Kredit- und Verbriefungsmärkte im Umbruch

by Dirk Elsner on 1. Oktober 2009

image Heute beginnt in der Berlin der Kongress “Kredit- und Verbriefungsmärkte im Umbruch”. Unter der Federführung der True Sale International GmbH (TSI) bietet dieser Kongress ein höchst anspruchsvolles Programm (Details dazu hier), das zukunftsweisende Hinweise für die Lösung der Finanzierungsklemme liefern könnte. Nach allem, was wir bisher über die Finanzierungsprobleme insbesondere auch mittelständischer Unternehmen aus der Praxis wissen, wird es nämlich neben der Lösung der Eigenkapitalprobleme (siehe dazu im Blick Log zuletzt hier) zu einer Renaissance der Verbriefungsmärkte kommen.

Die TSI selbst schreibt in der Einleitung zum Kongress u.a.:

“Die heutige Finanzkrise ist eine tiefe Zäsur für die weltweiten Kredit- und Verbriefungsmärkte. Die Märkte für öffentlich platzierte Verbriefungen sind weitgehend ausgetrocknet und auch andere Segmente der Kreditmärkte stehen unter Druck. Die Lehren aus der Krise sind vielfältig und betreffen nicht nur die Geld- und Fiskalpolitik, sondern auch den gesamten Kredit- und Verbriefungsmarkt, ja den gesamten Bankensektor. Es geht um Qualität bei der Kreditvergabe und -bearbeitung, um Transparenz, Vermeidung von Moral Hazard und einen aufsichtsrechtlichen Rahmen, der Vertrauen und Sicherheit schafft.”

Das Instrument der Verbriefung von Krediten in Wertpapieren und deren Weiterverkauf ist zu Unrecht in Verruf geraten. Ich halte die Bündelung von Kreditforderungen in forderungsbesicherten Wertpapieren (= ABS) weiterhin für sinnvoll, um die Kreditvergabe zu erleichtern und einer verbesserten Risikoallokation der Banken zu ermöglichen. Die Kritik richtet sich an die falsche Handhabung dieses Instruments durch zahlreiche Marktteilnehmer, die in großem Umfang schrottreifes Material, das immer noch als toxische Wertpapiere in den Bilanzen schlummert, als Neuwagen verkauft haben. Dies wird zurecht kritisiert, wobei sich die Kritik an Verkäufer und Käufer gleichermaßen richten muss.

Dabei kann im Prinzip sogar “schrottnahes” Material, in dem hochriskante Kredite verpackt werden, am Markt platziert werden. Es muss dann aber auf der Verpackung stehen. Dass es einen Markt auch für toxisches Material gibt, zeigen die letzten Wochen. Nachdem die CDOs und Co. Anfang des Jahres noch wie Blei die Depots vieler Banken belasteten, hat sich der intransparente Markt deutlich stabilisiert und erholt (siehe dazu Bericht von gestern im Blick Log). Ich hoffe mir natürlich mehr Informationen auf dem Kongress. So lautet z. B. das Thema eines Vortrags “Wie toxisch sind "toxische Assets"? Bewertung und Umgang mit amerikanischen CDOs.” Geschrieben habe ich dazu jede Menge in diesem Blog (siehe Übersicht zusammen mit Presseartikeln), und es ist kein Geheimnis, dass ich die Papiere bereits im vergangenen Winter für deutlich weniger gefährlich hielt, als dies der weit verbreiteten Ansicht entsprach (siehe z.B. hier).  

Dass die Verbriefungsmärkte in welcher Ausgestaltung auch immer wieder anspringen, ergibt sich rein sachlogisch einerseits aus den weiterhin hohen und künftig steigenden Finanzierungsbedarfen der Unternehmen, die sich nicht direkt über den Kapitalmarkt finanzieren können. Andererseits führen die angedachten neuen Eigenkapitalvorschriften der G20 zu Restriktionen im direkt durch Banken vergebenen Kreditvolumen. Banken, die auf der Suche nach neuem Eigenkapital nicht erfolgreich genug sind und weiter im Geschäft bleiben wollen, werden den Weg der Kreditverbriefung gehen, wenn sie nicht vom Markt verschwinden wollen. Eine spannende Frage wird sein, unter welchen Vorzeichen dieser in die Kritik geratene Markt wieder aufleben wird und welche Lehren die Finanzinstitutionen aus der Finanzkrise für die Verbriefungsmärkte ziehen.

Die Finanzbranche arbeitet also intensiv am Comeback des Marktes für verbriefte Kreditforderungen. Dazu hatte ich bereits den Beitrag “Vorsichtige Renaissance der Verbriefungsmärkte aber immer noch investment first”  über die Veranstaltung “Bestandsaufnahme Kreditmärkte und Unternehmensfinanzierung in Deutschland” geschrieben. Und für die Unternehmen, die immer noch unter der Finanzierungsklemme leiden, könnte die Verbriefung wieder ein wichtiger Baustein in der Finanzierung werden. So forderte Anton Börner, Präsident des Bundesverbands Groß- und Außenhandel, eine „konzertierte Aktion“ von Wirtschaft, Banken und Politik, um die Bankbilanzen durch Verbriefungsgeschäfte zu entlasten. Und auch der Bund will mittlerweile den Verbriefungsmarkt durch Staatsgarantien ankurbeln. Den Unternehmen muss aber der Zugang zu dieser Finanzierungsform erleichtert werden. Viele Banken bieten eine ABS-Finanzierung nämlich gar nicht direkt ihren Kunden an. Vielmehr verbriefen sie nach Abschluss des Kreditvertrages den Kredit im Rahmen ihres Kreditportfoliomanagements.

Das in dem Markt auf der Investorenseite etwas geht, zeigte eine Autokreditverbriefung der VW-Bank in der vergangenen Woche, die nach Angaben der FTD dreifach überzeichnet war. Dennoch, das Anspringen des Verbriefungsmarkt allein wird nicht helfen. Die Finanzierungsengpässe in vielen Unternehmen sind nicht allein mit Fremdkapital zu beheben. Zwar hat sich mittlerweile auch in der Politik herumgesprochen, das wir keine Kreditklemme haben, aber Unternehmen trotzdem Geld fehlt.

Das Probleme vieler Unternehmen besteht in der unzureichenden Eigenkapitalausstattung und in dem Problem, neues Eigenkapital zu beschaffen. Zwar schauen Private Equity-Unternehmen mittlerweile wieder auf den Mittelstand, diese decken aber nur einen Teil des Bedarfs ab. Es gibt weiterhin in Deutschland eine großen Eigenkapitallücke für mittlere Losgrößen. Hier ist der Markt gestört (siehe dazu mehr hier) und bedarf einer Starthilfe (diverse Vorschläge dazu hier).

Investoren sowohl für riskantere verbriefte Forderungen und für Eigenkapital sind da. Nur sie finden aus verschiedenen Gründen nicht den Weg in den Mittelstand. Ein Problem dabei ist, dass insbesondere Investoren mit Risikoappetit deutlich mehr Transparenz über die einzugehenden Risiken fordern. Hier bin ich gespannt auf neue Ansätze.

Forderung nach mehr Transparenz richten sich freilich nicht nur an die arrangierenden Banken, sondern auch an die Finanzierung suchende Unternehmen. Sie müssen wissen, was sie liefern müssen, um eine Finanzierung (egal ob Eigenkapital oder Fremdkapital) zu ansprechenden Konditionen zu erhalten. Hier fehlen gerade vielen mittelständischen Unternehmen immer noch die Rahmenbedingungen, um sich fit für solche Finanzierungen zu machen. Ein Mehr an Einbeziehung und Orientierungshilfen durch die Banken wäre hier absolut förderlich. So erstaunte mich vor kurzem der Leiter einer Kreditabteilung damit, dass nur etwa 15% seine Kunden, darunter auch größere mittelständische Unternehmen, eine Finanzplanung für die nächsten Jahre erstellen und der Bank vorlegen. Offensichtlich verlangen viele Banken solche Unterlagen noch immer nicht flächendeckend. Wie sie so ihre Risiken einschätzen wollen, bleibt daher ein Rätsel, zumal die vergangenheitsorientierten Ratingmodelle gerade durch die Finanzkrise zurecht in der Kritik stehen. In dem Ratingmodell der betreffenden Bank fällt eine fehlenden Finanzplanung nur als einer von etwa fünfzig Punkten negativ auf.

Die Finanzbranche brütet über neue Ideen, hat sie aber bisher nicht gefunden oder zumindest nicht bekannt gemacht. Kein Wunder, denn Intransparenz ist ein zentraler Bestandteil der Geschäftsmodelle der Finanzintermediäre. Erforderlich ist, dass Finanz- und Nichtfinanzsektor stärker miteinander reden und Banken genauer hinhören, was ihre Kunden brauchen. Die originären Bedürfnisse der nach Finanzierung suchenden Unternehmen, insbesondere des Mittelstands, kommen weiterhin viel zu kurz. Die Energie der Finanzbranche war mehr darauf ausgerichtet, für Investoren ein adäquates Anlagepaket zu schnüren.

Die Branche muss mehr wagen und vom Finanzierungsuchenden den Prozess zu denken. Statt “investment first” also “financing first”. Sie sollte sich also zuerst die Frage stellen, was braucht ein Unternehmen für seine Finanzierung an Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten. Anschließend kann man schauen, wie die Risikostrukturierung und die Refinanzierung durch Investoren auf diese Bedürfnisse ausgerichtet werden kann. Dann kann der Finanzplatz Deutschland im internationalen Wettbewerb gestärkt aus der Finanzkrise hervorgehen.

Ich bin sehr gespannt, was dieser Kongress zu dem Thema an Neuigkeiten bereit hält. In der Eröffnungsansprache von Dr. Günther Bräunig, Vorstandsmitglied der KfW und Beiratsvorsitzender der TSI, richtete er seine Erwartungen auch an die Veränderungsbereitschaft des Finanzsektors selbst und forderte Lösungen für die Fremd- und Eigenkapitalprobleme der Unternehmen.

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