Bremsen Subventionen die Innovationsfreudigkeit der Finanzbranche?

by Dirk Elsner on 22. Juli 2013

Self-Dealer

Ich will hier nicht noch einmal erneut darlegen, dass die Finanzbranche nicht besonders innovativ ist (siehe dazu Wall Street Journal Finanzinnovationen ade?). In vielen Instituten der traditionellen Finanzbranche selbst lächelt man wahrscheinlich über die Kritik an der mangelnden Innovationsfreude, denn gerade haben die US-Banken ein phänomenales 2. Quartal hingelegt mit ausgezeichneten Gewinnen.

Foto: Self-Dealer (Flickr – Jared Rodriguez / Truthout)

Im Zuge der Gewinne werden jetzt wieder stärkere Kapitalanforderungen an Banken diskutiert. Die Verschärfung der Regulierung könnte aber weitere Wettbewerber vom Markt fernhalten und dazu führen, dass sich Banken zu größeren Einheiten zusammen schließen, was man ja eigentlich verhindern möchte.

Ich glaube ohnehin nicht, dass immer wieder neue und schärfere Vorschriften das Finanzsystem sicherer machen. In einem Gespräch mit dem FAZIT-Blog der FAZ sprach sich der Ökonom Raghuram Rajan sogar für Vereinfachungen bei der Regulierung aus. Er wies darauf hin, dass ein Teil der Risiken der Finanzmärkte gerade der Regulierung zu verdanken sei. Regulierung führt letztlich zu einem dauernden Wettrüsten mit den Regulierern – mit der Folge, dass Regeln immer umfangreicher und ausgefeilter werden. Niemand konnte aber bisher plausibel darlegen, dass unser Finanzsystem dadurch wirklich sicherer und besser geworden ist. Andrew Haldane, bei der Bank of England Executive Director, Financial Stability, plädierte in dem schon fast legendärem Papier „The Dog and the Frisbee“ die Regeln zu vereinfachen, um der Komplexität im Finanzsektor Herr zu werden.

Aber die Regulierung ist höchstens die halbe Wahrheit für die mangelnde Innovationsfreudigkeit der Finanzbranche. Eine weitere Erklärung dürfte in den enormen  direkten und indirekten Subventionen des Finanzsektors durch verschiedenste staatliche Institutionen liegen. Laut eines im vergangenen Jahr veröffentlichten Berichts bezifferte die EU die Hilfen für europäische Banken zwischen 2008 und 2012 auf über fünf Billionen Euro. Darin ist noch nicht berücksichtigt, dass Banken von den günstigen Zinsen der EZB und natürlich von den Rettungsmaßnahmen für die schuldengeplagten Länder profitieren.

Subventionen reduzieren den Anreiz, in neue Geschäftsfelder zu investieren. Als Beispiel sei hier etwa die Solarbranche angeführt. Ich bin am Wochenende auf einen Aufsatz von Jan Paul Dollinger gestoßen: Die Wirkung von Subventionen auf die Investitionstätigkeit dargestellt am Beispiel der Solarbranche. Er versucht darin herauszufinden, welche Wirkung Subventionen auf die Investitionstätigkeit in der Solarbranche ausüben. Er vermutet, dass die Solarbranche, die sich in Deutschland jahrelang staatlicher Förderung erfreuen durfte, international deutlich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Deutsche Unternehmen bieten kaum Wettbewerbsvorteile hinsichtlich effizienterer Anlagen. “Die Investitionstätigkeit deutscher Solarunternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung war marginal, da vor dem zügigen Markteintritt chinesischer Unternehmen kaum Anreize für Innovationen existierten. Die Subventionen führten somit vor allem zu einem quantitativen und nicht zu einem qualitativen Kapazitätsausbau.”

In der 80-seitigen Arbeit befasst er sich intensiv mit der Wirkung von Subventionen auf den Markt. Eine ähnliche Studie wäre sicherlich auch interessant für den Finanzsektor und insbesondere für das Banksystem.

Leider mangelt es weiterhin an einer detaillierten Untersuchung, wie sich diese Subventionen für den Finanzsektor genau zusammensetzen (ich freue mich über Hinweise, wenn es doch eine solche Untersuchung gibt). Neben den oben erwähnten direkten Hilfen gibt es bekanntlich eine Menge weiterer Maßnahmen, die Banken direkt oder indirekt stützen. Ich würde dazu mindestens folgende Aktivitäten rechnen:

  • Niedrigzinspolitik der EZB
  • Liquiditätsversorgung durch die EZB, insbesondere über die Gigatender Ende 2001 und Anfang 2012
  • Vorteile für die Finanzwirtschaft, die ihr aus den Rettungsfonds für die Eurostaaten entstehen
  • implizite Staatsgarantie für “systemrelevante” Banken

Den Subventionscharakter der impliziten Staatsgarantie hatte das Instituts für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich in einem Gutachten betrachtet:

“Die von der faktischen Staatsgarantie verursachte Fehlallokation beruht auf einer Subvention. Banken, die als TBTF gelten, sind für ihre Gläubiger risikolos; sie können daher am Kapitalmarkt Geld praktisch zum risikolosen Satz aufnehmen, bzw. Einlagen ohne Rücksicht auf ihre Solvenz anziehen. Obwohl die Staatshilfe in erster Linie die Fremdkapitalgeber schützt, kommt die Subvention über die entsprechend tiefen Risikoprämien letztlich den Aktionären zugute. Diese Subvention beruht auf der erwarteten Staatshilfe und besteht unabhängig davon, ob die Bank je konkrete Staatshilfe erhält. …

Die Subvention durch erwartete Staatshilfe ist in zahlreichen Studien theoretisch und empirisch beschrieben.”

Klaus September 19, 2013 um 16:01 Uhr

Sehr interessanter Gesichtspunkt der hier geäussert wird. Ich stell mir das vor, wenn ein Kleinkind mit Stützrädern fährt, achtet es auch nicht darauf ob es umfallen könnte, denn es weiss solange es unterstützt wird, muss es das Fahren ohne Stützräder auch nicht können.

nigecus Juli 22, 2013 um 20:53 Uhr

Ich stimme Herr Rajan zu dass es nicht unbedingt darauf ankommt „wie hart“ Auflagen sind, sondern viel komplex das Gesamtwerk an Gesetze und Vorschriften sind.
(1) Wettbewerbsstruktur: Konzentration statt Fragmentierung! Wie viele Rechtsanwälte braucht man um eine Bank zu gründen?
(2) Markteintrittshürden? Ja man braucht einen relativ großen Verwaltungsapparat, der sich nur mit nicht-wertschöpfenden b/s auseinandersetzen muss.
(3) Innovativ sein bzw. Ideen umsetzen? Da steht man quasi mit 1 Bein im Gefängnis.

Das Problem mit Gesetzen und Verordnungen ist, dass diese auch von den Regulierten befolgt werden müssen, was voraussetzt, dass diese durch den Paragraphendschungel noch durchblicken. Denn Gesetze die die Mehrheit nicht kapiert, haben per se ein Legitimationsproblem, sodass die Durchsetzung der Gesetze ebengleich problematisch wird. Am Ende ist man ein Staat wie Indien.

Ich habe auf der Arbeit nicht mehr mitgezählt welche Regulierungsvorhaben noch so auf einen einprasseln. Viel Zeit nehmen kann man sich dafür nie, weil schon die nächste Änderung um die Ecke kommt. Interpretieren muss dann dieses Beamtendeutsch selber, weil die Aufsichtsbehörden selber noch nicht wissen wie sie damit umzugehen haben. Das ist die Realität, hier in Deutschland (und Europa).

Eigentlich darf man nicht mehr von Finanzbranche reden, sondern bspw. Juristenbranche.

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