Arcandor-Quelle-Pleite: 30 Millionen für drei “kleine” Manager

by Dirk Elsner on 26. Oktober 2009

Arcandor befindet sich in der Insolvenz, die Tochter Quelle wird abgewickelt und die Arbeitsagentur rechnet mit einem Massenansturm. Dieses Drama haben viele vorausgesehen, nur nicht die drei Männer, die in diesem Jahr an der Spitze von Arcandor standen. Was niemand vorausgesehen hat, ist, diese drei Männer werden zusammen mindestens 30 Mio. € kassiert haben oder noch kassieren und sich dabei ganz klein in der Übernahme von Verantwortung gezeigt haben. Sie reihen sich damit nahtlos ein in die Reihe der Spitzenmanager, die für sich das Maximum aus ihrem Beschäftigungsgeber holen und vergessen haben, was es bedeutet, Verantwortung zu haben.

Christoph Schlautmann hat vergangene Woche im Handelsblatt gut herausgearbeitet, wie das Arcandor-Dreigestirn Middelhoff, Eick und Insolvenzverwalter Görg zunächst die Lage schön redeten, um sich dann selbst ordentlich zu bedienen.

Thomas Middelhof: 4 Mio. €

„Quelle ist neu ausgerichtet – Turn-around im Universalversand Deutschland erreicht“, sagte der damalige Vorstandschef Ende 2008 im Geschäftsbericht. Middelhoff, der Ende Februar abtrat, sollen für den vorzeitigen Abgang angeblich vier Mio. Euro versprochen worden sein.

Karl Gerhard Eick: 15 Mio. €

Nachfolger Karl Gerhard Eick schwärmte schon kurz nach seinem Amtsantritt in Essen von „Cross-Marketing“-Aktionen zwischen Quelle und der Reisetochter Thomas Cook, hob die ungeahnten Möglichkeiten für das Versandhausgeschäft durch das Internet hervor und sah schon einen „signifikanten Erfolg bei der bisherigen Restrukturierung“. Nachfolger Eick, gerade einmal 185 Tage im Amt, kassierte 15 Mio. Euro.

Klaus Hubert Görg: 11 Mio. €

Die „neue Quelle“ habe „realistische Möglichkeiten, sich durch eine Sanierung im Insolvenzverfahren als europäischer Marktführer im integrierten Homeshopping aufzustellen“, so der Insolvenzverwalter. Nach Einschätzung von Branchenkollegen kann sich Görg auf einen siebenstelligen Betrag freuen. Andere Schätzungen gehen sogar von einer Vergütung in zweistelliger Millionenhöhe aus. Fairerweise muss man dazu erwähnen, dass Görg dieses Honorar auch verwendet, um seine Mitarbeiter zu bezahlen.

Middelhof, Eick und Görg ist nicht einmal vorzuwerfen, dass sie diese Beträge für sich vereinnahmen, denn schließlich haben sie diese Beträge nicht einseitig festgelegt, sondern mit den Eigentümern vereinbart (Middelhof, Eick) bzw. sie richten sich nach gesetzlichen Vorgaben (Görg). Hier darf, nein hier muss man die Frage an die Eigentümer (auch Frau Schickedanz schweigt) und Aufsichtsräte stellen, unter welchen Aspekten sie ihr Personal ausgewählt und Vergütungen vereinbart haben (hier generell zum Thema Aufsichtsräte und Vergütung).

Aber Middelhof, Eick und Görg haben sich selbst klein gemacht durch die erzeugten Luftblasen und die Ablehnung persönlicher Verantwortung. Sie suchen die Schuld für das Desaster überall, nur nicht bei sich selbst. Und klar ist, wenn es Arcandor geschafft hätte, dann hätten sie sich feiern lassen.

Dieser herausragende Abwesenheit von Verantwortung unterscheidet Teile der aktuellen Manager-Generation von der vielleicht sogar verklärten Generation der Bertelsmänner, Oetkers oder Herrhausens. Hier wäre niemand auf die Idee gekommen, sie mit Söldnern zu vergleichen, die nur dort ihre Dienst anbieten, wo gerade gut gezahlt wird.

Die neue “Funktionselite” setzt keine neuen Maßstäbe mehr, sondern untergräbt mit ihrem Verhalten das Fundament unseres Wirtschaftssystems. Nicht mehr der Glaube an die besten Leistungen, sondern die opportunistische Nutzenmaximierung bestimmen den betrieblichen Alltag.

Der ehemaligen Berliner Wissenschaftssenator Georg Turner schrieb vor einigen Wochen im Tagesspiegel:

“Jede pluralistische Gesellschaft lebt davon, dass die sogenannten Eliten Maßstäbe setzen und sie selbst leben.

Middelhof, Eick und Görg haben genau wie Wiedeking, Kenneth Lewis und viele andere neue Maßstäbe gesetzt, die zum Leitbild für viele Führungskräfte und Mitarbeiter auch in zweiter und dritter Reihe geworden sind. Es ist jedenfalls nicht das Leitbild des ehrbaren Kaufmann, wie es Hartwig Schubert im Harvard Business Manager fordert.

Die Wirtschaftselite hat sich und ihre Unternehmen so nicht nur selbst in eine Legitimationskrise gelotst, sondern sich damit auch handfeste praktische Problem eingehandelt. Das Bedauerliche ist nämlich, dass dieses Verhalten Ausstrahlungen auf Manager und Mitarbeiter hat. Viele Unternehmen spüren dies, weil sich immer mehr Führungskräfte in der 2. und 3. Reihe und viele Mitarbeiter an diesem Verhalten orientieren und damit eine Gefangenendilemmasituation erzeugen, von der am Ende niemand profitiert. Ganz praktisch ist dies in vielen größeren Unternehmen zu bemerken, wo Führungskräfte Doppel- und Dreifachsicherung betreiben, sich in endlosen und inhaltlich nutzlosen Sitzungen abstimmen, um durch Konsens Verantwortung zu verwischen.

Glücklicherweise stehen für viele Führungskräfte und Unternehmensleiter weiter Werte im Vordergrund, von denen weder Middelhof, Eick noch Görg etwas gehört haben dürften. Sie schütteln den Kopf über die sich selbst bereichernden Zirkel. Und gleichwohl steigt ihre Wut, weil sie befürchten, die nun öffentlich ausgebreitete Vergütungs- und Unverantwortungskultur könne tiefe Verhaltensänderungen in den eigenen Unternehmen bewirken.

PS

Wer sonst noch zu den “Gewinner der Quelle-Pleite” gehört weiß die Wirtschaftswoche.

Nachträge

Immerhin räumt Klaus Hubert Görg in einem am Montag veröffentlichen Interview mit der FAZ auf die Frage, ob er sich Fehler, Versäumnisse und Fehleinschätzungen vorzuwerfen habe ein:

„Fehler und Versäumnisse nicht, aber Fehleinschätzung schon. Wenn man ein Gut für verkäuflich hält, das aber misslingt, ist das klar eine Fehleinschätzung. Aber mir wären doch viel mehr Vorwürfe gemacht worden, wenn ich Quelle sofort mit der Kündigung des Factorings am 10. Juni abgewickelt hätte. Mit aller möglichen Leute Hilfe haben wir einen Bieterprozess erreichen können. Es gab keine Alternative dazu, die Chancen zu nutzen, den Verbund zu verkaufen. Auch wenn der Versuch am Ende scheiterte.“

Wirklich zurückstecken, wie noch von Focus gemeldet, will Görg allerdings nicht. Er ist lediglich mit seinen Vergütungsansprüchen hinter den staatlichen Massekredit getreten, um diesen überhaupt zu ermöglichen.

Sanierungsexperten, Gewerkschafter und Spitzenpolitiker werfen dem Quelle-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg nach Informationen des Handelsblatt Versäumnisse, Ideenlosigkeit und mangelndes Engagement vor zweifeln an seinen Bestrebungen.

Weitere Pressemeldungen

Focus: Katastrophen-Domino bei Quelle: Die Auslandstöchter von Quelle konnten sich bisher der Pleite entziehen. Doch nach dem Aus für die deutsche Mutter ist Gefahr im Verzug.

nixda Oktober 26, 2009 um 17:49 Uhr

Gratuliere zu diesem Beitrag. Das Gefühl der sozialen Ungerechtigkeit ist das eine, der praktische wirtschaftliche Flurschaden in Form von bis zur Verlust der Wettbewerbsfähigkeit ruinierten Firmenkulturen das andere.

Von den Leidtragenden in Form vom ruinierten Existenzen abhängig Beschäftigter ganz zu schweigen.

Knotowski Oktober 26, 2009 um 12:56 Uhr

Ich denke auch, dass eher die Eigentümer anfangen müssen, über ihre Rekrutierungspolitik nachzudenken.

Vor zwei Jahren suchten wir für ein Tochterunternehmen einen neuen Geschäftsführer und schalteten eine Personalberatung ein. Die stellten uns mehrere Kandidaten vor, die bei renomierten Unternehmensberatungen ihre ersten Sporen verdient hatten, aber keinerlei Erfahrungen in der Unternehmenspraxis aufwiesen. Sie wurden uns in den höchsten Tönen von den Personalberatern empfohlen. Die Gehaltsvorstellungen sprengten allerdings unser Gefüge deutlich. Unser Hauptgesellschafter hat dann entschieden, auf die Einstellung zu verzichten und auf eine interne Lösung zu setzen, die sich als Volltreffer erwiesen hat.

Bei der Gelegenheit habe ich übrigens ernsthafte Zweifel an der Rekrutierungspolitik von Personalberatern bekommen. Und vielleicht muss man deren Arbeit und Anreizstruktur ja auch einmal durchleuchten, denn schließlich ist die Höhe ihrer Provision abhängig von der vereinbarten Vergütung des neuen Mitarbeiters und nicht von seiner tatsächlichen Leistung.

peters Oktober 26, 2009 um 12:47 Uhr

Vielen Dank dem Blick Log für diesen gelungenen Beitrag. Ich bin selbst Geschäftsführer in einem größeren mittelständischen Unternehmen. Der Kulturwandel, den viele Großunternehmen hier vorexerzieren, ist zum Glück noch nicht in dem Ausmaß bei uns angekommen. Gleichwohl spürt man insbesondere bei jüngeren Arbeitnehmern eine abnehmendes Verantwortungsgefühl und geringeres emotionales Engagement für „ihr“ Unternehmen.

Das Verhalten von Middelhoff, Eick und Co. selbst verachten meine Kollegen in der Geschäftsführung und ich zutiefst. Solche Vergütungen haben nichts mehr mit individueller Leistung oder gar Risikobereitschaft zu tun. Jeder mittelständischer Unternehmer geht in diesen Zeiten ein deutlich höheres Risiko ein und erntet dafür deutlich geringere monetäre Gegenwerte. Diese sind ihm aber meist auch nicht so wichtig.

Beste Grüße
PS

Ulf Oktober 26, 2009 um 12:19 Uhr

Middelhoff hat schon vorher abkassiert…

Eick wurden 15 Mio. bezahlt für seine Kontakte in die Poltik. Also soviel ist ein Mittelsmann zum großen Geldtopf wert…

Görg wickelt ab. Das ist wie ein Tauchteam, das versucht noch etwas von der Ladung vom Meeresgrund zu bergen. Naja Insolvenzverwalter halt…

Thorstenk Oktober 26, 2009 um 12:34 Uhr

Tja, die drei haben kassiert oder kassieren immer noch. Einmal mehr stellt sich aber die Frage, was ist gutes Management und was ist gute Managementleistung wert. Der Fall Arcandor ist wieder ein Beispiel dafür, dass der Zusammenhang zwischen Managemententlohnung und Leistung eher zufällig ist und ganz andere Gründe eine Rolle spielen. Daher frage ich mich, wer eigentlich Interesse an dem Mythos hat, hohe Managementvergütung = außerordentliche Managementleistung.
Ein Artikel in der FAZ am Wochenende hat deutlich gemacht, dass es auch anders geht
http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~EA7E5958513684408AC1B19B892FCDA0B~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Joss Oktober 26, 2009 um 06:18 Uhr

Für Buchwürmer:
C.N. Parkinson: Das Parkinson Gesetz (erstmals engl. 1958)
war vor vielen Jahren mal ein Bestseller, m. W. vergriffen,
nur mehr in Bibliotheken, eigentlich schade.
Parkinson schrieb eine vergnüglich Satire, wie ein Manager
in einer Organisation erst mal die Bürokratie aufbläht, diese
zu einem ständig wachsenden Monstrum macht, damit eine
organisatorische Unfähigkeit erzeugt bei gleichzeitiger
Kostenexplosion. Und gleichzeitig seine Position ausbaut,
die richtigen Leute zum Essen einlädt, also privat konspirative Treffen veranstaltet, und so innerhalb der
Organisation nach oben kommt. U.a. dann in schon hoher
Position seine Wichtigkeit durch entsprechende Ausstattung
unterstreicht (die dicke des Teppichs im Vorzimmer, das
alles muss imponieren), usw., eben derartigen Aufwand
betreibt. Damals war dieser Aufwand im Vergleich zu jenem
der dann wirklich einsetzte, bescheiden.
Und dann, das wenn das höchste Niveau der Inkompetenz
erreicht ist, darauf kommt es letztlich an, auch entsprechend hoch bezahlt wird. Und letztendlich dann eine
derartige Gefahr und Belastung für die Organisation
geworden, eine entsprechende hohe Abfindung erhält, weil
nicht mehr länger zu ertragen, damit man ihn los wird.
Er sich aus dem Unternehmen verabschiedet.

Parkinson’s Buch wurde in der Folge immer wieder zitiert,
und verha-ha-t, sehr witzig und so. Also auf diese Weise
entschärft, während ziemlich genau das praktiziert wurde
was dieser satirisch beschrieben hat, diese Satire
dann auch um ein Vielfaches überholt wurde.

Dass diese Management- und Organisationskultur, weil dazu
gehören auch staatliche Organisationen, überhaupt so weit
kommen konnte, hat auf jeden Fall mit dem Versagen der
Medien zu tun. Diese haben im Umfeld von Spitzenmanagern
die Jahre hindurch systematisch das Verstandesopfer
praktiziert, lagen flach im Vorzimmer von solchen
Manager wenn sie wieder mal so ein personalisiertes
Interview machten, die Geheimnisse und Mysterien zu
entdecken versuchten – und natürlich ganz und gar angetan
waren von den Werbeausgaben dieser Leute. (Gerade diese
Leute, denen es ohnehin auf Verschwendung ankommt, zeichnen
sich auch durch die hohen Werbegelder aus. Die verpulvern
ohne Rücksicht auf Verluste wirklich viel Geld für PR und
Werbung, sind deswegen Lieblinge der Medien, unverzichtbar
solange es sie gibt. Allerdings lässt sich dann auch,
als ein Nebenaspekt, das Versagen der Werbestrategien
dann konstatieren, so wie in den Fällen oben.)

Im Grunde genommen gäbe es, was es derzeit ja offensichtlich nicht gibt, für Medien, Journalisten, die
nicht dem sacrificium intellectus huldigen, eine ganze
Menge vergnügliche Themen, Beobachtungen, zu bearbeiten.
Die konspirativen Treffen, die notwendig sind, etwa wie
man sie bei Bankvorständen und politischen Funktionären
(Aufsichtsräten) unbedingt annehmen muss, ohne diese
privaten gegenseitigen Hilfestellungen ginge ja nichts,
haben durchweg spiessbürgerlichen Charakter. Das sind keine
Monster, sondern durch und durch Spiessbürger.
Wer die Daily Show, Jon Stewart, etc. kennt, kennt damit
auch potenziell die Chancen, Art und Weise, wie so was
konkret „bearbeitet“ werden kann (und sollte).

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