Huch, Hedgefonds verdienen an europäischen Rettungsfonds

by Dirk Elsner on 3. Juni 2013

Als ich in meinem feedly-Reader den Artikel sah “Europas Steuerzahler retten Hedgefonds” dachte ich zunächst, der Postillion hätte mal wieder ein altes Wirtschaftsthema aufgewärmt. Tatsächlich war es ein Bericht des Wall Street Journals über neue Erkenntnisse beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Laut Wall Street Journal wirft der IWF in einem Bericht die Frage auf, “ob es sinnvoll ist, derart große Mengen öffentlicher Gelder dazu aufzuwenden, private Investoren glücklich zu machen.”

Der Hintergrund dürfte klar sein. Die Gelder der europäischen Rettungsfonds mögen zwar an die jeweiligen Staaten fließen, aber von dort aus fließen sie gleich wieder zurück an die Gläubiger des Staates, also an Banken und institutionelle Investoren und Privatpersonen, die Schuldverschreibungen der Ländern halten. Das Wall Street Journal schreibt:

“Das jüngste Beispiel ist die 10 Milliarden Euro schwere Rettung von Zypern. Von der ersten Rate über 2 Milliarden Euro werden 1,4 Milliarden für die Rückzahlung von Staatsanleihen aufgewendet, die am 3. Juni fällig werden. Aus Gesprächen mit Anleihe-Investoren wird klar, dass die meisten dieser Anleihen im Februar und März von Hedgefonds aufgekauft wurden, als das Land über die Rettung verhandelte.”

Dieser Sachverhalt sollte nun aber wirklich niemanden mehr überraschen. Klar ist, dass im Zuge der europäischen Schuldenkrise, sich viele Banken, Versicherungen und Privatpersonen von ihren Anleihen aus Furcht getrennt haben. Gerade das hat ja erst zu den massiven Kursverlusten dieser Anleihen (und damit umgekehrt zum Anstieg der Renditen) geführt. Erst weil sich Banken, private und institutionelle Investoren in großen Scharen zurück gezogen haben, hat man überhaupt erst von einer Vertrauenskrise der Finanzmärkte gegenüber dem Euro gesprochen.

So schreibt Jenny Preunkert in “Der Euro in der Vertrauenskrise” (S. 10): “Ferner ist ein Indikator für eine Vertrauenskrise, wenn Kapital plötzlich im hohen Maße aus dem Geltungsbereich abgezogen wird und die Akteure so versuchen, ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen.”

Der Abzug von Kapital läuft aber in der Praxis nur so, dass jemand gefunden werden muss, der die nicht fälligen Anlagen übernimmt. Anleihen können bekanntlich nicht zurückgegeben werden, sondern werden von jemanden gekauft. Diese Käufer rechneten angesichts der bereits eingetretenen Verluste offenbar damit, dass sie irgendwie Gewinne mit den Anleihen erzielen konnten. Viele Anleihen europäische Krisenländer wurden an den Börsen deutlich unter ihren Nennwerten gehandelt. Sofern es keinen Schuldenschnitt gibt, werden sie aber zum Nennwert zurückgezahlt. Dadurch können Traumrenditen entstehen, wie ich bereits 2011 einmal am Beispiel griechischer Anleihen dargestellt habe.  Eine ausführlichere Darstellung gab es bereits im Janur auf Neue online Presse: “EFSF und ESM: Wo sind die Rettungsmilliarden geblieben?”

Den IWF stört es nun, dass private Gläubiger von den “Rettungspaketen” profitieren. Deshalb sollen nun Wege gefunden werden, Gelder der Fonds nicht einfach nur dazu zu verwenden, private Gläubiger zu retten. Ich bin gespannt, wie solche Modelle aussehen. Denn im Ergebnis bedeutet dies, vor dem Einschreiten der Rettungsfonds, muss es einen Schuldenschnitt geben.

Neu ist das Thema nicht. Bereits 2011 war klar, dass die Rettungsfonds vor allem privaten Gläubigern zu Gute kommen. Denen nehmen die Fonds letztlich die Risiken ab. Die eigentliche Funktion eines Gläubiger, nämlich auch das Ausfallrisiko zu tragen, wird damit abgeschaltet (siehe dazu ausführlich “Wenn Du ein Gläubiger bist, dann bist Du ein Gläubiger”. Das jetzige Wundern darüber gleicht damit tatsächlich einer Realsatire.

Nachtrag:

Das Interesse an griechischen Anleihen scheint hoch zu sein. Heute berichtet der FT Blog Alphaville von einem Investor, Japonica Partners, der ein Tender-Angebot veröffentlicht hat, um 10% aller griechischen Staatsanleihen zu kaufen.

PS

Leider habe ich nicht heraus finden können, auf welche Studie genau sich die Berichte des Wall Street Journals und der Financial Times (siehe “IMF studies changes to bond restructurings”) beziehen. Möglich, dass es diese hier aus dem April war: Sovereign Debt Restructuring – Recent Developments and Implications for the Fund’s Legal and Policy Framework

nigecus Juni 3, 2013 um 19:00 Uhr

Im Nachhinein riecht es immer etwas nach Neid, wenn es Marktteilnehmer nicht gegönnt wird, wenn diese mit „hochriskanten“ Trades Erfolg haben. Im Großen und Ganzen handelt sich um eine Distressed Strategie, die nur funktioniert weil wohl doch etwas an der Marktsegmentierungshypothese stimmt (Man sollte sich auch die Frage stellen warum manche Marktteilnehmer verkaufen „müssen“). Bei Corporates ist es eine Wette auf die Rückholquote (i.d.R. Anleihen und Hedge Funds) bzw. ein Verhandlungspiel im Insolvenzverfahren (i.d.R. Banken, Private Equity, usw.). Bei Staatsanleihen ist es eine Wette auf die Rückholquote, die bei möglichen Staatspleiten in keiner Weise geregelt sind (d.h. durch Gesetze) und von diversen politischen Entscheidungen beeinflusst werden, z.B. Verhalten und Möglichkeiten der Zentralbank, Bailouts/Rettungsschirme anderer Staaten.

Die Distressed Strategie mit Staatsanleihen ist wohl einer riskantesten alternativen Strategien. Die Recovery kann wirklich alles zwischen 0% und 100% sein, und wird quasi durch politisches Gutdünken bestimmt (Bei Corporate Distress kann man wenigestens anhand Bilanzanalyse, Wissen über Jurisdikation, Gläubigerstrukturen, aktuelle Geldmenge, usw. die mögliche Rückholquote halbwegs eingrenzen). Aus dieser Sicht sollten die vorigen Gutwetterzeitenstaatsanleiheninvestoren froh sein, dass Hedge Fonds sozusagen als Liquidity Provider in Distress Zeiten die Anleihen bzw. deren Ausfallrisiko abnehmen.

Ich kann das Argument des IMF schon verstehen, dass eine Distress Situation nicht im Vakuum passiert. Natürlich gibt es da eine fetten Market Impact (oder eine Todesspirale), wenn die ganzen braven Staatsanleiheninvestoren ihre Speicher leeren wollen, und dafür auch Abnehmer finden. Andererseits ist es nur der Prozess „wie“ das Unvermeidbare passiert (Am Ende geht jeder Gläubiger irgendwann pleite… außer er ist eine natürliche Person und stirbt vorher…). Klaro gibt es viele Staaten die es geschickter hinbekommen als aktuell diverse EU-Staaten ihren Balloon nicht zum Platzen zu bringen. Diesbezüglich bin ich ganz bei der Argumentation des IWFs.

Aber was sollen nun der EU-Krisenkomplex machen? Die initialen Staatsanleihen investoren (die zu Par kauften) könnten ja ihre Anleihen nur zu XX% abgeben, weil Hedge Funds in ihre Kalkulation z.B. auch Rettungsmaßnahmen mit einbezogen (Siehe Recovery zw. 0% und 100%). Nun können die Europäer ja sagen: Ist mir egal, nix mit Staatenbailout. Die Recovery ist dann niedriger als kalkuliert, und Hedge Funds werden mit Verluste liquidieren (Ja sie verkaufen, weil Hedge Funds halten i.d.R. NICHT bis zum Laufzeitende). Bei Liquidierung mit Gewinnen, würden die Anleihen wieder bei den klassischen Staatsanleiheninvestoren landen (weil ja wieder alles Ok ist). Bei einer Liquidierung mit Verluste gibt es noch „Geierfonds“, d.h. spezialiste Funds mit internationalen Rechtsanwaltskanzleien als Asset Manager, die konsequent den Fakt ausnutzen, dass es kein Insolvenzverfahren für Staaten gibt (Die Rechtslage ist dann wohl so, dass ein Haircut von Staatsanleihen immer rechtswidrig ist. Hier sollte sich der IWF mal an Argentinien errinnern wie lästig solche Gläubiger sind. So wirklich reinen Tisch hat Argentinen bis dato nicht und hat außerhalb seiner Staatsgrenzen regelmäßig Theater). Zweitens, würde die Europäer nur 1x einen solchen Ist-mir-doch-egal-ich-verpasse-dir-jetzt-doch-einen-Haircut-Schuss abfeuern können. Beim der nächsten Distress Situation in der EU würde die Wahrscheinlichkeit eines Bailouts von (neuen) Hedge Funds einfach niedriger eingestuft, was zu einem Preis von YY% < XX% führt, d.h. die Abschreibungen bei den klassischen Staatsanleiheninvestoren würden einfach um (XX-YY)% größer sein.

Aus dieser Sicht muss man sich manchmal fragen ob der IWF es darauf anlegt die Eurozone in den Abgrund zu beraten.

(Meine Meinung: Ich sehe die einzige Lösung zur Eurokrise darin, dass alle Mitglieder der Eurozone ihre nationalstaatlichen Rechte auflösen und 1 gemeinsamen Staat gründen. Der Rest führt auf kurz oder lang so oder so zum Zerfall Europas. Aber realistisch gesehen sind die Menschen dafür noch zu feige.)

nigecus Juni 3, 2013 um 19:20 Uhr

das mit dem „feige“ nehme ich zurück. Mir ist bis eben nichts besseres eingefalle. Ich korrigiere mich auf: Es fehlt die intrinsische Motivation.

Aktuell glänzt die EU vor allem durch Maßnahmen die extrinsische Anreize setzt, z.B. Transferzahlungen für Bauern, Schengen Abkommen, Standardisierungen, der Euro (war so gedacht), usw. In anderen Worten, die EU versucht sich beliebt zu machen indem sie Maßnahmen durchführt, die materielle Vorteile bringen (egal ob für natürliche Personen, oder juristische Personen die widerum den natürlichen Personen kommunizieren wie toll die EU ist). Aber nur direkten oder indirekten (nicht offensichtlichen) geldlichen Vorteilen kann man keinen Staat machen.

An dem Tag wenn Aliens Europa angreifen, wird es ein „Europa“ geben. Blöderweise ist das nur in Science-Fiction-Romane möglich.

FDominicus Juni 3, 2013 um 05:48 Uhr

Ich gönne den Hedgefonds jeden Erfolg. Für mich selber habe ich aber entschieden, keinem Staat freiwillig auch nur noch einen Cent zu leihen. Mir ist es völlig egal, meinetwegen können alle Staatsanleihen auch real wertlos werden. Es sind leere Versprechungen, die garantiert nicht gehalten werden. Bei Griechenland kann man ja sehen wie nur Private „ausgenommen“ wurden. Auch bei Zypern sind die EZB und zypriotische Zentralbank – völlig ungeschoren davon gekommen. Und das waren mit Abstand die größten Gläubiger….

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