Die Märkte für Kreditverbriefungen lagen und je nach Sichtweise liegen immer noch am Boden. Immerhin mehren sich die Anzeichen für eine Heilung. Die Marktteilnehmer denken intensiv darüber nach, wie man den Markt für verbriefte Kreditforderungen wieder in Gang bringen kann. Diesem Prozess des Nachdenkens diente am Mittwoch eine von der TSI und der KfW veranstalteten Konferenz, zu der ich eingeladen war. Unter dem Titel “Bestandsaufnahme Kreditmärkte und Unternehmensfinanzierung in Deutschland” traf sich geballtes Branchen-Know-how zu einer ideologiefreien aber selbstkritischen Diskussion.
Schreiben ließe sich auf Basis der anspruchsvollen Panelrunden diverse Blogeinträge und dennoch würde es kaum gelingen, die vielen Facetten in angemessener Weise zu dokumentieren. Hier begnüge ich mich auch aus Zeitgründen mit ein paar Highlights.
- Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist nicht vorbei. Von einer dauerhaften Trendwende mag niemand sprechen. Anzeichen der Erholung können auf Nachholeffekte/Lagerräumung etc. zurückzuführen sein.
- Der Kreditnachfrage wird zunehmen, weil Unternehmen ihren Finanzierungsbedarf durch inländische Institute decken müssen und viele alternative Finanzierungsmöglichkeiten (Auslandsbanken, Kreditversicherungen, Leasing, Verbriefung) eingeschränkt oder gar weggefallen sind.
- Die Kreditnachfrage trifft weiterhin auf auf eine restriktive Kreditvergabe, u.a. weil den Banken Eigenkapital fehlt, sich die Bonitätseinschätzungen vieler Kreditnehmer verschlechtert haben und die zyklischen Regulierungsvorschriften eine höhere Eigenkapitalunterlegung verlangen. Interessant: Während Banken keine Kreditklemme erkennen, sehen Nichtbanken Anzeichen einer sich weiter verstärkenden Kreditverknappung.
- Neben der Kreditklemme gibt es einen doppelten Eigenkapitalbedarf, nämlich den bei Banken und den bei Unternehmen. Dieser Bedarf trifft auf zurückhaltende Investoren.
- Die Bündelung von Kreditforderungen in forderungsbesicherten Wertpapieren (=ABS) ist weiterhin sinnvoll, um die Kreditvergabe durch erweiterte Refinanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern und einer verbesserten Risikoallokation der Banken zu ermöglichen.
- Die Verbriefung in ABS und Co. an sich bleibt ein vernünftiges Instrument sowohl der Finanzierungssteuerung als auch der Geldanlage, wenn die Branche die lessons learnt aus der Kreditkrise berücksichtigt.
- Der deutsche ABS-Markt hat im Gegensatz zum Subprime-ABS-Markt kaum fundamentale Ausfälle zu verzeichnen, leidet aber ebenfalls an der Diskussion um toxische Assets, die in der Praxis ABS- und Schwesterkonstruktionen betreffen, in denen stark ausfallgefährdete Kredite verbrieft sind.
- Die Investoren sind zurückgekehrt und wollen ABS zu den stark reduzierten Marktwerten kaufen, finden aber zu diesen Konditionen kaum verkaufswillige Banken. Grund dafür ist die große Diskrepanz zwischen Markt- und Fundamentalwert.
- Die Verbriefungen von Krediten bleibt ein sinnvolles Instrument der Kreditvergabe und der Steuerung von Kreditrisiken der Banken.
- Eine Ursache für die Exzesse am Markt der Verbriefungsforderungen lag in den Wünschen von Investoren nach höheren Renditen, die man mit “spannenden Konstruktionen” erzielen wollte. Das Angebot an Geld erzwang also die Nachfrage nach Krediten.
- Banken und Investoren fürchten eine Rekalibrierung der Rating-Modelle, die im Zweifel zu einer Herabstufung von Ratings und damit zu erneutem Druck auf Vermögenspreise führen könnten. Da die Ratinggesellschaften hier eine hohe Verantwortung tragen und Ratings direkte aufsichtsrechtliche und eigenkapitalmäßige Auswirkungen haben, wird eine wie auch immer geartete Kontrolle des Ratingsektors gefordert. Wünschenswert ist zumindest ein Konsultationsprozess für neue Bewertungsmodelle. Zur neuen Kritik an den Ratinggesellschaften siehe auch diesen Artikel im Handelsblatt.
- Eine pauschale Herabsetzung von Ratings kann auch deswegen zu Refinanzierungsproblemen führen, weil für bei der Bundesbank für Refinanzierungsgeschäfte hinterlegte ABS-Papiere Ersatz beschafft werden müsste oder die Refinanzierung zurückzuzahlen wäre.
- Durch staatlich gestützte Verbriefungen könnte der Umfang staatlicher Kredithilfe deutlich erhöht werden ohne das staatliche Gesamtkredit- und Bürgschaftsvolumen erhöhen zu müssen.
- Erfreut hat mich, dass sich die Branche für Banken durchaus selbstkritisch mit der Neuausrichtung beschäftigt. Schade, dass das weiterstgehend hinter verschlossenen Türen stattfindet und man sich so selten in die Karten schauen lässt. Dabei war ein häufig wiederholtes Schlagwort der Konferenz gewesen: Vertrauen herstellen durch Transparenz. Leider blieb es bei den Schlagworten. Es fehlten konkrete Ansätze zur Herstellung der Transparenz.
- Es bedarf Institutionen, die mittelständischen Unternehmen Eigenkapital zu einem Marktpreis zur Verfügung stellen können.
Der große Wurf dieser ansonsten gelungenen Veranstaltung blieb erwartungsgemäß aus. Die Finanzbranche brütet über neue Ideen, hat sie aber bisher nicht gefunden, wie übrigens auch eine ähnlich Konferenz in London gezeigt hat. Dies mag daran liegen, dass die Branche noch zu sehr im eigenen Saft schmort und ihr eine Portion kreatives Selbstbewusstsein fehlt. Hilfreich könnte es da sein, wenn Finanz- und Nichtfinanzsektor stärker miteinander reden würden.
Beim Reflektieren der Veranstaltung auf der Heimfahrt ist mir aufgefallen, dass die originären Bedürfnisse der nach Finanzierung suchenden Unternehmen, insbesondere des Mittelstands, zu kurz kommen in den Gedankenprozessen vieler Institute. Die Branche nähert sich nämlich den Finanzierung suchenden Unternehmen von der Anlageseite. Ausgangspunkt der Überlegungen ist stets, wie schaffe ich es Investoren zurück an den Markt zu bekommen und meine Bankrisiken so zu strukturieren, dass die Bank wieder mehr Geschäft machen kann. Erst dann stellt man sich die Frage, ob ein Finanzierung suchendes Unternehmen in dieses Geschäftsmodell passt.
Die Branche sollte es hier einmal wagen, die Denkrichtung zu ändern und vom Finanzierungsuchenden den Prozess zu betrachten. Statt “investment first” also “financing first”. Sie sollte sich also zuerst die Frage stellen, was braucht ein Unternehmen für seine Finanzierung an Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten. Anschließend kann man schauen, wie die Risikostrukturierung und die Refinanzierung durch Investoren auf diese Bedürfnisse ausgerichtet werden kann.
Nachtrag
Eine Dokumentation zu der Veranstaltung hat die TSI mittlerweile ins Internet gestellt. Sie ist hier abrufbar.
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