Stockende Reformbemühungen und Lobbyarbeit im Finanzsektor

by Dirk Elsner on 29. Januar 2010

Barack Obama hat vor einer Woche eine Strukturreform für das US-Finanzgewerbe angekündigt, die fast einer Revolution gleichkommt. Über diesen Glass-Steagall Act 2.0 oder Volcker-Rule (aber eigentlich entwickelt von der Group of Thirty unter dem Ex-Fed-Chef Paul Volcker) wird bereits viel und heftig diskutiert. Dieser Vorschlag kam in dieser Deutlichkeit für viele Beobachter überraschend und sorgte bereits für heftige Reaktionen. Dabei ist die Forderung weder neu noch originell.

Die Finanzmärkte hatten sich bereits darauf eingestellt, dass die noch vor einem Jahr ambitioniert diskutierten Ansätze einer neuen Finanzordnung in den Mühlen der politischen Diskussion zermalmend wird. Investoren setzten damit wohl auch darauf, dass die “impliziten Bestandsgarantie” für Finanzinstitute auf Dauer gelten würde, so zumindest könnten die starken Kurseinbrüche bei Finanztiteln auch interpretiert werden.

Viele Finanzinstitute fahren mittlerweile schwere Geschütze gegen die insgesamt erheblich ins Stocken geratenen Reformbemühungen des Finanzsektors auf. Obwohl es bisher keine nennenswerten Umsetzungen neuer Rahmenbedingungen gibt, warnen die Institute immer eindringlicher, dass der “Reformeifer” der Politiker zu einer Zersplitterung und Renationalisierung der globalen Märkte führe. Manche sehen dadurch sogar die konjunkturelle Erholung gefährdet, schreibt das Handelsblatt. Und selbstverständlich wird mit einer Kreditklemme gedroht.

Gut zu besichtigen ist die Lobbyarbeit zum Beispiel heute auf Handelsblatt.com. Unter der Schlagzeile „Basel III: Banken drohen neue Milliardenlastenklagen die Institute über die Details der neuen Eigenkapitalanforderungen. Das Blatt schreibt:

„Die Banken stemmen sich gegen die Eigenkapitalvorschriften und wollen nach Informationen des Handelsblatts aus Finanzkreisen in den kommenden Wochen ihren Widerstand bei Politik und Aufsichtsbehörden verstärken.“

Und natürlich nutzen die Institute das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Einflussnahme. So schreibt etwa die FTD:

Die Branche wehrt sich heftig gegen Obamas Vorstoß. Robert Diamond, Präsident von Barclays , appellierte an die Regierungen weltweit, sich abzustimmen und keine Alleingänge zu wagen. Er warnte vor Überreaktionen: „Es ist jetzt sehr wichtig, einen Schritt zurückzutreten und über die Rolle des Handels und Risikos in Banken nachzudenken. Denn ohne Risiko gibt es auch kein Bankensystem“, sagte Diamond in Davos.

Ähnlich skeptisch äußerte sich Deutsche-Bank -Vorstandschef Josef Ackermann . „Am Ende könnten wir alle die Verlierer sein, wenn wir keine effizienten Märkte mehr haben“, warnte Ackermann. Solche Begrenzungen führten in die Irre, da sie nur die Gefahr erhöhten, dass manche Anbieter in unregulierte Kapitalmärkte flüchteten. Dadurch sei am Ende die gesamte globale Wirtschaft gefährdet. Ackermann betonte, Obamas Verbot führe nur dazu, dass am Markt wieder verstärkt kleinere Spieler entstünden, die die zunehmend weltumspannenden Handels-Bedürfnisse der Firmen nicht befriedigen könnten.

Diese deutliche Kritik überrascht nicht, sie irritiert jedoch, weil die Finanzwelt es nach nunmehr 30 Monaten Finanzkrise selbst nicht geschafft hat, eine eigene Blaupause für eine neue Finanzarchitektur vorzulegen und in Sprachlosigkeit verharrt. Obama hat am vorvergangenen Donnerstag nicht zum ersten Mal die Hand ausgestreckt durch seine Worte:

I welcome constructive input from folks in the financial sector. But what we’ve seen so far, in recent weeks, is an army of industry lobbyists from Wall Street descending on Capitol Hill to try and block basic and common-sense rules of the road that would protect our economy and the American people.

Meines Wissens hat sich niemand der Top 5 um ein Gespräch bemüht. Frank Wiebe zieht im Handelsblatt den Schluss:

“Die Banken haben hinlänglich gezeigt, dass sie an keiner grundlegenden Erneuerung ihrer Branche interessiert sind. Es gibt daher wenig Grund, sie zu bemitleiden, wenn Obamas Vorstellungen zum Tragen kommen sollten.”

Der Beitrag der Lobbyisten zur Finanzkrise

Erwartet wird, dass einige Banken versuchen, dass Weltwirtschaftsforum in Davos zu nutzen, um gut Wetter zu machen, wie die FTD vermutet. Das ist Lobbyarbeit auf Top-Niveau. Und gerade die Lobbyarbeit im Finanzsektor hat sich Forscherteam des Internationalen Währungsfonds (IWF) angesehen. Das 72 Seiten umfassende Working Paper “A Fistful of Dollars: Lobbying and the Financial Crisis“ fasst Olaf Storbeck in seinem Artikel “Wie Lobbyisten zur Krise beigetragen haben” gut zusammen. Die Analyse legt den Schluss nahe, dass der politische Einfluss der Finanzindustrie eine Quelle systemischer Risiken sein kann. Storbeck schreibt u.a.:

Die Studie des IWF-Forschertrios stützt eine Reihe von Arbeiten zu den Wirkungen von Lobbyismus, die bereits in den vergangenen Jahren gezeigt haben: Gute Kontakte in die Politik zahlen sich für Unternehmen aus. Sie ermöglichen es ihnen, sich auf Kosten der Allgemeinheit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Gesamtwirtschaftlich führt politische Patronage von Unternehmen zu erheblichen Verzerrungen – unter anderem, weil ineffiziente Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler vor dem Aus bewahrt werden. Enge Drähte in die Politik verführen Unternehmen zudem zum Schlendrian. …

Die Wissenschaftler legten ein frappierendes Muster offen: Es waren nicht die eher konservativen Geldhäuser, sondern vor allem die Kredithaie, die Lobbyarbeit großschrieben. Banken, die viel Geld für politische Einflussnahme ausgaben, zeichneten sich durch ein besonders aggressives Geschäftsgebaren aus. Gleichzeitig vergaben sie vor Ausbruch der Krise systematisch riskantere Darlehen als die Konkurrenz. Bei ihnen war zum Beispiel das Kreditvolumen im Verhältnis zum Einkommen der Schuldner besonders groß – ein Indikator dafür, dass diese Institute geringere Anforderungen an die Bonität der Schuldner gestellt haben.

Die Strukturänderungen im Finanzsektor gehen insgesamt sehr schleppend voran und drohen in einer Kakophonie der Zuständigkeiten, Interessen und auseinanderlaufenden Fachstellungnahmen zu ertrinken. So warnt etwa der Münchener TU-Professor Christoph Kaserer vor regulatorischen Schnellschüssen bei der Reform der Bankenaufsicht in der EU. Und das Gutachten sieht keine Notwendigkeit, die Sparkassen stärker zu überwachen (mehr zum Gutachten hier).

Für die kommende Woche bereitet der Blick Log eine Mindmap vor zum aktuellen Diskussionsstand der neuen Finanzordnung. Wer vorab sehen will, was an wichtigen Maßnahmen gegen die Finanzkrise bisher diskutiert und eingeleitet wurde, der kann dies auf dieser Mindmap nachsehen.

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