Statt mit Bonus mal mit Bindung motivieren

by Dirk Elsner on 22. April 2009

Für Aufsehen sorgte gestern die Meldung, dass der ehemalige Kapitalmarktchef der Dresdner Bank, Jens-Peter Neumann, trotz eines Verlusts seines Geschäftsbereichs in Höhe von 5,8 Mrd. € noch 3 Mill. € Bonus vereinnahmt hat und nun seinen ehemaligen Arbeitgeber auch noch auf 1,5 Mill. Euro verklagt (Details und Hintergründe hier bei Zeitenwende).

Es wird Zeit bei solchen Fällen, die Aufmerksamkeit auf die Personen zu richten, die Verträge abschließen, die ein solches Verhalten erst möglich machen. Auf übliche Motivationsmechanismen wird anscheinend keine Energie gesteckt. Es hält sich nachhaltig der Mythos: Maximales Gehalt = maximale Leistung durch die fähigsten Leistungsträger.

In einem Beitrag am vergangenen Wochenende hatte ich bereits die Praxis kritisiert, bei der Motivation von Führungskräften und Mitarbeitern allein auf monetäre Anreize zu setzen. Top-Bezahlung ist nicht gleichzusetzen ist mit einer Top-Qualität der Leistung.  Bestätigen tut dies auch der Unternehmensberater und Psychologe Winfried Neun in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Auf die Frage, was Leistung heutzutage noch mit Gehalt zu tun hat antwortet Neun:

“Relativ wenig, das war früher anders. Sobald die persönlichen Grundbedürfnisse gedeckt sind, lässt sich zusätzliche Leistung nicht über mehr Gehalt steuern. Das ist vielmehr eine Bestechung des Angestellten, um kurzfristig exorbitante Leistung einzukaufen. Dazu gibt es das Versprechen auf eine Abfindung, wenn es schiefgeht. Da kann nichts Gutes bei rauskommen. Geld steht in keiner Beziehung mehr zur Leistung.”

Sehr hohe Bonusversprechungen führen dazu, dass sich Mitarbeiter und Manager mit hoher Priorität auf die Steuerungskriterien konzentrieren, deren Erreichung für die Bonuszahlungen erforderlich sind. Aus Komplexitätsgründen gibt es aber in der betrieblichen Praxis keine Symmetrie zwischen den „wirklichen“ Unternehmenszielen und den Kriterien der Zielvereinbarungen. Wer das mal nachvollziehen will, der kann sich mal die Zielfunktion eines Unternehmens in diesem Beitrag ansehen.

Ein mittelständischer Unternehmer oder viele „klassische“ Manager kennen diesen Unterschied, der letztlich dazu führt, dass sich Manager nicht mehr in erste Priorität für das Unternehmen sondern für die Bonuskriterien einsetzen.

Was könnte also eine Konsequenz daraus sein für die Motivation auch der Führungskräfte? Die Entscheidungsträger in Unternehmen müssen sich Gedanken machen, wie es zu schaffen ist, ihre Führungskräfte und Mitarbeiter auch emotional an ihr Unternehmen zu binden. Die gleiche Frage müssen sich auch Gesellschafter oder Aufsichtsräte stellen, die über die Einstellung und Motivation von Vorständen und Geschäftsführern zu befinden haben.

Einen ausbaufähigen Ansatz stellt Jörg Felfe in der jüngsten Ausgabe von Gehirn&Geist vor. Zunächst geht es ihm um den Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung. Dazu schreibt Felfe:

“Von »Arbeitszufriedenheit« sprechen Psychologen und Wirtschaftswissenschaftler, wenn jemand mit seiner aktuellen Arbeitssituation zufrieden ist. »Mitarbeiterbindung« hingegen bezeichnet die Qualität der Beziehung eines Mitarbeiters zu seinem Unternehmen. Der Unterschied erscheint zunächst eher theoretisch. Doch anhand der Mitarbeiterbindung – dem Commitment – lassen sich Kündigungen besser vorhersagen als anhand der Arbeitszufriedenheit”

Die Bindung an das eigene Unternehmen ist dann höher, haben Wissenschaftler herausgefunden, wenn sie Stolz auf ihr Unternehmen sind. Als Quelle des Stolzes sieht Felfe u.a. die Qualität der Produkte, besondere Dienstleistungen oder die Tradition eines Unternehmens. “Der damit verbundene Prestigegewinn stärkt das Selbstwertgefühl und ist deshalb ein starkes Motiv, sich mit dem Arbeitgeber zu identifizieren und für dessen Erfolg einzusetzen,” schreibt Felfe.

Felfe spricht von einem “psychologische Band” zum Unternehmen. Dieses Band kann ganz unterschiedlicher Art sein. “Forscher haben drei Komponenten ermittelt. Dazu Felfe:

” Affektives, normatives und  rationales Commitment. Ersteres ist vor allem gekennzeichnet durch Emotionen wie Freude, Stolz und Loyalität. Selbst aktuelle Ärgernisse  oder lukrative Beschäftigungsalternativen können hier nicht an der »Treue« zum Unternehmen rütteln. Rationales (auch: kalkulatorisches) Commitment, vergleichbar mit einer Vernunftehe, basiert auf Kosten- und Nutzenerwägungen – etwa weil sich keine ähnlich attraktive Alternative  bietet. Im Fall des normativen Commitments fühlt sich der Mitarbeiter verpflichtet zu bleiben, obwohl er dafür möglicherweise Nachteile in Kauf nehmen muss. Ursache sind eigene Wertvorstellungen oder Erwartungen Dritter, denen er sich verpflichtet fühlt, zum Beispiel möchte er sein Team nicht im Stich lassen oder einem Mentor gegenüber nicht undankbar erscheinen.”

Beispielsweise bestehe ein relativ hohes Risiko, dass Mitarbeiter bei vorwiegend rationaler Bindung das Unternehmen verlassen, sobald sie eine besser bezahlte Stelle angeboten bekommen. Je stärker die emotionale und normative Bindung, desto seltener seien Abwanderungsgedanken und desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitarbeiter tatsächlich die Stelle wechselt.

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Quelle: Gehirn&Geist 5/2009, S. 20.

Ein Leser, der selbst ebenfalls ein Unternehmen geführt hat, bestätigt die Erkenntnisse aus der Praxis. Er schrieb dazu vor einigen Wochen:

„Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass meine Mitarbeiter nie durch hohe Geldzuwendungen gehalten wurden,  sondern immer durch Integrität in die Unternehmensziele. Wenn die Integration fehlt und überdies weder Respekt noch Achtung gegenüber allen Geschäftspartnern und Kollegen und Kunden fehlt, zeigt sich hier meines Erachtens eine ganz fundamentale Charakterschwäche.”

Nun reicht die Erkenntnis allein nicht aus, denn man muss noch wissen, wie es anzustellen ist, die Führungskräfte und Mitarbeiter zu einem entsprechenden Commitment zu bringen: Dieses Motivationsthema ist nicht trivial und verlangt eine Menge Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Ein Folgebeitrag in der kommenden Woche befasst sich daher mit Möglichkeiten zur Motivation.

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