Meine Herren, was das ein spannendes Buch. Über das Neujahrswochenende habe ich Gregory Zuckermans “The Greatest Trade Ever” in der deutschen Fassung “Der größte Trade aller Zeiten” verschlungen. Das Buch erlaubt ähnlich, wie Ross Sorkins “Die Unfehlbaren” einen tiefen Einblick in die Mutter aller Finanzkrisen, nämlich die US-Subprime-Spekulation. Dabei setzte Zuckerman, der als leitender Redakteur für das Wall Street Journal arbeitet, wie Ross Sorkin bei den großen Spielern der Finanzmärkte an. Während Ross Sorkin sich auf die Politik und die Banken im Zeitraum März bis Oktober 2008 konzentrierte, taucht Zuckerman für seine Leser tief in die Welt der Hedge Fonds und der großen Privatanleger ein.
Die Protagonisten seines Buchs sind dabei die Anlagemanager, denen bereits 2005 die Überhitzung des US-Immoblienmarktes aufgefallen war und die nach Wegen suchten, von einem Rückgang der Immobilienpreise oder gar einem Kollaps des Marktes zu profitieren. Im Mittelpunkt steht dabei John Paulson, der mit seiner Investmentfirma Paulson & Co. Inc. mit viel Mühe und am Anfang vergeblich versucht hat, “den Trade” gegen die vorherrschende Meinung der Wall Street bei seinen Anlagekunden zu platzieren.
Paulsons Firma hatte, verkürzt dargestellt, mit Hilfe verschiedener Instrumente auf fallende Immobilienpreise in den USA spekuliert und u.a. Goldman Sachs und die Deutsche Bank gebeten, Positionen so zu strukturieren, dass die Hedgefonds des Unternehmens davon profitieren, wenn die Immobilienpreise fallen. Goldman Sachs stand deswegen im Frühjahr letzten Jahres unter Anklage, weil die Investmentbank die Instrumente für Paulson (insbesondere den CDO Abacus, siehe dazu diese Sonderseite im Blick Log) an andere professionelle Investoren weitergereicht hatte ohne sie davon zu unterrichten, dass Mitarbeiter Paulsons an der Initiierung des CDO beteiligt waren. Die Gegenseite für das Geschäft sollen u.a. die AIB und die IKB gewesen sein.
Paulson soll allein 2007 für sich und seine Anleger 15 Milliarden mit Hilfe von Lesern dieses Blogs gut bekannten Kreditderivaten und Short-Positionen verdient haben. Das Buch schildert den langen Weg von der Idee bis zur Umsetzung. Dazwischen kostete es Paulson viel Mühe, Mitarbeiter zu finden und Investoren zu überzeugen. Lange Zeit sah es nicht so aus, als bekäme er genügend Interessenten zusammen, um das ganz große Spiel mitzumachen. Er konnte außerdem nicht einfach die Anlagegelder seiner bisherigen und eher sehr bescheiden nachgefragten Fonds umschichten.
Zuckerman schildert plastisch die Probleme, mit denen Paulson zu kämpfen hatte. Beeindruckend ist vor allem die Unbedarftheit der Profis aus der Finanzbranche, egal, ob Immobilienfinanzierer, Investmentbank oder Analysten. Das Buch belegt zweifelsfrei, dass die Anzeichen für die große Blase bereits 2005 deutlich erkennbar waren. Die Profis der Finanzhäuser ignorierten freilich diese Anzeichen und fanden immer wieder neue Begründungen dafür, dass es zu keinem Kollaps kommen sollte.
So ist Zuckermans Buch vor allem ein Zeugnis davon, wie schwer es ist gegen den Herdentrieb zu investieren und insbesondere für die sogenannten Short-Geschäfte genügend Investoren zu finden. Der Fall Paulson zeigt aber auch, wie der Erfolg erfolgreich macht. Paulson, der bis 2006 noch fast betteln musste um Investoren, kann sich heute vor Anlagegeldern nicht mehr retten und gehört zu den Promis der Wall Street (New York Times).
Zuckerman schreibt ebenfalls über die Geschäfte des Händler der Deutschen Bank, Greg Lippmann, der gegen den Rat aber letztlich mit Erlaubnis seiner Vorgesetzten und vieler Kollegen ebenfalls auf das Platzen der Immobilienblase setzte. Ohne Lippmann wäre die Bank wohl deutlich schlechter durch die Finanzkrise gekommen.
Zuckerman, und das ist vielleicht der einzige Vorwurf, dem man ihm machen kann, ist fasziniert von John Paulson und lässt manchmal die für deutsche Leser gewohnte kritische Distanz vermissen. Er beschreibt ihn ausgesprochen positiv und hebt mehrfach seine Bodenständigkeit hervor. So soll Paulson immer noch häufig öffentliche Verkehrsmittel benutzen und wurde im Supermarkt in den Hamptons beim Einkaufen von No-Name-Produkten gesichtet. Eine Kritik darüber, dass das gegenwärtige Finanzsystem solche aberwitzigen Gewinne überhaupt zuläßt und warum dies möglich ist, unterlässt Zuckerman leider.
Immerhin geht Zuckerman auf die Skrupel von Paulson und die eines anderen Investors, Jeffrey Liberts, ein. Paulson fragte sich nämlich, wer denn bei seinen Gewinnen eigentlich die Verluste tragen würde, denn das “Spiel” mit den Credit Default Swaps ist ja bekanntlich ein Nullsummenspiel, bei denen die Gewinne ja durch Verluste beim Verkäufer der Position getragen werden. Liberts hatte Gewissensbisse, weil er vom Unglück anderer Menschen profitierte, nämlich Menschen, die ihre Immobilienkredite nicht mehr bezahlen konnten.
Paulson (über diesen Beitrag in einer Anhörung vor dem US-Kongress und hier seine schriftliche Stellungnahme) war 2008 bereits vor dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman aus seinen Positionen ausgestiegen. Das Buch beantwortete übrigens auch eine Frage, die ich mir im Winter 2009 oft in diesem Blog stellte. Anfang Januar 2009 fragte ich mich in “Warum die angekündigten Horrorabschlüsse der Banken uns nicht schrecken sollten” , ob die mittlerweile bodenlos niedrigen Bewertungen für die Hypothekenpapiere, wie etwa Collateralized Debt Obligation, gerechtfertigt waren. Ich kam zu dem Ergebnis, dass man eigentlich diese toxischen Papiere nun kaufen müsste und vertrat diese These offensiv auch auf einem Aktienforum. Damals schlug mir große Ungläubigkeit entgegen. Zuckerman schreibt, dass Paulson Anfang 2009 mittlerweile stark unterbewertete Hypothekenpapiere kaufte und damit erneut 3 Mrd. Euro verdiente. Ich beließ es bei meinen Empfehlungen und verdiente keinen Cent, weil ich nicht wagte, mich gegen die Herde zu stellen.
Übrigens wird nicht alles zu Gold, was Paulson anfasst. Im Sommer gab es Berichte darüber, dass seine Fonds Verluste erlitten hätten. Am Ende des Jahres soll es dann aber laut dem Dealbook der New York Times wieder gut ausgesehen haben. Nach einem Bericht des Business-Insiders hat Paulson 2010 für sich 1,2 Mrd. US$, weil er vor allem auf den Anstieg des Goldes gesetzt hat.
Seinem vermeintlich wichtigsten Helfer, Paolo Pellegrini, erging es nach dem Ausstieg bei Paulson deutlich schlechter. Er fühlte sich nicht genügend gewertschätzt von Paulson, der überhaupt erst Pellegrinis Karriere mit Mitte 40 zum Restart verhalf. Pellegrini gründete mit seinem Millionenbonus einen eigenen Hedgefonds, den er mittlerweile nach hohe Verlusten wieder auflöste.
Nachtrag vom 4.5.11
Ein kritische Betrachtung der Geschäfte von John Paulson liefert Jens Berger (Spiegelfechter via. Nachdenkseiten) unter dem Titel Profiteure der Krise. Im Mittelpunkt von Bergers Kritik steht dabei die absolute Höhe der erzielbaren Gewinne für einzelne Akteure im Finanzsystem. Interessant die sich an den Artikel anknüpfende Diskussion in den Kommentaren.
Hier noch einige Berichte des US-Blogs Business-Insider zu der aktuellen Anlagepolitik von Paulson
Click here to see what Paulson was invested in as of the third quarter >
Vielleicht interessant in diesem Zusammenhang ist.
falls unbekannt, der Abschiedsbrief von Andrew Lahde
der ebenfalls Fondsmanager war und mit short selling
zur rechten Zeit ordentlich Geld verdiente.
Dieser Abschiedsbrief erregte einige Aufmerksamkeit
als sich Lahde darin mal ordentlich Luft machte
und all den Dummköpfen dankte, die ihm zu diesen
Gewinnen verhalfen. Lahde ist ganz offensichtlich
ein „Typ“:
http://www.duckhome.de/tb/archives/3793-Der-Abschiedsbrief-von-Hedge-Fond-Manager-Andrew-Lahde.html
Tja, und dann war vor ein zwei oder sind es bereits
drei Jahre? mal kurz die Rede davon, dass die
short seller Terroristen seien bzw. Terroristen
sich auf diese Weise finanzieren. Da war Bush noch
Präsident. Diese Terroristenbewertung ging durch
viele Medien, wurde auch von Merkel damals
nachgeplappert. Das war vor den dann nötigen
Rettungsaktionen für die Banken.
Die Terroristenhysterie betreff short seller
verschwand dann wieder als Thema. Es handelte
sich dabei ganz offensichtlich um eine reichlich
primitive Art der Zensur, die Abwehr aller Kritik
sowie brauchbarer Analysen.
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