Insolvenzwelle: Der dicke Hals des Mittelstands mit dem Deutschlandsfonds

by Dirk Elsner on 26. Juni 2009

Ich muss heute einfach mal meinen Blog “missbrauchen”, um den dicken Hals vieler Mittelständler und mittlerweile meinen eigenen aus meiner Beratungspraxis zu zeigen. Wenn ich die Berichte über Staatsbürgschaften aus dem Deutschlandfonds lese, dann kommt das immer mehr Wirtschaftspraktikern nämlich vor, wie Berichte aus einer anderen Welt. Da werden mal auf die Schnelle für Opel 300 Mio. Euro Kredit gewährt, über einen Antrag für Arcandor wird innerhalb weniger Tage entschieden,  Quelle bekommt innerhalb einer Woche eine Kreditzusage (oder eine Absage).

Der graue Alltag für mittelständische Unternehmen, deren Existenz von solchen Bürgschaften abhängt, sieht unterdessen komplett anders aus. Zum einen verzögern die Banken selbst den Kreditvergabeprozess. Für vergleichsweise geringe Losgrößen ziehen sich die Kreditprüfungen bei den Banken viel zu lange hin. Ist dann der Antrag schließlich durch die Marktfolgebereiche, darf man sich noch einmal auf 8 bis 10 Wochen Bearbeitungsdauer bei der KfW einrichten. In einem Fall zieht sich der gesamte Kreditprozess bereits über drei Monate hin, was ich für skandalös halte.

Bevor man sich weiter ärgert und vorschnelle Urteile fällt, sollte man jedoch einige Punkte zur (Bürgschafts)- Kreditvergabepraxis klarstellen, um anschließend zu den richtigen Maßnahmen zu kommen.

  1. Es gibt keine Kreditklemme mehr. Die hat es im 4. Quartal des letzten Jahres gegeben. Sie war zusammen mit der durch die Finanzbranche ausgelöste Vertrauenskrise in hohem Maße verantwortlich für den globalen Wirtschaftsabschwung. Mittlerweile verfügen die Banken selbst wieder über genügend eigene Liquidität (siehe dazu: EZB flutet die Märkte und auch „Wir ersaufen in Geld“).
  2. Statt einer Kreditklemme beobachten wir eine “Bonitätsklemme”. Unternehmen werden Mittel aufgrund verschlechterte Bonität und verschärfter bankinterner Richtlinien verweigert (siehe auch Banken: Arm und reich zugleich) .
  3. Aus der Bonitätsklemme folgt, dass weder Bad Bank Programme noch die EZB-Politik zur Zinssenkung und quantitativer Lockerung die Kreditversorgung verbessern wird. Die Wirkung dieser Maßnahmen hilft damit den Unternehmen nicht (siehe dazu auch EZB verliert mit neuem Refi Flexibilität – Wirkung fraglich).
  4. Nach den Kriterien des Deutschlandfonds werden nur Unternehmen gefördert, die nach dem 30.6.08 in Schwierigkeiten geraten sind. Diese Bedingung ist zwar notwendig aber nicht hinreichend. Konkret bedeutet dies, für das Bürgschaftsprogramm müssen Unternehmen weitere Bedingungen erfüllen, wie z.B. eine positive Fortführungsprognose nachweisen.
  5. Ein Grund für die Verzögerungen im KfW-Prozess liegt darin, dass die KfW-Haftungsfreistellung die Banken erst nach einer Karenzzeit von vier Monaten absichert. Diese Frist ist aus prinzipiellen Erwägungen nachvollziehbar (Stichworte sind Zitronenmarkt und Moral Hazard), jedoch bedeutet dies, die kreditgebenden Banken tragen für diesen Zeitraum zunächst das volle Kreditrisiko. Gerade im ersten und zweiten Quartal ziehen sich die Genehmigungsprozesse so lange hin, weil Institute mehr Gewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung der Antragsteller bekommen wollen.
  6. Aus der Logik vieler einzelbetrieblicher Liquiditätssicherungsmaßnahmen folgt, dass sie in der Summe keine neue Liquidität schaffen. Gelingt es einem Unternehmen, die eigene Liquiditätssitutation zu verbessern, etwa durch Verkürzung der Zahlungsfristen, dann geht dies zu Lasten anderer Unternehmen.

Die Quintessenz ist klar: Viele Unternehmen haben mittlerweile so gut wie alle liquiditätssicherenden Maßnahmen ausgereizt und suchen händeringend nach zusätzlichen Mitteln. In den nächsten Monaten werden daher immer mehr Unternehmen in die Pleite rutschen, wenn sich nicht zügig an alternative Finanzierungen gelangen und sich ihre Nachfragesituation verbessert.

Daneben ist es ist wenig hilfreich, wenn Banken sich derzeit rechtfertigen und Vorwürfe zur restriktiven Kreditvergabe zurückweisen. Entsprechende Statistiken tragen ebenfalls wenig zur Lösung bei und dienen einzig dazu, sich von Schuld frei zu stellen. Die Angaben, dass Einzelinstitute mehr Kredite vergeben, wird sicher stimmen. Nur man muss dazu wissen, dass sich viele ausländische Institute vom deutschen Kreditmarkt komplett zurückgezogen haben und andere (indirekte) Finanziers die Mittelvergabe ebenfalls eingeschränkt haben.

Die Banken müssen aktuell dazu stehen, dass sie vielen Unternehmen, die erst durch die Finanzkrise in Probleme geraten sind, mittlerweile die Kredite aus Bonitätsgründen verweigern. Das ist kaufmännisch in Ordnung und nachvollziehbar. Es drängt aber die Zeit, intensiver über weitere Finanzierungsformen, wie etwa Förderungsmaßnahmen mit Eigenkapital und transparenter Verbriefung riskanter Kredite nachzudenken.

Dazu müssen nicht einmal zwingend staatliche Mittel oder Gelder der Banken selbst eingesetzt werden. Es gibt genügend privates und institutionelles Geld, das in Beteiligungen oder bewusst in riskantere Kredite für kleinere Losgrößen fließen könnte. Es mangelt aber an einer transparenten Plattform und einem standardisierten Verfahren, solche Geschäfte zu fördern und zu vermitteln. Banken verfügen über genügend Know how, eine solche Plattform zügig auf die Beine zu stellen. Der Wille dafür fehlt allerdings.  

Aktuelle Berichte zu Bürgschaftsprozessen und der Kreditvergabepraxis

KSA: Zweifel am Deutschlandfonds

HB: Kreditnot treibt Firmen in die Pleite

FTD: Steinbrück wird Gelder nicht los

Welt: Firmen bekommen immer schwerer Kredite

Focus: Das große Firmensterben beginnt

HB: Wenn Dritte das Gehalt zahlen

Focus: Insolvenz: Historische Pleitewelle rollt auf Deutschland zu

HB: Förderbanken spüren deutlichen Zulauf

CRM: Kreditklemme – brauchen wir so viele Banken???

HB: Bundesbank-Chef droht mit härterer Gangart

Welt: Porsche will Antrag auf Staatshilfe nachbessern

Berichte im Blick Log

So sieht die Kreditklemme 2.0 in der Praxis aus: Beispiel Hafencity

Kreditklemme 2.0 und Rating 2.0 sorgen für Stress 2.0

Vorsichtige Renaissance der Verbriefungsmärkte aber immer noch investment first

Merkels Warnungen vor Eskalation der Kreditkrise kommen fast zu spät

Für bessere Zeiten vormerken: Kreditsicherheiten in Sicherheit bringen

Kredit- oder Bonitätsklemme für Mittelstand

Verschärfung der Kreditbedingungen hat Mittelstand längst erreicht

Bund mindert Kreditklemme für den Mittelstand

Applaus für die Regierung zum Rettungsschirm für “Realwirtschaft”

Kreditklemme oder Kredithürde? Mittelstand spürt Kreditzurückhaltung in jedem Fall

Kreditklemme verschärft sich

Historische Pleitewelle rollt auf Deutschland zu

mxxl Juni 26, 2009 um 05:08 Uhr

Richtig beschrieben, aber wo wird der Debistismus von Paul C Martin und die Eingentumsoekonomie von Heinsohn erwaehnt?
Der FAZ Artikel ist leider nicht mehr Online:
http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp?tpl=common/zwischenseite.asp&dox={F6A96818-91A0-C7A2-39F7-8729A0A7ED34}&rub={CF3AEB15-4CE6-4960-822F-A5429A182360}

Gruss vom Freiheitsforum

dels Juni 26, 2009 um 09:39 Uhr

Ich kann und will nicht alles lesen. Was schreiben die Herren denn zum Thema?

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