Gestern Abend wurde das jährliche Meeting des World Economic Forum in Davos eröffnet. Ich hatte ja 2009 mal den Luxus einige Panels der Veranstaltungen live verfolgen zu können, allerdings nur vor dem Bildschirm und nicht vor Ort. Die Finanzkrise wütete gerade durch die Wirtschaftswelt und in Davos tobten sich die Untergangspropheten aus.
Ich halte die hochgejazzte “Elitetagung” in der Schweiz seit dem zwar für eine erstklassige Netzwerkveranstaltung, allerdings nicht für ein Plenum, aus dem kreative Lösungen geboren werden.
Die Themen des Weltwirtschaftsforums und der von dort ausgehenden Einfluss steht in einem umgekehrten Verhältnis zu der Medienaufmerksamkeit. Sicher, hinter den Kulissen wird vermutlich viel mehr eingefädelt, als wir erahnen. Die offiziellen Themen sind aber eher ein Feigenblatt für das gepflegte Networking auf höchstem Niveau. Ich will aber meine Kritik aus den letzten Jahren hier nicht wiederholen (siehe dazu die Beiträge unten), sondern Nassim Nicholas Taleb sprechen lassen. In seinem neuen Buch “Antifragile” (ab Ende Februar auch in deutscher Sprache erhältlich) übt er nämlich eine bemerkenswerte Kritik an der “Funktionselite”, deren wichtigste Repräsentanten sich in Davos treffen.
“We are witnessing the rise of a new class of inverse heroes, that is, bureaucrats, bankers, Davos-attending members of the I.A.N.D. (International Association of Name Droppers), and academics with too much power and no real downside and/or accountability. They game the system while citizens pay the price.”
Taleb kritisiert im Vorwort seines Buches ein seit 2008 gut zu beobachtendes Phänomen, dass diejenigen, die Risiken erzeugen, zwar die Erträge daraus mitnehmen, aber nicht die Kosten dieser Risiken tragen. Damit werden solche Personen zu den größten Risikoerzeugern der Gesellschaft. In früheren Zeiten (ob das wirklich so war bezweifele ich), so schreibt er, habe es eine größere Symmetrie zwischen den Menschen gegeben, die weit oben in der Gesellschaft standen und persönliche Konsequenzen aus den eingegangenen Risiken zu tragen hatten. Noch nie, so Taleb, habe es in der Geschichte so viele Nicht-Risiko-Nehmer (er meint das persönliches Risiko) mit so viel Einfluss gegeben.
Es wird also viel gesellschaftliche und wirtschaftliche Macht auf einen kleinen Personenkreis konzentriert, ohne dass diese die persönlichen Risiken aus ihre Kontrolle tragen müssten. Daher, so verstehe ich Taleb, würden diese Personen auch deutliche höhere Risiken eingehen und würden somit die Zerbrechlichkeit des Systems erhöhen. Er trifft damit einen zentralen Kern der Kritik an der “Funktionselite” aus Wirtschaft und Politik, wie man sie jüngst in Deutschland etwa am Beispiel ThyssenKrupp oder am verkorksten Neubau des Flughafen Berlin. Die eigentlichen Machtträger verwenden immer mehr Zeit und Energie darauf, bei Schieflagen die Verantwortung auf Dritte zu schieben. Gelingt dagegen etwas, dann verbucht man gern den wirtschaftlichen und politischen Erfolg für sich.
Das Motto in diesem Jahr heißt übrigens „Resilient Dynamism“. Das Wall Street Journal übersetzt das mit „Widerstandsfähige Dynamik“. Das klingt schon fast ein wenig nach „Antifragile“, dem Titel von Talebs neustem Buch. Ob Taleb diesmal wieder dabei ist, habe ich allerdings nicht geprüft.
Hier einige Betrachtungen zu Davos aus den letzten Jahren hier im Blog:
- Warum man unbedingt hören sollte, was auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt wird (2012)
- Ägypten brennt, Davos pennt: Das Weltwirtschaftsforum findet die neue Normalität nicht (2011)
- Davoser Weltwirtschaftsforum bestätigt Trends oder beendet sie (2011)
- Kritische Medienschau zum Start des Weltwirtschaftsforums in Davos (2010)
- Warum der Blick Log das Weltwirtschaftsforum in Davos dieses Jahr ignoriert (2010)
- Nichts los in Davos oder die Ökonomie der Untergangspropheten (2009)
- Famos Davos: So trocknet man den letzten Bach für den Aufschwung aus (2009)
- Spitzenmanager schreiben sich in Davos endgültig ab (2009)
heute habe ich das Berggruen Interview im HB gelesen, und mir ist da kein Wort für eingefalle. „Name Dropper“ heißen also solche Leute. Danke für den Hinweis.
Vielleicht interessant in diesem Zusammenhang: die Abzocker – Initiative in
der Schweiz.
Diese Initiative betrifft boersenkotierte Schweizer Firmen. und verlangt
“ … dass der Eigentümer (Aktionär/-in) an der Generalversammlung über die Gesamtsumme aller Entschädigungen des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates abstimmen kann. Nicht mehr Kollegen und Freunde sollen den individuellen Lohnbestimmen, sondern die Generalversammlung wählt unabhängige Mitglieder in den so genannten Vergütungsausschuss….“
(so der Text der Webseite dieser Initiative)
http://www.abzockerinitiativeja.ch/was-will-die-initiative/
hier das Dossier von Tagesanzeiger in Zürich dazu, das eine recht nette
Übersicht ergibt:
http://www.tagesanzeiger.ch/dossiers/schweiz/dossier2.html?dossier_id=515
und hier der letzte Beitrag der NZZ dazu:
http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/abzockerinitiative-in-der-waehlergunst-1.17936810
Eigentlich gäbe es damit in Davos, das sich ja schliesslich in der Schweiz
befindet, allerhand Stoff für wohl interessantere Themen, nämlich um
angelegenheiten in eigener Sache. Es müsste gar nicht so langweilig und dröge zugehen.
Comments on this entry are closed.
{ 1 trackback }