Das Handelsblatt hatte gestern und vorgestern ja den großen Kongress “Banken im Umbruch” veranstaltet. Meine Erwartungen waren ausgesprochen niedrig. Ich hatte vorher Zweifel, ob es die Branche schafft, dort auf Fragen zur eigenen Identitätskrise ein paar starke und deutliche Antworten zu liefern oder gar zu zeigen, wie man die Zukunft gestalten wolle.
Nun war ich nicht auf diesem “Finanzgipfel”, aber die Auftritte dort müssen sich an dem messen lassen, was nach außen kommuniziert wird. Hier hat erwartungsgemäß das Handelsblatt als Veranstaltern die Nase vorn (siehe Dokumentation unten).
Es war eine trockene und wenig unterhaltsame Lektüre gestern Abend. Inhaltlich waren die überlieferten Statements wieder schwammig wie in den letzten Jahren bei ähnlichen Anlässen. Erneut haben offenbar die Spindoktoren der Banken und Verbände ihre Chefs dahin gecoacht möglichst unkonkret zu bleiben, ein wenig Demut zu üben, das zu sagen was ohnehin jeder weiß (niedrigere Renditeziele) und ansonsten einige Worthülsen mit nebligen und unverbindlichen Andeutungen für die Presse zu verteilen. Solche Nebelkerzen haben den Vorteil, sie können anschließend kaum überprüft werden und man kann sagen, man hätte die gemachten Versprechen eingelöst. Das ist Old-School Banking in Reinform.
Konkret wurden die Banker nur bei Forderungen an die Politik und die EZB. So wurde ein Plan zum Ankauf von Staatsanleihen von EZB-Chef Mario Draghi gefordert und von der europäischen Politik die “entschlossene institutionelle Weiterentwicklung”, um Vertrauen aufzubauen. Madeleine Nissen hat diese Erwartungshaltung treffend im Wall Street Journal aufs Korn genommen unter: “Die Banken und das Geld der Anderen”.
Ich habe mich ein wenig durch die bisher vorliegenden Berichte gewühlt und liefere hier ein paar Zitate. Sie klingen nicht danach, dass sich die Redner an den deutlichen Wünsche vom Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart (hier das Video, das sich lohnt) orientiert haben. Aber es sind Aussagen, die man vielleicht in späteren Beiträgen einmal wieder verarbeiten kann.
Jürgen Fitchen, Co-Chef der Deutschen Bank:
“Vertrauen fängt damit an, dass das, was wir tun, von der Mehrheit akzeptiert wird als etwas, das einen Nutzen stiftet für die Gesellschaft“
„Die Banken sind an der momentanen Situation selbst schuld, sie sind die Buhmänner der Nation. Ich behaupte aber, dass wir noch mehr Konsequenzen ziehen werden, um das Vertrauen wiederzuerlangen.“ Neues Vertrauen könne nicht durch ein „paar schöne Broschüren“ entstehen”.
“Ich glaube, dass das, was im Bankensektor passiert ist, auch ein Reflex auf das ist, was in der Gesellschaft unterwegs war. Das ist keine Entschuldigung, wir müssen als Erste die Vorgaben geben, damit das ganze Team mitspielen kann. Vertrauen, fängt damit an, dass das, was wir tun, von der Mehrheit akzeptiert wird als etwas, das Nutzen stiftet für die Gesellschaft”.
Fitschen sprach sich laut Handelsblatt-Ticker für Kreativität im Bankensektor aus: „Es muss ein Klima geben, indem wir unsere Kunden auch mit neuen Finanzprodukten beglücken können. Sonst wäre Banking eine stinklangweilige Industrie.”
Georg Fahrenschon, Präsident des DSGV
“Denn unsere Daten der deutschen Unternehmenskredite zeigen, dass wegen geringerer Ausfallwahrscheinlichkeiten bei Mittelstandkrediten der Eigenkapitalbedarf um rund ein Drittel niedriger als bei Krediten an Großunternehmen liegt. Das sollte auch in den Eigenkapitalanforderungen anerkannt werden”.
Martin Blessing, Chef der Commerzbank
“Natürlich lieben wir das Geschäft mit Privatkunden und unseren Geschäftskunden, dem kleinen Mittelstand in Deutschland. Viele Kunden lieben auch ihre Commerzbank”.
“50 Prozent dessen, was wir machen, ist das, was auch Sparkassen betreiben”.
“Wir lieben auch unsere Investmentbanker, denn sie helfen unseren Kunden und zocken nicht im Kasino”.
Jörg Asmussen, Chefvolkswirt der EZB
“Trotz der Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte hat die Entwicklung seit der Bankenkrise 2007/2008 in Europa vor allem eines gezeigt: Der Bankensektor ist in Europa vielfach so eng mit der Staatsfinanzierung verwoben, dass Probleme in dem einen Bereich zu Ansteckungseffekten in dem jeweils anderen Bereich führen können, bis beide wanken und sich zum gesamteuropäischen Problem entwickeln können, das innerhalb eines Mitgliedstaats nicht mehr zu lösen ist, weil die finanziellen Mittel fehlen und es strukturelle Schwächen gibt”.
„Wir brauchen einen neuen Drive zur Finanzmarktregulierung”.
Martin Reitz Vorsitzender der Geschäftsführung Rothschild Deutschland
„Eine starke und leistungsfähige, insbesondere aber eine profitable und kapitalbildende Finanzindustrie ist entscheidend für Wachstum und Strukturwandel“.
„Ohne eine entschlossene institutionelle Weiterentwicklung in Europa werden wir weiterhin kein Vertrauen aufbauen können“.
Peer Steinbrück, Politiker
“Die Fremdwahrnehmung ist, dass 2008 und 2009 mit Steuerzahlergeld eine Stabilisierung Ihres Sektors erfolgte. 500 Milliarden Euro an Steuerzahlergeld wurden bereitgestellt. Durch diese schützende Hand des Staates verschafften sich viele Banken erhebliche Zinsvorteile, da sie als systemrelevante Banken wahrgenommen wurden und als too big to fail galten. Bei der Deutschen Bank habe ich ganz konkrete Vorstellungen, wie hoch diese Zinsvorteile in den beiden vergangenen Jahren gewesen sind”.
Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken
„Wir fühlen uns immer noch als heimliche Profiteure der Finanzkrise“.
Ich schließe mit Hans-Peter Keitel, dem BDI-Präsidenten, weil er einen in diesem Blog häufig geäußerten Wunsch aufgreift und damit auch vielen Führungskräften und Bankmitarbeitern aus dem Herzen spricht:
„Ich würde mir wünschen, dass die Stimme der Banken in der öffentlichen Diskussion lauter ist und einheitlicher wird“.
Dokumentation alle Artikel aus dem Handelsblatt
Live Ticker v. 4.9.12 „Banken im Umbruch“
Kommentar von Oliver Stock: Umkehren statt „Weiter so“
Deutsche Bank „Kein Geld verdienen ist auch keine Lösung“
Interviews: Das Vertrauen ist weg: „Wir sind einsichtig“
Es gilt das Peter-Prinzip: Der Chef ist derjenige in der Organisation, der am wenigsten Ahnung hat. Um sich dann nicht zu brüskieren wird geschwafelt (Bloß nix kontroverses, weil sonst jemand nachhaken könnte).
Naja. An der „Eurokrise“ können die Banken eh nix ändern. Es ist doch die Politik die via Gesetz behauptet Staatsanleihen seien ausfallsicher, und die Papiere den Banken aufdrängt.
Intellektuell verweigert man sich insgesamt in der Branche der Ursachenanalyse der Finanzkrise, da diese ungewünschte Erkenntnisse bringen könnte. Schuld sind immer nur die anderen.
George Soros sagte einmal, wenn zwei Sichtweisen in einer Person kollidieren, nämlich die Sichtweise als Investor und die Sichtweise als Bürger, dann ist die Sichtweise als Bürger vorzuziehen. Diesen Satz hätte ich mir mal von einem verantwortlichen Manager im Finanzsektor gewünscht. Die Geisteshaltung, dass wenn es Geld zu verdienen gibt, jede Art von Lobbyismus und Verhinderungspolitik gerechtfertigt ist, und jede Umgehung von Regularien und jedes Geschäft erlaubt, egal wie die sozialen Folgen sind, das ist das moralische Elend der Managerkaste, und und dieses prägt den Sektor in seiner gesamten Kultur.
Exemplarisch ist das Festhalten der Deutschen Bank an der Spekulation mit Nahrungsmitteln. Das größte deutsche Bankhaus gibt hier wie in vielen anderen Bereichen ein erbärmliches Bild ab. Wie sollte man von Fitchen oder Jain erwarten, dass er eine neue Kultur einführt, wenn man über Jahre nicht einmal bereit ist, diesen vergleichbar kleinen Geschäftsbereich zu reformieren?
Meine Erwartungshaltung ist daher Null, dass aus dem Finanzsektor irgendein brauchbarer Beitrag zur Lösung der Probleme kommt.
Zu dem Wunsch von Keitel/blicklog, wenn ich mir die Meinungen z.B zur EU Bankenaufsicht anschaue, kann ich mir kaum vorstellen, dass Banken in ihrer Vielfalt mit einer Stimme sprechen. Was ich mich aber gerade frage: Inwiefern wäre es überhaupt wünschenswert, dass alle Banken und Bankentypen mit einer Stimme sprechen? Ein Gegenbild wäre ja vielleicht so etwas wie gesunde Vielfalt. Oder verstehe ich hier einfach nur den Wunsch nach einer Stimme falsch?
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