Finanzielle Stresstest für Unternehmen (Teil 1): Machen diese Tests Sinn?

by Dirk Elsner on 7. Juli 2011

Als “Nebenjob” zum Betrieb dieses Blogs befasse ich mich mit der Beratung von Banken und mittelständischen Unternehmen. Und genau dieses Springen zwischen den Sektoren fasziniert mich stets wieder, denn zwischen diesen Branchen gibt es mehr Gemeinsamkeiten als man denkt. So kann man etwa die Gedanken für Stresstest gut auf weitere Unternehmen übertragen. Dies habe ich in einer Beitragsreihe, die sich an die Finanzpraktiker in Unternehmen richtet, für die CFOWorld gemacht und will sie meinen Lesern hier nicht vorenthalten.

Die Finanzbranche befasst sich in diesen Wochen wieder intensiv mit dem europäischen Stresstests für die Banken. Finanzhäusern werden diese Tests mittlerweile regelmäßig von den Aufsichtsbehörden abverlangt, um ihren Krisenfestigkeit zu dokumentieren. Eine Frage, die sich CFOs in Unternehmen stellen (sollten), ist, ob Stresstests auch für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors Sinn machen könnten. Die Frage lässt sich mit einem klaren “Jain” beantworten.

Öffentlicher Stresstest des Finanzsektors ist kein Vorbild

Nein, wenn man für ein Nichtfinanzunternehmen einfach nur das Stresstest-Modell der Finanzhäuser adaptieren würde. Der Grund ist einfach: Der Stresstest der European Banking Authority für die Finanzhäuser ist adressiert an die Öffentlichkeit und vor allem an die Finanzmärkte und soll dort zur Beruhigung beitragen. Selbst für Banken macht dieser öffentlich viel diskutierte Stresstest nur eingeschränkt Sinn.

Stresstest für die Finanzen

Ja lautet die Antwort, weil es grundsätzlich auch für Unternehmen wichtig ist und sogar existenziell sein kann, mit einem eigenen, auf ihre Belange zugeschnittenen Test festzustellen, wie sich die Finanzdaten des Unternehmens in Extremsituationen verschlechtern können. Der Begriff Stress (lat. stringere: „anspannen“) hängt mit dem eigenen Umgang auf besondere, meist von außen herangetragene Drucksituationen zusammen.

Es geht dabei längst nicht nur darum, dem Zahlungsunfähigkeitsrisiko vorzubeugen. Im Sinne einer rechtzeitigen Krisenvorbeugung macht es für Unternehmen Sinn, die Wirkungen verschiedener, sich negativ entwickelnder interner und externer Faktoren auf Gewinn, sensible Bilanzkennzahlen und vor allem auf die künftige Liquidität anzusehen, um frühzeitig strategisch und operativ gegenzusteuern.

Sofern ein Unternehmen unter das Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) fällt, sollten finanzielle Stresstests im Rahmen eines Risikomanagementsystems ohnehin zum Pflichtprogramm der Unternehmensleitung gehören. So lassen sich bestandsgefährdenden Risiken frühzeitig erkennen und ihnen kann mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden.

Aber auch nicht dem KonTraG unterliegende Unternehmen tun gut daran, ihre Planungen angesichts der Erfahrungen 2008/09 regelmäßig zu überprüfen. So erhalten sie wichtige Anhaltspunkte, ob sie auf weniger optimistischere Szenarien eingestellt sind. Unternehmen können sich dann klüger vorbereiten, wenn z.B. Kredite fällig werden oder größere Investitionen anstehen.

Trifft ein Unternehmen gänzlich unvorbereitet eine negative Entwicklung, dann bleibt oft nicht genügend Zeit, um sich notwendige Mittel über Prolongationen, Neukredite oder andere Finanzierungspartner zu akzeptablen Konditionen zu sichern. Kritisch wird es vor allem dann, wenn sich durch den Eintritt einer Negativentwicklung die eigene Bonität verschlechtert. Unternehmen, die nach dem Prinzip Hoffnung erst in letzter Minute auf finanzielle Engpässe reagieren, bezahlen dafür meist einen hohen Preis in Form hoher Kapitalkosten, schmerzlicher Einschnitte oder im schlimmsten Fall mit der Insolvenz.

Empfehlenswert ist es für Unternehmen, also festzustellen, welchen besonderen finanziellen Risiken das Unternehmen als Ganzes und insbesondere einzelne Geschäftsbereiche ausgesetzt sind. Erfolgt dies erstmals, sollte man dies im Rahmen eines Projektes steuern, in dem der gesamte Prozess für einen Stresstest definiert, die Verantwortlichkeiten klar festgelegt werden und Methoden, Granularität und Tools festgelegt werden.

Im nächsten Beitrag wird es darum gehen, wie die Grundzüge eines finanziellen Stresstests aussehen können.

 

Diesen Beitrag habe ursprünglich für die Webseite der CFOWorld geschrieben. Er ist dort am 24. März erschienen.

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