicherweise kaum prognostiziert. Bei einem Trendwachstum von 1,5% landet man da schnell bei einem Prognosefehler von 1-2 Prozentpuntken (!).

Aber es zeigt sich wieder, dass eine Folge davon, dass wenig über die Unsicherheit von Konjunkturprognosen berichtet wird, ist, dass viele, die sich mit dem Thema noch nicht befasst haben, die Unsicherheit massiv unterschätzen. Wenn ich „Laien“ Bilder mit Konfidenzbändern zeige, habe ich noch nie gehört „Och, das sind aber enge Bänder!“.

Jonas Dovern Oktober 31, 2012 um 09:52 Uhr

@ Sascha Schünemann:
Wetterprognosen und Konjunkturprognosen unterscheiden sich schon allein aufgrund des sehr unterschiedlichen Prognosehorizonts fundamental (wenige Tage vs. ein Jahr oder mehr). Außerdem gibt es weitere wichtige Unterschiede: Das Wettergeschehen basiert auf einem zwar chaotischen aber doch deterministischen System, das man, würde man alle Parameter und die Ausgangslage präzise messen können, gut vorhersagen könnte. Dagegen ist die Wirtschaft ein soziales System, in dem Menschen handeln, weswegen sich die Gesetzmäßigkeiten laufend ändern. Weiterer Unterschied: Während der Wetterfrosch auf seine Leiter steigen kann und zumindest sieht, wie das Wetter gerade aktuell ist, muss sich der Konjunkturforscher damit begnügen, vom Statistischen Bundesamt gesagt zu bekommen, wie die Konjunktur denn in den vergangenen Monaten/Quartalen gelaufen ist … der „Nowcast“ gehört dann schon in den Bereich der Prognose.

Zum Blogbeitrag selbst:
Es mag stimmen, dass sich die GD in Sachen Widergabe-von-Unsicherheitsmaßen ein Stück zurückentwickelt hat (es gab zumindest mal eine Abbildung mit Konfidenzbändern für die deutsche BIP-Prognose). Ich bin dort selber nicht mit der Prognose für Deutschland befasst, denke aber, dass dies darauf zurückgeht, dass man sich nicht einigen kann, wie man die Große Rezession (bzw. die damit verbundenen Prognosefehler) bei der Ermittlung der aktuellen Unsicherheit berücksichtigen soll. Aber ich Teile die Kritik voll und ganz und denke auch, dass in dieser Hinsicht viel mehr passieren sollte.

Sascha Schünemann Oktober 31, 2012 um 02:26 Uhr

Würde gerne mal einen Vergleich zwischen Wetter- / Wirtschaftsprognosen sehen. Ein Prof. meiner Uni hat immer behauptet, die WiWis wären den Wetterforschern überlegen und lägen entsprechend häufiger richtig bzw. weniger weit daneben.

Falls es so eine Studie nicht gibt sollte jemand diese mal machen 😉

nigecus Oktober 31, 2012 um 20:20 Uhr

ich bezweifel die Aussagen deines Profs mal ganz stark (Entweder du hast deinen Prof falsch verstanden oder er ist Narr)

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