Medienkrise = Werbekrise = selbstgemachte Krise?

by Dirk Elsner on 6. März 2009

Ein Beitrag am Mittwoch hat mich auf den Gedanken gebracht, dass die derzeit viel diskutierte Medienkrise möglicherweise eine selbst gemachte Werbekrise sein könnte und nicht etwa eine Inhaltekrise, wie es etwa Don Alphonso schreibt.  Dazu vertrete ich an dieser Stelle die These, dass die werbetreibenden Industrie ihre Anzeigen auch deswegen zurückgefahren hat, weil das negative Umfeld den erwarteten Nutzen der Werbung erheblich reduziert.

Natürlich hängt die Werbekrise auch damit zusammen, dass Unternehmen in Krisenzeiten zuerst ihre Werbebudgets kürzen. Ob die Streichung von Kommunikationsbudgets stets die richtige Strategie ist, zweifele ich schon deswegen an, weil gerade diese Zeiten die Chancen eröffnen, sich von Mitbewerbern abzusetzen. Zumindest könnte das für den Konsumbereich gelten, denn die Verbraucher haben bisher ihre Ausgaben nur im geringen Umfang zurückgefahren. Aber dieser Gedanken soll hier nicht das Thema sein.

Wie bereits gestern geschrieben, bin ich kein Werbefachmann sondern Betriebswirt, aber dass Anzeigen in einem negativen Umfeld schlechter wirken als in einem positiven Umfeld gehört doch zum kleinen 1×1 der Marketingkommunikation: “Schaffen Sie ein positives Umfeld für ihre Werbung, um die Akzeptanz und die Aufmerksamkeit zu erhöhen,” lautet doch sicher ein Credo der Branche.

Die Medien stehen dabei vor einem Dilemma. Einerseits steigt in Krisenzeiten das Informationsbedürfnis. Vermutlich sind die Pageimpressions für Meldungen mit negativen Schlagzeilen deutlich höher als für positive Meldungen. Anders kann ich mir jedenfalls die hohe Anzahl negativer Schlagzeilen nicht erklären, die Redakteure wohl zeitweise unter Krampf ihren Hirnen entreißen, wie die Schlagzeile “Wächst die Terror-Gefahr in der Krise?“.

Google: Besucher auf Wirtschaftsseiten

Google: Besucher auf Wirtschaftsseiten

Allerdings bestätigt die Grafik (hier die Abfrage dazu) von Google Trends, die die relativen Daily Unique Visitors meiner favorisierten deutschen Wirtschaftswebsites zeigt (sorry Spon, aber bei Wirtschaft seit Ihr nicht erste Wahl), meine These nicht zwingend. Ab der heißen Phase der Finanzkrise (Mitte September) verzeichnen zwar alle einen Anstieg der Besucher. Anschließend fällt der Trend aber deutlich zurück und offensichtlich bei allen drei unter die Vorjahreswerte.

Der Gesamtrückgang der Leser kann natürlich auch der Qualität von Google/Trends geschuldet sein. Schaut man sich die geglätteten Werte von Alexa.com, dann ist danach insgesamt ein Anstieg der Besucher zu verzeichnen:

Alexa: Pageviews auf Wirtschaftsseiten

Alexa: Pageviews auf Wirtschaftsseiten

Somit stehen die Online- und sicher auch die Offline-Medien möglicherweise vor einem Dilemma. Mehr schlechte Nachrichten und mehr Leser oder mehr positive Nachrichten und damit wieder ein  freundlicheres Umfeld für Anzeigen schaffen. Als ich im letzten Sommer intensiver die WuV und Horizont las, erinnere ich, dass es stets um die Erreichbarkeit bzw. die Kontaktzahlen bei Werbekampagnen ging, sehr selten um das Umfeld. Vielleicht sollten Medien und Werbetreibende mal über diese These nachdenken, denn die Konsumausgaben sind bisher kaum zurückgegangen. Unternehmen, die jetzt werben könnten sich sogar ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden, nur sehen sie vielleicht die Wirkung ihrer Werbespendings verpuffen in dem negativen Umfeld.

Möglicherweise sind auch Werbeexperten schon längst auf diese These gestoßen und ich habe das nur nicht gelesen, weil ich die einschlägigen Branchenmedien nicht regelmäßig verfolge. Aber wenn ich z.B. wie hier beim “Spießer Alfons” oder die Reaktionen auf seinen Beitrag in der Mediaclinique oder beim Werbeblogger nachlese, dann beharkt sich die Branche nur gegenseitig und beschäftigt sich mit sich selbst.

Warum schreibe ich das jetzt eigentlich? Ich habe mehrfach in meinem Blog geschrieben, und das ist nicht meine Erkenntnis, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise aktuell auch durch eine Stimmungsdepression verstärkt wird. Dazu trägt sicher vorwiegend eine ratlose und komplett überforderte Wirtschaftselite bei, die sich in einigen Großunternehmen bzw. Banken auch noch aus den Verursachern der gegenwärtigen Lage rekrutiert und die sich um ihre Jobs zitternd hinter ihren Schreibtischen verstecken.

Aber auch die Medien, die den negativen Trend nach meiner Auffassung derzeit verstärken, fördern die miese Stimmung. Anders ausgedrückt, das Gerede von der Depression führt erst dazu, wie dies Robert Shiller in der vergangenen Woche in der New York Times feststellte. Wir brauchen also positive Impulse. Diese kommen aber nicht von selbst, sondern müssen von uns Menschen gemacht werden. Aktuell können wir uns noch bei den Konsumenten in Europa und den USA bedanken, dass deren Kaufzurückhaltung nicht noch stärker geworden ist. Nur irgendwann wird auch hier die Konsumneigung zurückgehen, zumal die Unternehmen ja auch immer weniger Kaufimpulse durch die reduzierten Werbespendings setzen.

Bevor ich jetzt wieder Kommentare erhalte, ich betreibe Medienschelte und rede einer Zensur das Wort. Das ist vollkommener Quatsch. Medien sind Wirtschaftsbetriebe und müssen genau so auf ihre wirtschaftliche Daseinsberechtigung achten, wie jedes andere Unternehmen auch. Ich habe nur den Eindruck, dass Medien zu wenig über den Zusammenhang zwischen schlechten Nachrichten und Werbespendings in negativem Umfeld nachdenken und vorwiegend auf die hohen Pageimpressions schauen, wenn sie sich Wettrennen um die düstersten Schlagzeilen liefern. Insofern könnte vielleicht die Medienkrise doch eine Inhaltekrise sein.

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