What a Logik: Weil europäische Staatsanleihen per Gesetz sicher sind, müssen sie garantiert werden

by Dirk Elsner on 20. September 2011

Die Debatte zur Euroschuldenkrise, die für mich übrigens erst einmal gar nichts mit dem Weiterbestehen des Euro zu tun hat, wird echt skurril. Und ich habe immer weniger Lust ihr zu folgen und sie zu kommentieren. Ein exemplarisches Beispiel lieferte ein auf FAZ.net veröffentlichtes Streitgespräch zwischen Marie-Christine Ostermann (Bundesvorsitzende des Verbandes „Die Jungen Unternehmer“) und Anton Börner (Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen).

Überrascht hat mich die Logik mit der Anton Börner, die “Gläubigerbeteiligung” begründet. Es geht darum, ob und in welchem Umfang sich private Gläubiger an einem Schuldenschnitt beteiligen sollen. Allein die Frage passt eigentlich nicht in eine marktwirtschaftliche Ordnung (siehe ausführlich dazu “Wenn Du ein Gläubiger bist, dann bist Du ein Gläubiger. Ausnahme, Du bist eine Bank”).

Nun argumentiert Börner wie folgt gegen die Gläubigerbeteiligung:

“Die verbindliche Gläubigerbeteiligung wäre völlig verkehrt. Staatsanleihen gelten heute als hundertprozentig ausfallsicher, das sagen die staatlichen Richtlinien, etwa Basel III. Deswegen müssen Investoren dafür kein Eigenkapital vorhalten. Darauf müssen Investoren weltweit vertrauen können. Wird das über Nacht ausgehebelt, bringt das die Märkte in einer Weise durcheinander, die wir nicht überleben können.”

Eine ähnliche Argumentation verwendet auch Andreas Schmitz, der Chef des Bankenverbandes, in einem Interview mit der ZEIT:

“Ich bin zutiefst Anhänger eines jahrhundertealten Prinzips: Wenn jemand eine Anlage tätigt, dann hat er selbst für die Risiken einzutreten und nicht die Gemeinschaft – also der Steuerzahler. Aber in der Staatsschuldenkrise sind Investoren betroffen, die mit der Aussage geködert wurden, dass es sich um absolut sichere Anlagen handle. Die Banken und noch weitaus stärker die Pensionskassen und Versicherungen wurden gedrängt, in Staatsanleihen zu investieren. Ohne diese Investoren, die nach besonders sicheren Anlagen suchen, wäre die Finanzierung der Staatsschulden schon längst am Ende. Wenn wir dieses Vertrauen jetzt enttäuschen, laufen wir möglicherweise in die Finanzmarktkrise 2.0 hinein.”

Mit der Aussage “Staatsanleihen gelten heute als hundertprozentig ausfallsicher, das sagen die staatlichen Richtlinien, etwa Basel III”, haben Börner und Schmitz erst einmal Recht, sofern das auf die EU bezogen ist. Dieser grobe und vielleicht sogar bewusst eingebaute Fehler in die Eigenkapitalrichtlinien von Basel II ist eine Ursache dafür, dass Banken so hohe Forderungen gegenüber europäischen Staaten aufbauen konnten, ohne gegen regulatorische Auflagen zu verstoßen. Im Gegensatz zu Krediten an Unternehmen, werden die Banken nicht eingeschränkt, wenn sie Kredite an Staaten vergeben. Basel III verstärkt übrigens diesen Fehler noch und diskriminiert ähnlich wie Basel II die Kreditvergabe an Unternehmen zu Gunsten der Staatskredite (ausführlich hatte ich dies dargestellt in “Mit Maßnahmen zur Griechenlandkrise sollte EU selbst verursachte Fehlsteuerung der Kreditvergabe beenden”).

Aus dieser richtigen Feststellung aber abzuleiten, Investoren müssten darauf vertrauen können, dass die staatlichen Organe, die diesen Unsinn in Basel II und III eingebaut haben, nun auch dafür quasi haften müssten, ist nicht nachvollziehbar. Börner und Schmitz betreiben nämlich juristisches Cherry-Picking, denn in Artikel 125 des “Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union” ist klar geregelt, dass die Haftung der Union für die Verbindlichkeiten anderer Staaten ausgeschlossen ist.

Die Argumentation von Börner und Schmitz ist etwa so, als würde der Ferrari-Fahrer, der auf der Autobahn nachts zu schnell fährt und einen Unfall verschuldet, dafür den Staat verantwortlich machen, weil dieser keine Warnschilder aufgebaut hat.

Gefährlich finde ich an der Argumentation, dass Schmitz und Börner ihre Forderung zwar aus den geltenden Eigenkapitalvorschriften ableiten, aber vollkommen ignorieren, dass Artikel 125 im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Haftung für Verbindlichkeiten anderer EU-Staaten ausschließt (mehr dazu in „Der europäische Rechtsbruch interessiert offenbar nicht„). Darauf habe ich mich als Steuerzahler verlassen.

nigecus September 21, 2011 um 19:21 Uhr

In der Tat lässt sich aus der Risikogewichtung von NULL, nicht rückschließen, dass das Verlustrisiko NULL wäre.

In einem Staat wie die USA, Schweiz, Kanada, Japan, usw. kann die Annahme eines solchen Risikogewichts dadurch gerechtfertigt werden, dass die entsprechenden Zentralbank einfach die Schuldtitel in die Bilanz nimmt – Die bisherigen Gläubiger schlucken dann den Verlust (indirekt) über die Geldentwertung. Kurzum, 1 Land, 1 Zentralbank, und beides sind Exekutiven desselben Staates.

In der Eurozone haben wir mehrere Staaten und nur 1 Zentralbank. Ein einzelner Staat hat schlichtweg nicht die Macht, ihre Schuldtitel dieser einen Zentralbank aufs Auge zu drücken. Kurzum, die Annahme dass Gläubiger nicht direkt Verluste erleiden (durch Restrukturierung) ist nicht gegeben. Dies führt zu dem Paradox, dass das (internationale) Basel II/III zwar die Annahme eines Nicht-Ausfalls aufrecht erhält, obwohl es nicht der Realität entspricht bzw. entsprach (Nun soll ja die Realität den Annahmen angepasst werden).

Ich halte es mit der Aussage von Fitch: Griechenland kann ausfallen, aber ein Eurozonen-Austritt ist Propaganda-BS.

Man muss das mal etwas lockerer sehen. Es gibt doch die Visionen von den „Vereinigten Staaten von Europa“. Demnach sind Eurozonenmitglieder vergleichbar mit US-Bundesstaaten, die Munis herausgeben, und US-Bundesstaaten können pleite gehen, und tun es auch, z.B. Kalifornien ist unter Arni pleite gegangen und hat dann Beamte mit Gutscheinen bezahlt. Es ist weder Kalifornien untergegangen, noch der US-Dollar verschwunden. Vielleicht sollten Investoren einfach kapieren das europäische Staatsanleihen einfach wie Munis sind.

dels September 21, 2011 um 22:09 Uhr

Da kann ich nur voll zustimmen. Wir sollten Medien und Politik mehr Gelassenheit einimpfen.

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