Neue Kreditmaßnahmen der Bundes helfen nicht gegen Eigenkapitalklemme

by Dirk Elsner on 3. September 2009

Die Finanzierungszurückhaltung der Banken ist nicht etwa ein subjektiver Eindruck (so Sparkassenpräsident Haasis gestern im Deutschlandfunk), sondern eine messbare Tatsache. Die Diskussion jedoch, ob eine Kreditklemme vorliegt oder nicht und wer daran die Schuld hat, ist überflüssig und offenbart lediglich, dass die in der Öffentlichkeit sich äußernden Vertreter von Politik, Unternehmen und Banken die Praxis nicht kennen.

Unternehmen haben in der Summe deutlich höheren Finanzbedarf als ihn die Banken derzeit abdecken können, wollen oder dürfen. Das hat verschiedene Gründe, die u.a. im gestiegenen Risiko der Finanzierungen und der geringeren Eigenkapitalausstattung der Banken begründet liegen. Daher ist der Versuch des Bundes, Milliarden gegen die “Kreditnot” bereit zu stellen, im Prinzip lobenswert. Zum Plan selbst ist u.a. im Handelsblatt zu lesen:

“Insgesamt 17,5 Mrd. Euro will die Bundesregierung zur Verfügung stellen, um den Firmen aus der Kreditklemme zu helfen. Künftig könne die staatliche Förderbank KfW an die Banken Global-Darlehen im Gesamtumfang von bis zu zehn Milliarden Euro vergeben, erklärte das Wirtschaftsministerium am Dienstag in Berlin. Die Banken sollen das Geld vor allem an mittelständische Kreditnehmer weiterreichen.

Bei Globaldarlehen handelt es sich um großvolumige Darlehen, die die staatliche Förderbank KfW privaten Banken gewährt, die daraus ihrerseits eine Vielzahl von Kleinkrediten vergeben müssen. Die Geldinstitute und ihre Kreditnehmer sollen dabei von den erstklassigen Zinskonditionen der KfW profitieren.”

Allerdings kann ich ohne Kenntnisse der Details bereits jetzt sagen, dass dieser Plan die Finanzierungsklemme nicht oder nur sehr punktuell lindern wird (siehe hier zur Wirkungslosigkeit der staatlichen Bürgschaftsprogramme). Ich werde nicht müde, weiter zu wiederholen, dass die Finanzierungsklemme nur zum Teil auf die restriktive Kreditvergabepraxis der Banken zurückzuführen ist. Seit Monaten beobachten wir nämlich in der Beratungspraxis* eine Eigenkapitalklemme bei mittelständischen Unternehmen. Und dagegen helfen keine noch so guten Kreditprogramme. Viele Unternehmen müssen und wollen sich mit Eigenkapital bzw. eigenkapitalnahen Mitteln versorgen. Bereits Anfang Juli veröffentlichte die KfW eine Kurzstudie dazu (mehr hier), die leider keine öffentliche Diskussion angefacht hat.

Der Weg zum frischen Eigenkapital ist unterdessen schwierig für viele Unternehmen. Dies hatte bereits vor einigen Jahren eine Arbeitsgruppe ebenfalls unter Federführung der KfW diagnostiziert und entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen. Festgestellt wurde damals nämlich eine Lücke im Beteiligungsmarkt (siehe hier) für bestimmte Unternehmensgrößen. Leider ist von den damaligen Vorschlägen offenbar rein gar nichts übrig geblieben. Dabei drängt mittlerweile die Zeit.

Im einem lesenswerten Beitrag im Handelsblatt hat Arno Fuchs ebenfalls vor kurzem auf die Eigenkapitalklemme hingewiesen:

 

“Gerade der Mittelstand nutzt alternative Quellen zur Eigenkapital-Finanzierung zu wenig. Geld ist eigentlich genügend da. Rund 150 Private-Equity-Firmen, bis zu 100 aktive Family-Offices und mehr als 25 Mezzanine-Investoren sitzen auf riesigen Reserven, die sie selbst in der aktuellen Krise nur zu gerne als Eigenkapital investieren möchten. Sie finden jedoch nicht genügend Investitionsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite stehen Hunderte von Unternehmen, die heute schon mit ihren Hausbanken mehr oder weniger heftig um Kredite ringen – eine Entwicklung, die sich im weiteren Verlauf 2009 und 2010 mit großer Wahrscheinlichkeit verschlimmern wird. Angebot und Nachfrage passen nicht zusammen, der Markt ist gestört.”

Fuchs übersieht hier zwar, dass es neben den genannten Investoren noch viele weitere Anlegergruppen gibt, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten Interesse an einer Investition im Mittelstand haben. Ich unterstütze aber seine Diagnose zu der Marktstörung und den kapitalsuchenden Unternehmen:

“Ein Teil des Problems ist beim Mittelstand zu suchen. Für den ist die Investorenakquise unbekanntes Terrain. Der Großteil hat sich bislang nur auf die Hausbank verlassen und eine Finanzierung über Investoren und somit Ko-Gesellschafter nicht einmal angedacht. Die aktuelle Krise zeigt jedoch, dass die Zeiten der unbedingten und insbesondere der "günstigen" Kreditfinanzierung für immer vorbei sind. Mittelständler und deren Management müssen lernen, Eigenkapital von Dritten zu akquirieren und diese als Mitgesellschafter aufzunehmen. Dabei geht es nicht nur darum, die Akteure am Markt zu kennen, sondern auch deren Spielregeln.”

Dies klingt ein wenig einseitig, denn ebenso sollten die Investoren die Spielregeln des Mittelstands kennen, wenn sie an die vielen Investmentgelegenheiten wollen. Dies ergänzt Fuchs aber sogleich:

“Ein Teil des Problems ist jedoch bei den Investoren zu suchen. Der Großteil von ihnen – insbesondere die Vertreter institutioneller Investoren – ist weit weg von den Zwängen und Nöten eines Mittelständlers. Die Praxis zeigt, dass sie die jeweilige Situation eines Mittelständlers nur unzureichend verstehen. Nur zu oft sind sie daher nicht in der Lage, einen Finanzierungs- und Beteiligungsvorschlag im Konsens mit dem Mittelständler zu formulieren. Obschon die meisten Investoren mit guter Ausbildung und Know-how am Markt auftreten, agieren sie teilweise komplett am Bedarf des Mittelstands vorbei. Sie sehen die Marktchance nicht und beschweren sich trotzdem, dass sie keine Beteiligungen finden.”

Fuchs greift dann einen bereits im Blick Log und Handelsblatt vor Monaten diskutierten Vorschlag (siehe Linkhinweise) in modifizierter Form auf und schlägt vor, “risikofreudige Investoren bei der Finanzierung des Mittelstands durch eine teilweise Absicherung oder Verbürgung ihres Risikos durch die KfW zu unterstützen. Die KfW könnte dabei zum fehlenden Scharnier des Marktes werden.”

Gleichwohl löst dies nicht die Probleme der “Marktstörung”, die nach meiner Auffassung insbesondere eine Informationsstörung ist. So scheitern viele Mittelständler bei der Kapitalsuche daran, dass sie die von Investoren benötigten Informationen nicht in der gewünschten Form bereit stellen können. Nicht mittelstandserfahrene Investoren wiederum richten an Mittelständler teilweise die gleichen Informationsanforderungen, wie an Großunternehmen. Dazu stellen viele Investoren unterschiedlichste Informationsanforderungen, so dass ein Mittelständler schon logistisch nicht in der Lage ist, die Anforderungen für mehr als eine Due Diligence zu erfüllen.

Abgesehen davon kostet die Bereitstellung der Informationen nicht nur viel Zeit, sondern verursacht erhebliche Kosten. Daneben ist z.B. aus den allgemeinen Investitionskriterien meist ohne tiefere Prüfung nicht ersichtlich, ob eine Beteiligungsgesellschaft überhaupt als Investor in Frage kommen könnte. All diese Punkte führen im Ergebnis dazu, dass mittelständische Unternehmen in der Praxis, wenn überhaupt, dann nur mit einem Investor verhandeln können. Dies senkt natürlich die EBIT-Multiples und erhöht die Kapitalkosten.

Mittelständische Unternehmen sollten lernen, dass sie sich auf neue Formen der Informationsbereitstellung einzustellen haben, wenn sie Kapitalgeber überzeugen wollen. Dazu gehört insbesondere eine fundierte und integrierte Planung, die mehr ist als eine lineare Hochrechnung von Vergangenheitsdaten und die proaktive Auseinandersetzung mit Risiken. Hier hadern viele Eigentümer und Manager im Mittelstand, weil eine umfassende und gut strukturierte Informationsbereitstellung früher nicht notwendig war.

Meines Erachtens rührt also die “Marktstörung” aus der herrschenden Informationsasymmetrie zwischen Investoren und Unternehmen. Wenn beide Seiten ein Interesse am gegenseitigen Engagement haben, dann werden sie einen Weg finden, diese Asymmetrien abzubauen. Dazu müssen sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Der Staat kann dies beschleunigen, in dem er rechtliche Hindernisse abbaut (etwa die steuerliche Diskriminierung von Eigenkapital gegenüber  Fremdkapital). Daneben könnte er in Form einer Public-Private-Partnership einen Fonds initiieren und mit Basiskapital ausstatten, um mittelständischen Unternehmen Eigenkapital in verschiedenen Risikoklassen zu Verfügung zu stellen. Dieser Fonds sollte in Abstimmung mit Vertretern des Mittelstands und der Beteiligungsindustrie ein Standardinformationsset und Vorgehen bestimmen, das zur Beurteilung des Risikos ausreichend ist. Für Unternehmen hätte dies den Vorteil, dass sie ihr Reporting und ihre Planungsberichte darauf entsprechend einstellen könnten.

Das jedenfalls ist ein besserer Weg als das x-te Kreditprogramm.

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* Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der Unternehmensberatung INNOVECS GmbH. Er hat als Bereichsleiter in Banken und Geschäftsführer in mittelständischen Unter-nehmen gearbeitet und kennt die Praxis kritischer Unternehmenssituationen aus erster Hand. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner(at)innovecs.de.

Die INNOVECS GmbH ist ein Beratungsunternehmen und zählt sowohl Banken als auch Unternehmen des Mittelstands zu seinen Kunden. Im Mittelstand konzentriert sich die INNOVECS auf strategische, finanz- und betriebswirtschaftliche Beratungs- und Umsetzungsleistungen für Unternehmen. Dazu gehören insbesondere Kostenmanagement, Businessplanungen incl. Risikoanalyse und Finanzierungsthemen.
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Eine Übersicht mit diesen und vielen weiteren Beiträgen auch anderer Medien ist auf dieser Seite zu finden.

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FTD: Wenn Unternehmer um Geld betteln müssen: Während sich Banker und Politiker streiten, ob es sie überhaupt gibt, ist die Kreditklemme für viele Firmen längst Realität. Wer nicht 1a-Zahlen vorlegen kann, bekommt kein Darlehen – selbst Hausbanken lassen Betriebe im Stich.

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