
Seit Monaten und besonders seit den Wahlen in Griechenland und Frankreich kocht in der Fachwelt aus Politik und Wirtschaft die Austeritäts-Debatte genannte Diskussion in Medien und Blogs. In Kurzform geht es bekanntlich bei Austerität bzw. der Austeritätspolitik um eine Staatstätigkeit, die insbesondere in den Bereichen der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik „Einsparungen bei staatlichen Leistungen und/oder zusätzliche Belastungen der Abgabenzahler verordnet (vgl. dazu Malthe Räther, Der Staat im Austeritätsregime). Mich nervt diese Debatte und ich werde müde, ihr zu folgen.
Deutschland steht seit Monaten unter Dauerbeschuss namhafter nationaler und internationaler Ökonomen. Im Kern steht ein von Uwe Jean Heuser in der ZEIT gut zusammengefasster “Glaubenskrieg” um die Frage, wie man die aktuelle Wirtschaftskrise überwinden kann: mit noch mehr Geld oder mit konsequentem Sparen.
Die Kritik an Deutschlands “Spardiktat” fällt dagegen vergleichsweise undifferenziert aus (wobei ich einräume, längst nicht alle Texte dazu zu kennen). Meist fordern die Experten einfach nur erhöhte Staatsausgaben über Konjunkturprogramme bzw. fiskalische Impulse und eine expansive und inflationsfördernde Geldpolitik. Ob diese wirklich zum Erfolg führen kann, bleibt offen.
Vor allem US-Ökonomen, wie Paul Krugman, argumentieren ermüdend monothematisch und vermitteln den Eindruck es reiche, wenn Staaten sich “Gesundprassen” und den amerikanischen Weg höherer Staatsausgaben folgen. Warum solche früher sehr umstrittenen Forderungen die Wirtschaftsleistung nun dauerhaft auf die Sprünge helfen sollen, ist mir nicht klar. Bis 2008 war gerade die nachfrageorientierte Konjunkturpolitik unter Ökonomen hochgradig umstritten. Warum soll ich Krugman jetzt glauben? Weil er einen Nobelpreis erhalten hat und eine regelmäßig Kolumne für die New York Times schreibt? Für mich sind dies genau so wenig Belege, dass Krugman richtig liegt, wie bemühte Statistiken, die anhand von Beispielen den Nutzen oder Schaden der jeweiligen Positionen nachweisen wollen. Apropos Efffekte: Hat schon irgend jemand einen positiven konjunkturellen Effekt durch die seit Jahren durchgehaltene expansive Geld- und Niedrigzinspolitik für die Eurozone ausgemacht.
Genauso wenig ist erkennbar, warum die Vergemeinschaftung der Schulden, die etwa der britische Ökonom Simon Tilford fordert, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ankurbeln kann. Für mich führen solche Vorschläge eher zu dramatischen Verzerrungen, weil sowohl auf der Makro- als auch auf der Miktroebene Moral Hazard und externe Effekte gefördert statt verhindert werden.
Und überhaupt habe ich den Eindruck, die Debatte ist viel zu weit entfernt von der Mainstreet, also der realen Wirtschaftspraxis. Genau diese aber sollten sich die Ökonomen mal näher ansehen, denn wenn die Unternehmen nicht mitspielen, dann nützen noch so grandiose und theoretisch elegante Makromodelle nichts.
Wirtschaftsleistung hat ganz wesentlich damit zu tun, dass Unternehmen investieren, ihre Produktion ausweiten und damit neue Arbeitsplätze schaffen. Ob sie dies tun, hängt davon ab, wie sie den Erfolg ihrer Aktivitäten im Vergleich zu den eigenen Zielen einschätzen. Und der erwartete Erfolg eines Unternehmens hängt in der Realität von zahlreichen Faktoren ab, von denen einige nicht einmal hinreichend erforscht sein dürften.
Weder die Austeritätsgegner noch die Vertreter der Sparpolitik berücksichtigen die Mechanismen, die in der Wirtschaftspraxis dazu führen, dass Unternehmen ihre Produktion steigern und neue Arbeitsplätze schaffen. Dies Mechanismen hängen nämlich längst nicht nur von Makroparametern wie Zinssatz, Geldmenge oder Staatsnachfrage ab. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Für die meisten Entscheider sind sie schlicht irrelevant.
Die Entscheidungen der Unternehmen, etwa in neue Produktionsprozesse, neue Produkte oder was auch immer zu investieren, ist nicht trivial. Sie werden von einer Fülle ökonomischer und außerökonomischer Parameter beeinflusst. Keynes selbst spricht außerdem von Animal Spirits Spirits, die wesentlichen Einfluss auf die ökonomischen Aktivitäten haben.
Es entspricht einem naiven Verständnis, zu glauben, dass allein die Erhöhung der Staatsausgaben oder die Geldpolitik einer Zentralbank dazu führt, dass Unternehmen ihren Investitionsmotor anwerfen. Dergleichen wird kein Unternehmen bei positiven “Animal Spirits” plötzlich auf Schrumpfkurs schalten, wenn der Staat neue Sparmaßnahmen verabschiedet. Sehr wohl schränken sich aber Unternehmen ein, wenn Sparmaßnahmen und die öffentliche Diskussion darüber hohe Unsicherheit über künftige Einnahmen erzeugen.
Und genau diese unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen zu einer Investitionsbremse für viele Unternehmen. Das jedenfalls bestätigte jüngst wieder eine aktuelle Studie der Commerzbank. Dabei wurden 4.000 mittelständische Unternehmen in Deutschland befragt. Und es dürfte nicht besonders gewagt sein, wenn man diese Erkenntnisse auf die Schuldenkrisenländer überträgt. Planungsunsicherheit kann gerade die von Shiller und Akerlof wieder belebten “Animal Spirits” in ein negatives Momentum drehen, etwa weil nicht klar ist, an welchen Stellen Staaten sparen wollen oder neue Belastungen drohen.
Maßgeblicher für den Erfolg einer Wirtschaftspolitik ist daher, dass die Unsicherheit über künftigen Entwicklungen wesentlich reduziert wird. Über derartige, für die Praxis sehr wichtige Hinweise der betriebswirtschaftlichen Investitionstheoriebv liest man unterdessen viel zu selten etwas. Es bleibt bei makroökonomischen Forderungen, deren Wirkungsmechanismen in der Vergangenheit hoch umstritten waren.
Im Mai haben im Finanzausschuss des Bundestags verschiedene “Experten” zwar Wachstumsimpulse gefordert, sie blieben aber inhaltlich ebenfalls unkonkret. Die Frage, wie konkret das Wachstum gefördert werden kann, bleibt bei der Forderung nach keynesianischen Ausgabenprogrammen meist unbeantwortet und wechselt je nach politischer Richtung. Dabei würde das Investitionsklima vor allem durch stabilere Rahmenbedingungen verbessert werden oder etwa durch die gezielte Förderung zur Gründung neuer Unternehmen.
Wenn aber eine Politik verfolgt wird, die alle paar Monate die Richtungen ändert und Fachleute stets einen bunten Strauss widersprüchlicher ökonomische Empfehlungen diskutieren, trägt das nicht gerade dazu bei, dass Unternehmen Lust bekommen, in die Zukunft zu investieren.
Ich glaube, die griechischen Unternehmer und Gründer brauchen nun dringend einen stabilen Rahmen. Die Griechen selbst sorgen freilich selbst für die größte Unsicherheit. So wird das nichts mit der Stabilität.
Quelle des Fotos 401kcalculator.org
Nachtrag
Aber selbst wenn die Debatte nervt, kann man sich ihr nicht entziehen. Ich habe daher nach diesem Beitrag einige weitere Beiträge geschrieben, die möglicherweise helfen, auch den Kern der Austeritätsdebatte zu verstehen:
- Ein Kern der Eurokrise in einer Grafik: Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz
- Meine vorläufige Kriterienliste zur Euroschuldenkrise und Austeritätsdebatte
- weitere folgen
Daneben gibt es in den Kommentaren und Trackbacks einige Beiträge, die sich mit diesem Beitrag kritisch auseinandersetzen. Ich teile zwar nicht alle darin vertretenen Positionen, für ein breiteres Bild sind diese aber sehr hilfreich.
Leseempfehlung
Der Deutschlandfunk wies auf Twitter auf seine Diskurs-Sonderseite zum Thema hin: Investieren oder sparen? Ein Pro und Contra zur europäischen Finanzkrise
Der Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Ein überarbeitete Fassung ist auf der Webseite der CFOWorld erschienen.
Aufgewacht Leute!
Es geht hier nicht um Trends oder ob etwas cool ist oder auch nicht, es geht um den schleichenden Umbau des gesamten Euroraums!
Während man wohlsituiert und im Warmen sitzend gelangweilt debattiert geht es andersorten um die pure Existenz.
Die Weltbank und der IWF haben in der Vergangenheit des öfteren vorexerziert wohin ihre Rezepte führen: die Sozialsysteme werden zerschlagen, Staatsunternehmen werden von aggressiven externen Investoren geplündert.
Verbrannte Erde wird hinterlassen!
Und, Imx, was machst du nach dem Aufwachen?
Lässt auch du dir dann unter der Flagge eines Heldenkampfes gegen die bösen Banken deine Steuergelder für südeuropäische Kuckucknester abluchsen?
Armes Deutschland!
Wie einfältig sind doch deine blonden Buben und Maiden mit ihren blau- und großäugigen, rosenwangingen Milchgesichtern …..
Bei der ganzen Austeritätsdebatte fehlt mir immer die Bevölkerung, um die es ja eigentlich gehen sollte.
Den Bürgern nutzt es herzlich wenig, wenn der Staat für etwas Geld ausgibt, was kein Bürger braucht, haben möchte oder woanders günstiger bekommen kann, als durch Staatsausgaben.
Es nutzt rein gar nicht, wenn neue unproduktive Aufgaben erledigt werden, die letztlich nur das Ergebnis von produktiver Arbeit aufzehren und schmälern.
Beispielsweise importiert Griechenland Tomaten aus Holland, weil der Anbau von Tomaten in Griechenland teurer ist.
Zudem wüsste ich auch nicht wirklich in was Staaten investieren sollten, die seit einem Jahrzehnt kreditfinanziert in die Infrastruktur investiert haben oder warum es nun ausgerechnet im Jahr 2012 besser läuft, als in den Jahren zuvor.
@FDominicus: Keynes hat dagegen die Meinung vertreten, dass sowohl Schuldner als auch Gläubiger die Wirtschaft aus dem Loch holen sollen, welches sie gemeinsam gegraben haben.Also Diebstahl ist was anderes (immer diese bösen Griechen aber auch)!!!
@Canabbaia: Olle Verschwörungstheorien bringen gar nix
Allgemein ist zumindest eines klar: Wenn Staaten, Private und Firmen kein Geld ausgeben, gibt’s kein Wachstum…
In der Kürze meines Blog-Kommentars kommt meine Meinung über die freundlichen angelsächsischen Ratgeber vielleicht wie eine Verschwörungstheorie rüber. Tatsächlich geht es mir aber nur um eine Interessenanalyse.
Man muss keineswegs in jedem Falle unterstellen, dass die transatlantischen Wirtschaftsweisen unsere Interessen bewusst schädigen wollen, wenn sie für uns unvorteilhafte Ratschläge erteilen. Schließlich gibt es auch bei uns jede Menge Harry-Potter-Monetär-„Keynesianer“. Dumm wäre es dennoch, das „cui bono“ NICHT zu untersuchen.
Die USA (und deren britische Schattensegler) können sich gut reich prassen, auf Kosten der Chinesen und anderer Völker (darunter der Deutschen), denen sie grüne Papierschnitzel für harte Waren andrehen. Das schaffen die aber nur, solange die Welt den Glauben an die Währung dieser Bilanzfälscherfürsten (mark-to-market mit der Möglichkeit zur bilanziellen Abwertung eigener Verbindlichkeiten) und Statistikmanipulateure (Arbeitslosenzahlen in den USA!) nicht verloren, bzw. keine bessere Anlagealternative sieht.
Da sollte die Vermutung nicht ganz fern liegen, dass die Profiteure des Weltreservewährungsstatus versuchen, die Währungskonkurrenz klein zu halten – auch mit (bewusst oder unbewusst) schlechten Ratschlägen.
Gerald Braunberger hatte diesen Aspekt vor einiger Zeit (in allgemeinerer Form) thematisiert (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/geschichte-einer-waehrung-die-macht-des-dollar-11115094.html):
„Die Dominanz des Dollar und der amerikanischen Finanzmärkte reflektiert nicht allein die wirtschaftliche, politische und militärische Macht der Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist den Amerikanern zudem gelungen, weite Teile der akademischen, wirtschaftlichen und medialen Elite im Rest der Welt über Geld und Finanzmärkte so denken zu lassen wie die Amerikaner. Die Wirtschaftsfakultäten in Chicago, Harvard, Yale, Stanford und am Massachussetts Institute of Technology (MIT) haben zur Bewahrung der amerikanischen Hegemonie an den Finanzmärkten nicht weniger beigetragen als alle Flugzeugträger der amerikanischen Marine zusammen.“
Wer darauf verzichtet, auch in einer solchen Interessendimension zu denken, tut das zu seinem eigenen Schaden und macht sich zur leichten Beute von geistigen Glasperlenkrämern.
Ihr letzter Satz ist natürlich richtig.
Aber aus dieser Erkenntnis lässt sich (wie Sie ausweislich Ihres Blog-Eintrages selber am besten wissen) keine Handlungsanweisung für die Lösung der Eurozonen-Staatsschuldenkrise bzw. zur Steigerung des Wirtschaftswachstums in den Ländern der südlichen Eurozone ableiten.
Mir erscheint es deshalb (und nach Ihrem Text denke ich, dass Sie mir zustimmen müssten) wichtig darauf hinzuweisen, dass man den Satz nicht einfach logisch umkehren kann:
„Wenn Staaten … nur fleißig Geld ausgeben, geht Wachstum wie von selbst.“
Leider gibt es auch in Deutschland nicht wenige (publizistisch insbesondere in Hamburg angesiedelt, z. B. Thomas Fricke in der FTD – http://www.ftd.de/politik/europa/:kolumne-thomas-fricke-merkel-kuriert-nur-symptome-der-krise/70041860.html, vermutlich auch Müller vom Manager-Magazin), die implizit die Richtigkeit einer solchen Satzumkehr unterstellen.
Dabei haben die Griechen ihn insoweit längst empirisch widerlegt, als dort zwar viel Geld ausgegeben wurde, die ökonomische Basis dagegen nicht gewachsen (vielleicht sogar geschrumpft) ist.
[…] den Wachstumspakt – es ist die Austerität, die nicht funktioniert!” antwortet er auf “Warum mich die Austerität-Debatte wirklich nervt” von Dirk Elsner und zitiert auch meine Antwort ‘Ist die Austeritätsdebatte unnötig […]
> Ob sie dies tun, hängt davon ab, wie sie den Erfolg ihrer Aktivitäten
> im Vergleich zu den eigenen Zielen einschätzen.
Eine richtige Erkenntnis, dass Firmen nur dann Gewinn machen, wenn sie ihre Produkte verkaufen. Vermieden wird aber konkret die Frage: Wer kauft z.B. griechische Produkte. Vor allem, wer kann sie dann noch kaufen, wenn der Staat an Ausgaben spart und Unternehmen gestattet wird, die Löhne massiv zu senken. Die Deutschen?
@ viosz
Ihre Argumentation ist verführerisch, geht aber speziell bei Griechenland an den Realitäten vorbei. Dort war (bzw. ist noch immer!) die Lage doch so:
Der Staat (macht dort ja den Hauptanteil aus) zahlt exorbitante Löhne, die er aus (vorwiegend ausländischen) „Krediten“ finanziert.
Die Arbeitnehmer kaufen (auch griechische, aber) hauptsächlich ausländische Produkte.
Mit anderen Worten: die Griechen haben sich ihren Lebensstandard (in der Summe) nicht erarbeitet, sondern im Wege des Kreditbetruges erschlichen.
Da wird der Staat schon sparen müssen, und dass dann die Binnen-Nachfrage AUCH nach griechischen Produkten zurückgeht, liegt auf der Hand. Ideal wäre, wenn die griechischen Unternehmen (was man in Einzelfällen auch tatsächlich erfährt) versuchen, die weggebrochene interne Nachfrage über Exporte zu kompensieren.
Jedenfalls: Welchen Weg wüssten Sie denn, um dem griechischen Staat das Sparen zu ersparen?
Deutsches Steuergeld forever?
Sie gehören auch zu jenen Deutschen, welche beinahe durch die Bank glauben, dass die angelsächsischen Ratschläge besorgte Empfehlungen von Freunden sind, welche nur unser Bestes im Sinn haben.
Nun ja: unser Bestes wollen sie schon – von uns haben.
Die wissen sehr gut, dass der deutsche Steuerzahler eine totale Haftungsunion nicht finanzieren könnte. Sie bauen darauf, dass wir unsere Währung ruinieren, damit das Kapital in ihre nicht ganz so weit ruinierten Währungen flüchtet.
Begreift es doch endlich mal, liebe Landsleute, und glotzt nicht so großäugig gläubig in die Gegend, wenn euch die Weisen aus dem Abend-Lande ihre Glasperlenketten schenken wollen.
Ratschläge von denen? Nicht geschenkt!
Bzw.: Doch, schon: nur sollten wir grundsätzlich das genaue Gegenteil von dem tun, was die uns empfehlen!
[…] hat eine Debatte in deutschen Blogs angestoßen, weil ihn die Austeritätsdebatte so sehr nervt (hier und hier). Sein Frust ist durchaus nachvollziehbar, nur ist er grundlegend falsch. (Siehe […]
[…] Mittwoch habe ich hier in einem Beitrag meine Gedanken dazu zusammen getragen, warum mich die Austerität-Debatte nervt und ich müde werde, ihr zu folgen. Es gibt zwei Repliken auf diesen Beitrag, nämlich einmal […]
[…] Stephan on 25. Mai 2012 Dirk Elsner hat auf dem Blick Log einen Beitrag verfasst warum ihn die Austeritäts-Debatte nervt. Die Debatte ist tatsächlich nervend aber aus […]
[…] Elsner alias Blick Log erläutert “Warum mich die Austerität-Debatte wirklich nervt”. Sie nervt mich übrigens auch, wenngleich aus anderen Gründen. Herr Elsner schreibt: Deutschland […]
Hm, ich bin ja auch ein entschiedener Gegner der Austeritätsprogramme, ich muss dir aber recht geben, dass die Debatte darüber reichlich abstrakt ist und mir oft vorkommt wie Märchenschlösser bauen.
Ich denke, es war ein Fehler, sämtliche Sparprogramme auf mal in so kurzer Zeit durchzuziehen, gerade Griechenland, Spanien, Portugal haben immer hauptsächlich von der Binnenwirtschaft gelebt und die hat man dadurch total zum Abschmieren gebracht. Auf mich (bin allerdings keine Wirtschaftsexpertin) wirkt vieles, als hätte man einfach sämtliche Sparprogramme aus der Schublade gezogen und geguckt, was passiert. Eine andere Reihenfolge (erst die Verwaltung/Steuerbehörden auf Vordermann bringen) und gezieltere Sparmaßnahmen, die eben nicht alle auf die breite Bevölkerung=Binnennachfrage zielen, hätten wahrscheinlich schon einen Unterschied gemacht.
Das, was jetzt teils diskutiert wird, hilft doch eh erst in 100 Jahren oder wäre zu wenig, um einen Effekt aufs Wachstum zu haben. Ich Träumerin wäre zum Beispiel dafür, dass die Griechen mehr Zeit bekommen, das nächste Sparpaket ausgesetzt/umgeschrieben wird und dann kann man gucken, ob man gezielt noch was fördert, Egghat will ja gerne Solaranlagen da aufbauen^^
Wenn das so wäre hätten Sie sich kaum europaweit so verschuldet oder. Nein die Griechen haben auch gewaltige Mengen von Produkten aus dem AUSLAND nachgefragt und dafür wollen Sie offenbar nicht aufkommen. Ich nenne das Diebstahl.
Vielleicht sollte man doch mal auf Günther Schmölders‘ Unterscheidung von
„marktfähigen“ und „marktgängigen“ Gütern und Leistungen und „nicht-marktgängigen“ und „nicht-marktfähigen“ Leitungen und Gütern in Betracht ziehen.
Schmölders verwendete diese Unterscheidung primär mal auf Kriegswirtschaften
versus zivile Ökonomien. Schmölders hatte auch dahingehend recht dass ohnehin
und sowie Kriege und Kriegswirtschaft voll auf Kosten der zivilen Ökonomie, es geht einzig um die Frage bis dies wieder mal anhand von „Umständen“ auch zugegeben werden muss.
Krugmann zeichnet sich dadurch aus, dass er etwa im Gegensatz zu Stieglitz
von den Kriegskosten schlichtweg keine Ahnung hat, vielmehr das Heil in
weiteren Staatsausgaben sieht.
Denselber Effekt auf eine Volkswirtschaft können m. E. auch zivile „nicht-markt-
gängige“ und „nicht-marktfähige“ Güter und Leistungen haben.
In Irland wurde u. a. ein grosse von nicht benötigten Wohneinheiten gebaut,weshalb es mittlerweile auch Geisterorte gibt. Diese nicht benötigten und zudem vällig überteuerten Einheiten stellen jetzt einen guten Teil der faulen Kredite dar die voll auf Kosten der Allgemeinheit gehen. In irgendeiner Form sindalle davon betroffen. (Obendrein sehen sich viele junge Leute veranlasstsich einen Job im Ausland zu suchen.) Ferner gab es eine wirkliche arge politische Korruption, fehlgeplante Bauprojekte, die letztlich mit irren Kostenüberschreitungen fertigstellt wurden, waren die Regel. Und jetzt wird die Austerität bejammt! Iregendwie erinnert dies alles an die schwärzesten Zeiten von Münzverfälschung in früheren Zeiten, an die Alchemie, die politische Hoffnung auf die Goldmacher.
[…] Blick Log: Warum mich die Austerität-Debatte wirklich nervt […]
Um noch einen weiteren Standpunkt in den Ring zu werfen: Die Debatte ist irrelevant, weil beide Wege, Austerität und schuldenfinanziertes Ausgabenprogramm, nicht wirklich weiterhelfen werden. Der erste Weg hilft nicht, weil man eine überschuldete Wirtschaft nicht gesundschrumpfen kann, der zweite nicht, weil weitere Schulden einer überschuldet Wirtschaft ebenfalls nicht helfen.
Letztlich sind zu viele Schuldbeziehungen im System. Und diese Aussage bezieht sich nicht (nur) auf die Kredite öffentlicher Haushalte, sondern auf das gesamte Wirtschafts- und Finanzsystem. Leider hat die neoklassische Ökonomie (oder sollte ich sagen Chrematistik?) einen riesigen blinden Fleck, wegen dem sie zur Zeit weder taugliche Modelle, noch taugliche Lösungsvorschläge hervorbringt (Siehe auch Michael Hudsons Beitrag: http://dandelionsalad.wordpress.com/2012/05/15/paul-krugmans-economic-blinders-by-michael-hudson/ oder Richard Koos Beitrag auf der Berliner INET Konferenz zur Balance Sheet Recession, die auch csis.org nachzulesen ist).
Wenn diese Kredite bzw die Kapitaldienste auf diese zu groß werden, bricht die Wirtschaft unter ihnen zusammen, da die Kapitaldienste nicht mehr geleistet werden können. Es gibt verschieden Strategieen das Problem zu lösen, u.a. Schuldenerlass bzw. Bankrott, aber auch Inflation, Nullverzinsung, Vermögensbesteuerung (Geldvermögen ist das Spiegelbild des Kredites), Währungsreform. Aber weder Austerität noch Ausgabenprogramme werden das Grundproblem beseitigen, sondern wirken nur verzögernd.
Absolut. Im Grunde folgt Deine Argumentation der Österreichischen Schule, die für mich im Moment die einzige Theorie ist, die irgendwie einen Sinn ergibt. Wir stecken im Grunde in einer Falle…
Auch wenn die Konsequenzen wie Du sie schilderst („Schuldenerlass bzw. Bankrott, aber auch Inflation, Nullverzinsung, Vermögensbesteuerung, Währungsreform“) alle irgendwie nach Pest und Cholera riechen…
Geldvermögen ist nicht das Spiegelbild von Krediten. So ein Spiegelbild wäre massiv verzerrt.
Die Amerikaner sind unter Reagan (und angebotsorientierter W’Politik) und mit stabilen Geld in den 80igern aus der Krise gekommen. Warum? Reagan hat, bevor er Schauspieler wurde, mal kurz Wirtschaft studiert (bevor Keyens en vogue war) – und als ihm seine Berater die unterschiedlichen Moeglichkeiten vorgestellt haben…. kannte er das eine und nicht das andere…….
Es geht letztlich darum, dass wir alle ueber unsere Verhaeltnisse leben – Deutschland im Verhaeltnis relativ wenig – und keiner dieser Tatsache ins Gesicht sehen will. Und irgendwann wird damit Schluss sein, wenn sich keiner mehr findet, auf dessen Kosten man leben kann…..
Reagan war bei seiner Amtszeit schon an Alzheimer erkrankt. Er hat garnichts entscheiden, sondern sein Beraterstab. Und wohin die Reagenomics uns gebracht haben, kann man heute sehen. Mal davon ab, mal aufgefallen, das wann immer man Märkte dereguliert, und Staaten zurückfährt, plötzlich die Weltwirtschft in eine richtige Krise führt? Die gleiche Politik haben damals die Ökonomen vertreten, bevor die Große Depression kam. Zufall?
Das heißt zwar nicht, dass Keynes unbedingt ebenso richtig liegt, aber scheinbar denkt man immer nur in Schulen..
Weder die Neocons und NeuKeynes sollte man verfolgen, sondern die Ökonomie endlich neudenken. Alles über Bord, und mal neu Anfangen.
Vielleicht schafft man es dann endlich, dass die Ökonomie auch mal Realitätsnah wird..
Es gebe einen dritten Weg.
Ende 2011/Anfang 2012 gab es den Vorschlag, dass man alle Schulden der Euroländer, die über 60% des BIP liegen, in Eurobonds umwandelt. Interessanterweise würde derzeit auch Deutschland massiv profitieren, wo die Verschuldung derzeit offiziell bei über 80% liegt, und wenn man die versteckten Verpflichtung dazu addiert, wohl auch bald 100%. Würde man das tun, hätten die Südeuropäer wieder Luft zum Atmen. Natürlich müßte man vorher sicherstellen, dass es dann nicht wieder zu Moral Hazzard kommt. Dies wäre mit einem Verschärften Pakt, und einer Wirtschaftsregierung auch durchaus möglich. Schlußendlich würde man einen liquiden europäischen Markt für Anleihen bekommen, aber hätte immernoch die disziplinierende Wirkung der nationalen Anleihemärkte. Ähnlich läuft es ja mit Bundes und Landesanleihen.
Außerdem hätte das ganzen einen Nebeneffekt.
Es bringt ruhe nach Europa. Je nachdem wie man dann auch die Banken in der Südperipherie rekapitalisert, ist damit auch ein Neustart derer Wirtschaft möglich. Anstelle das die Austerität-Politik irgendwas verbessert, schafft sie derzeit eher das Gegenteil. Sie parraliisiert die Menschen und Unternehmen, und erzeugt das sogenannte Angstsparen, und Kapitalflucht. Derzeit haben wir, Psychologisch betrachtet einen Teufelskreis, und den müssen wir durch brechen, komme was da wolle, und eben nicht anheizen, über irgendwelche wirren Spardiktate.
Diese ganzen -Onds wie Eurobonds, Deutschland-Bonds, Schuldentilgungsfonds, sind doch alle nur Verschiebe-Bahnhöfe. Man löst doch ein Problem dorch nicht, indem man es auf andere verteilt – meistens haben dann alle irgendwann das gleiche Problem.
Ein gesamteuropäischer Schuldentilgungsfonds ist auch nur eine Wunschvorstellung. Wenn in einem schuldenbasierten Geldsystem alle Staaten ihre Schulden tilgen,
a) bricht die Wirtschaft ein oder
b) muss die staatliche Schuldenkontraktion durch den privaten oder Unternehmenssektor aufgefangen werden.
Mich nervt gar nicht so sehr dieser Kampf Austerität vs. Marshall-Pläne. Mich nerven eher die Leute, die meinen, dass es hier einen Königsweg gibt.
Es ist doch so, halb Euro-Land ist im Moment in der Krise – Deutschland aber wirtschaftlich noch nicht. Keynes würde jetzt sagen, national müsste Deutschland sparen und vorsorgen, um in der nächsten Rezession antizyklisch staatliche Konjunkturprogramme aufzulegen.
Gleichzeitig fordern Krugman & Co. aber, dass Deutschland sich jetzt weiter verschulden solle, um den anderen zu helfen. Offen bleibt, wer Deutschland dann hilft, wenn es selbst in die Rezession rutscht mit einem dann ziemlich großen Schuldenproblem?
Ich bin persönlich eher für Austerität. Ich weiß aber auch, was das für Folgen haben kann (sh. Griechenland und seine radikalen Parteien).
Am Ende passen aktuell Einheitswährung und viele Nationalstaaten einfach nicht zusammen. Da dieses Eingeständnis kaum ein Politiker vornehmen will (das ist sogar menschlich!) wird die Unsicherheit hier auch noch länger andauern und die Investitionstätigkeit der Unternehmen weiter behindern.
Weder Austerität pur noch Marschallpläne werden wahrscheinlich funktionieren. Extremes Sparen führt zur Radikalisierung, schuldenfinanzierte Staatsprogramme entfachen ein Strohfeuer – und das BIP ist danach wieder nur um 1% gewachsen, während die Verschuldung im 5% gewachsen ist.
Der Euro ist in der aktuellen Form das falsche Korsett. Deshalb haben Länder wie Spanien mit geringerer Staatsverschuldung schlechtere Ratingnoten wie USA, UK und JPN. Darüber hinaus kommt aber unser schuldenbasiertes Geldsystem so langsam an seine Grenzen.
Hmm. Viele kluge Argumente, aber nicht wirklich überzeugend. Schau doch mal nach Spanien, wo Merkels Kurs derzeit durchexerziert wird. Die Regierung hat gerade 10 Mrd. Euro gekürzt – für Gesundheit und Bildung. Sie kam damit Forderungen aus Berlin und Brüssel nach. Das ist Austerität at worst. Im Gegenzug soll Spanien jetzt ein par mehr Strukturfonds und vielleicht irgendwann einen Projektbonds bekommen, vermutlich in zweistelliger Millionenhöhe. Da ist doch offensichtlich, dass dieser Schuss nach hinten losgeht. und dann kommen Merkel & Co. noch mit ihren Strukturreformen und „intelligenten“ Investitionen. Spanien soll mehr in die Bildung investieren, heißt es dann. Das ist doch purer Hohn… kein Wunder, dass Merkel immer mehr in die Defensive gerät http://lostineurope.posterous.com/mutti-mag-nicht-mehr
Moin Eric,
ich habe natürlich auch keine Patentlösungen in der Schublade. Ich argumentiere hier ja auch nicht pro oder contra Austirität. Ich argumentiere hier gegen die Debatte, die ich nicht mehr für zielführend halte.
Das ist hier meine persönliche Sichtweise, basierend auf eigenen Erfahrungen und wie ich sie auch aus Gesprächen mit Unternehmen, insbesondere Mittelständlern wahrnehme.
Also was will man tun, damit Leute Unternehmen gründen, die investieren oder bestehende Unternehmen wieder Mut für neue Investitionen fassen?
bei der riesigen Kapitalflucht aus Griechenland, die ganz klar aufzeigt, wie die Griechen selbst ihre Chancen in Griechenland sehen, was die Schaffung neuer Arbeitsplätze angeht, ist mir völlig schleierhaft, wer da von aussen oder mit irgendwelchen oskuren Konjunkturprogrammen neue Arbeitsplätze schaffen kann.
Dazu braucht es eine Art Reset in Griechenland, ich glaube nicht, dass so etwas innerhalb des Euroraums möglich ist. Wenn etwa eine Lastwagenfahrt von Thessaloniki nach Athen genaus viel kostet wie von München nach Athen (wegen der regulierten Lizenzen innerhalb Griechenlands), dann wundert es einen nicht, dass in griechischen Supermärkte der Feta aus Mecklenburg kommt.
Sehr schöner Artikel, insbesondere der zitierte Zeit Artikel zeigt den wichtigen Punkt auf, dass die Vorgehensweise von der Zusammensetzung der Wirtschaft abhängt und von den Werten des Volkes der Wirtschaftsregion.
Danke
Peter