Eigenkapitalfinanzierung 2.0: Wie man Unternehmen mit Risikokapital fördern kann

by Dirk Elsner on 29. Juni 2009

In einem Beitrag Ende vergangener Woche habe ich mich über die Wirkungslosigkeit der staatlichen Bürgschaftsprogramme für mittelständische Unternehmen geärgert und einige Gründe dargelegt. Leidenschaftlich wird derzeit die Schuldfrage für die Kreditklemme diskutiert (wahlweise sind es die Banken, die Regierung oder die Investoren) ohne freilich auf neue Lösungsansätze zu schauen. Es ist halt einfacher, Vorschläge zu kritisieren, als sich Gedanken über neue Wege zu machen.

Erleichterter Zugang zu Forderungsverbriefungen …

Dabei müsste eine Schlussfolgerung aus der Finanzierungsklemme sein, insbesondere mittelständischen Unternehmen einen besserer Zugang zu riskanteren Finanzierungsformen zu ermöglichen, natürlich mit einer entsprechenden Verzinsung für risikobewusste Kapitalgeber. Ein Weg dazu ist bekanntlich die Verbriefung von Kreditforderungen. Dieser Weg steht aber zunächst nur Banken selbst oder großen Unternehmen offen, die sich je nach Refinanzierungspolitik vorbehalten können, Kredite über Asset Backed Securities zu verbriefen und weiterzuverkaufen.

Kennt die Hausbank dieses Instrument nicht oder will sie es aus verschiedenen Gründen nicht anwenden, dann erhalten kleinere Unternehmen keinen direkten Zugang zu diesem Markt. Dabei könnten hier Investoren adressiert werden, die gegen entsprechende Verzinsung und Portfoliostreuung gern höhere Risiken tragen würden. In der Praxis scheitert dies aber, weil die Losgrößen für mittelständische unternehmen meist zu klein sind und damit die Mittelvergabe zu kostspielig ist.

… z.B. über ABS-Fonds

Hier könnte eine Art ABS-Fonds helfen, etwa in der Form wie ihn Börner und Bechtold im Handelsblatt vorgestellt haben:

“Folgende Lösung wäre mit Hilfe des Staats vorstellbar: Banken wird die Möglichkeit eröffnet, ihre Mittelstandsportfolios oder lediglich die Risiken daraus auf eine Verbriefungsgesellschaft zu übertragen. Diese finanziert sich durch die Begebung von Anleihen. Die sicheren AAA-Bonds können zur Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank hinterlegt werden, ergänzend wäre zu überlegen, ob die Förderbanken der Länder oder die KfW zunächst als Käufer tätig werden. Die mittleren Tranchen, die für den Eigenkapital-entlastenden Risikotransfer wichtig sind, werden mit staatlicher Hilfe am Markt platziert. Da der Markt zurzeit von sich aus nicht aufnahmefähig ist, wäre es wichtig, dass der Staat diese sogenannten Mezzanine-Tranchen partiell oder vollständig zunächst übernimmt oder sie durch Garantien am Markt platzierbar macht.

Die Bank behält einen “First loss Anteil”, der die erwarteten Ausfallraten abdeckt und damit sicherstellt, dass eine ordentliche Kreditbearbeitung erfolgt. Die Transaktionen und Verträge sollten in hohem Maße standardisiert sein, und die Bank sollte sich zu einem Höchstmaß an Transparenz verpflichten. Selbstverständlich würde die Teilnahme an dem Programm für jede Bank auch die Verpflichtung beinhalten, frei werdendes Eigenkapital in neue Mittelstandsfinanzierungen zu investieren.”

Stille Beteiligungen und Mezzanie-Kapital …

Ein weiterer Schritt könnte sein, Minderheitsinvestoren über direkte stille Beteiligungen und Mezzanine-Kapital zu fördern. Eine Reihe von kleineren Investoren hat sich auf Minderheitsbeteiligungen spezialisiert , wie jüngst gerade wieder im Handelsblatt zu lesen war. Daneben gibt es die klassischen Private Equity-Investoren, die sich aber erst ernsthaft bei Beträgen ab einer Mio. Euro für Investments interessieren.

Ein Nachteil aller dieser Verfahren ist, die kapitalsuchende Unternehmen müssen zunächst entweder die geeignete Bank oder das richtige Beteiligungsunternehmen suchen. Das kostet idR. mehr Zeit als die meisten Unternehmen zur Verfügung haben. Dazu kommen jeweils unterschiedlichste Informationsanforderungen, die selbst größere mittelständische Unternehmen schnell überfordern können. Der Zugang zu eigenkapitalnahen Mitteln lohnt sich daher für mittelständische Unternehmen erst ab einem Bedarf von etwa 500 T€. Klar werden auch kleinere Tranchen an Eigenkapital vergeben, jedoch ist die Beschaffung von Kapital vergleichsweise mühsam, wenn man nicht über entsprechende Netzwerkkontakte verfügt. Außerdem sind Netzwerkkontakte kein Freifahrtsschein für Einlagen ohne nähere Planungsunterlagen, Due-Diligence und entsprechender Vertragsgestaltung und Verzinsung. Diese Erfüllung dieser Voraussetzungen kostet Zeit und ist teuer.

Daher kommt es darauf an, die Voraussetzung für mittelständische Unternehmen möglichst schlank und transparent zu gestalten. So erinnere ich mich an das H.E.A.T- Mezzanine-Programm von HSBC Trinkaus mit einem standardisierten Prozess für die Bonitätsbeurteilung nach RiskCalc.

… gehen häufig von Investoren aus

Allerdings kranken derartige Programme meist daran, dass Treiber solcher Finanzierungsalternativen eher Investoren sind und die Balance für die Bedürfnisse der Mittelständler fehlte. So konnte es bei HEAT passieren, dass Unternehmen, die fest mit dieser Finanzierungsalternative kalkulierten, ohne Begründung aus dem Programm fielen, weil die Beurteilungskriterien nicht transparent waren.

Daneben gibt es Anleger bzw. Kleininvestoren, die gern Gelder in mittelständische Unternehmen stecken würden, jedoch bislang davor zurückschrecken, weil sich in kleinere Losgrößen nicht direkt investieren lässt oder Anlagewege nur über den grauen Kapitalmarkt führen, den viele Anleger aus verschiedensten Gründen und häufig zurecht meiden.

Peer-to-peer-Plattform für Eigenkapital

Daher liegt es nahe – analog zu der Kreditplattform smava -  eine Peer-to-Peer Plattform einzurichten, die eine direkte Verbindung zwischen mittelständischen Unternehmen und Investoren schafft und so die Eigenkapitalbeschaffung durch die direkte Anlage in Unternehmen ermöglicht. Aufgabe der zwischengeschalteten Plattform wäre es, z.B. eine standardisierte Due-Diligence (analog der Kreditwürdigkeitsprüfung) durchzuführen und für entsprechendes Reporting zu sorgen. Daneben wäre eine Kommunikationsplattform zwischen kapitalgebenden und kapitalsuchenden Personen bzw. Institutionen notwendig.

Ein Prozess für die Unterstützung der Eigenkapitalfinanzierung lässt sich außerdem nicht ausschließlich maschinengestützt abwickeln, weil immer auch eine persönliche Beurteilung erforderlich ist, die Erfahrung und betriebswirtschaftlichen Sachverstand voraussetzt. Aber auf Basis einer solchen Plattform ließen sich die Informationen wesentlich standardisierter bereitstellen und Beurteilungsprozesse beschleunigen. Kapitalsuchende Unternehmen könnte außerdem belohnt werden, wenn sie mehr Informationen offen legen und dokumentieren. Weitere Anreize könnte geschaffen werden, wenn Unternehmen ein regelmäßige Reporting bieten. Via Forenfunktion könnten potentielle Investoren und Kapitalsuchende in den direkten Dialog eintreten.

Für Investoren hat eine solche Plattform erhebliche Vorteile, weil sie Risikokapital in kleineren Summen investieren, diese auf verschiedene Unternehmen/Branchen und/oder verschiedene Risikoklassen verteilen können. Sie sind außerdem nicht auf die intransparente Vorauswahl durch einen Finanzintermediär angewiesen, sondern können selbst entscheiden, wohin ihr Geld fließt und vom “Wissen der Vielen” profitieren.

So etwa könnte grob skizziert eine Eigenkapitalfinanzierung 2.0 aussehen. Mir schweben natürlich viele weitere Details dazu durch den Kopf, die einer vertieften Diskussion bedürfen. Meine Erfahrungen mit dem Mittelstand bestätigen den Bedarf nach einem solchen Angebot. Meine Erfahrungen als Banker sowie mit Anlegern und Investoren widersprechen dem ebenfalls nicht, sagen mir aber, dass eine solche Lösung sorgfältig auszuarbeiten ist. So müssen neben rechtlichen und (it-)organisatorischen Punkten vor allem eine sinnvolle Balance zwischen Informationsbedürfnissen und Geheimhaltungswünschen beider Seiten gefunden werden.

Eine solche Plattform muss außerdem zunächst eine kritische Größe erreichen, um breiteres Interesse zu wecken. Es wäre daher einfacher, wenn die zwischengeschaltete Institution mit einem Basiskapital ausgestattet wäre, um zunächst eine Vertrauen erweckende Anlagehistorie aufbauen zu können.

In der Summe zeigen die hier skizzierten Vorschläge, dass es viele weitere Möglichkeiten zwischen klassischer Fremdfinanzierung über Bankkredite und staatliche gestützte Finanzierungshilfen gibt. Es liegt an der Wirtschaft selbst, neue Wege zu gehen und nicht ständig über das Versagen von Marktteilnehmern und staatlichen Institutionen zu lamentieren.

Noergler Juni 30, 2009 um 11:46 Uhr

Ich als Kleinanleger vermisse auf jeden Fall in Deutschland ein vergleichbares Angebot an Unternehmensanleihen zum Kauf wie in den USA üblich. Die Verbriefung von Krediten direkt vom Schuldner ist hier noch unterentwickelt. Als Unterlagen reichen dann möglicherweise schon Emmissionsprospekt, die aufbereiteten Geschäftsberichte im Internet (auch wenn das könnte für manche inhabergeführte Unternehmen sehr ungewohnt sein könnte) und ein wenig Werbetrommel.

Ich kann leider nicht beurteilen, wie schwer der Zugang für mittelständische Unternehmen zu Börse in der Realität ist. Möglicherweise schauen viele Mittelständler auch nicht über den Horizont ihrer Hausbank hinaus, oder sie könnten ihren lokalen Berater auf die Tätigkeiten z.B. ihrer Genossenschaft-Zentral- oder Landesbanken ansprechen. Möglicherweise sind die Zugänge zur Börse über die Banken aber übermäßig teuer. In diese Bresche könnten private Emmissionshäuser oder kleinere spezialisierte Banken springen (macht nicht MPC oder die Baader Bank solche Dinge?).

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