Dark Pools und Kreditderivate: Wie US-Banken ihre Lektion aus der Finanzkrise ziehen

by Dirk Elsner on 22. Juni 2009

Eigentlich hatte alle Welt erwartet, dass sich insbesondere die US-Banken einsichtig zeigen, nachdem sie maßgeblich die Finanzkrise mit verursacht und damit die größte Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg ausgelöst haben. Für Bankeninsider ist es indes wenig überraschend, dass das Gerede über mehr Transparenz und Vertrauen das bleibt, was es ist: Gerede. Die Praxis sieht nämlich anders aus, wie fast täglich neue Beispiele zeigen.

Kein Interesse an Clearingstellen für Kreditderivate?

In den Monaten seit der Lehman Pleite ist besonderes ein Finanzmarktinstrument verstärkt in das öffentliche Bewusstsein vorgedrungen, die so genannten Credit Default Swaps genannt (CDS). Die hohe Unsicherheit über bestehende Verpflichtungen von Finanzinstitutionen  aus offenen Geschäften dieser Kreditabsicherungsinstrumente (Details dazu hier) gelten als eine wesentliche Ursache für die Vertrauenskrise unter Banken. Daher ist erstaunlich, dass Banken die Bemühungen, den Markt für sogenannte Credit Default Swaps (CDS) sicherer zu machen, behindern. Dazu ist im Handelsblatt zu lesen:

“In den USA berichtet die Terminbörse Intercontinental Exchange (ICE) in Atlanta zwar von steigenden Abwicklungszahlen. Allerdings klagen andere Börsen über anhaltendes Desinteresse der großen Investmentbanken, die den CDS-Markt seit Jahren dominieren. Zudem haben sich die USA einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft, denn in Europa steckt die CDS-Abwicklung und-Abrechnung (Clearing) über Terminbörsen noch in den Kinderschuhen.

Aufsichtsbehörden drängen darauf, den Handel mit Kreditderivaten an Börsenplätzen zu institutionalisieren. Terminbörsen und spezielle Clearinghäuser sollen den Handel transparent machen und Abwicklung und Abrechnung übernehmen. Eine Clearingstelle soll als zentraler Kontrahent die Erfüllung der Geschäfte garantieren. Im Gegenzug müssen Banken Sicherheiten stellen und bestimmten Anforderungen genügen. “Deshalb stehen die Banken einer zentralen Clearingstelle auch kritisch gegenüber – denn es wird für sie teurer. „Es gibt Anzeichen dafür, dass die Banken bei CDS-Geschäften in der Vergangenheit deutlich zu niedrige finanzielle Sicherheiten hinterlegt haben“, sagen mehrere Terminbörsen-Vertreter lt. Handelsblatt. Banken selbst wollen sich dazu lt. der Zeitung allerdings nicht äußern.

In Dark Pools untertauchen

Ein Dark Pool ist nicht etwa der Swimmingpool von Batman, dem Dark Knight. Ein Dark Pool ist eine organisierte Plattform, die den anonymen Handel von Wertpapieren ermöglicht, wie die Chefin der US-Börsenaufsicht, Mary Schapiro, vergangene Woche erläuterte. Sie hält Dark Pools für gefährlich, weil sie Spekulationen und Misstrauen fördern. Der US-Blog Zero Hedge fragt Anfang Juni, ob ein Teil des Handelsvolumens der NYSE bereits in Dark Pools abgewandert sei, weil die Umsätze der New Yorker Börse so stark zurückgegangen seien.

Bemerkenswert an diesen Beispielen ist, mit welcher Energie Transparenz und Regulierungen umgangen werden. Und dies gilt nicht nur Banken, sondern auch für Handelsinstitutionen wie Börsen. So versucht derzeit lt. Reuters die London Stock Exchange Anteile an ihrem sogenannten “dark pool venture” an Banken zu verkaufen.

Kontraproduktive Regulierung?

Vor diesem Hintergrund stellt sich tatsächlich die Frage, wie sinnvoll eigentlich die in Europa und USA angedachten Regulierungsmaßnahmen tatsächlich sind. Großes Anlagegeld lässt sich nicht an die Leine legen. Schon immer gelang es Investoren und Finanzinstitutionen Regulierungsbestrebungen zu umgehen. Das wird diesmal nicht anders sein. Die vorgeschlagenen Regulierungsmodelle werden daher keinen Nutzen haben. Möglicherweise wirken sie sogar kontraproduktiv, weil die Aufsicht  noch komplizierter und ressourcenfressender wird. Neue Risiken werden sich außerdem dort anhäufen, wo noch niemand damit rechnet.

Das “kleine Geld” wird zwar durch die Regulierungsprozesse geschützt, seine Abwicklung und Verwaltung wird aber immer teurer werden und damit Margen weiter reduzieren. Das smart money indes wird sich so oder so neue Wege außerhalb der Regulierung suchen, wie ich das bereits im letzten Jahr in einem Beitrag zu Hedge Fonds vermutet habe.  Sinnvoller ist es daher, statt immer wieder neue Berichts- und Genehmigungspflichten einzuführen, mehr Energie in moderne Ansätze der Regulierung zu stecken, wie z.B. in diesem Beitrag über die “Finanzverschmutzung” skizziert.

Ausgerechnet ein Banker sprach sich am Wochenende für schnellere Regulierung aus, weil er in seiner Branche Anzeichen erkennt, die „Sünden von einst“ zu vergessen. Commerzbank-Chef Martin Blessing fordert eine rasche Verschärfung der Finanzmarktvorschriften in Europa. „Wir brauchen eine bessere Regulierung“, sagte Blessing der „Stuttgarter Zeitung“ laut Vorabmeldung. „Nur wenn wir glauben würden, dass alle ihre Lektionen gelernt haben und keiner mehr in alte Verhaltensmuster zurückfällt, könnten alle Regeln so bleiben wie sie sind. Aber das wäre naiv.“

Weitere Berichte zu Kreditderivaten und Dark Pools

TM: Credit Suisse Lobbies for ‚Fairer‘ Access to Dark Pools

Skybar: Die nächste Wirtschaftskrise hat schon begonnen

FT: The big name

Zero Hedge: Goldman Sachs Responds To Dark Pool Impropriety Allegations

MO: The Deep End of a Dark Pool

BNB: Paul Krugman zu den geplanten Finanzreformen von Präsident Obama

GM: Kling on Financial Regulation

IWB: Eine neue Abkürzung zum Auswendiglernen: ESRB

Noergler Juni 24, 2009 um 13:19 Uhr

Genau: Es IST nicht strafbar, man KÖNNTE es aber strafbar machen, um die Aufsicht auch durchführen zu können. Warum das sinnvoll wäre, ist ja dem Zitat von Mary Schapiro im Beitrag zu entnehmen.

Das die Institute und möglicherweise ihre Kunden kein Interesse daran haben, die Dark Pools transparent zu machen, ist wahrscheinlich und möglicherweise auch legitim. Aber die Praxis zeigt, das die Öffentlichkeit bedeutender Stakeholder dieser Vorgänge ist, das sie in Form des Steuerzahlers das Risiko der Geschäfte in den Dark Pools trägt.

Das Strafgesetzbuch untersagt Handlungen, die der einzelne durchführt, um sich selbst auf Kosten eines Einzelnen oder der Gemeinschaft eine Vorteil zu verschaffen. Mir ist nicht klar, warum die Finanzindustrie von diesem Wege der Interessendurchsetzung der Allgemeinheit ausgenommen werden sollte.

Noergler Juni 22, 2009 um 09:23 Uhr

Ich verstehe diese Diskussion um die Durchsetzbarkeit nicht wirklich: Es gibt ja außer den aufsichtsbehördlichen Maßnahmen auch noch das Strafgesetzbuch. Der Handel in den Dark Pools würde für Händler und Manager zur strafbaren Handlung: Banken müssten Strafen zahlen, wenn sie dabei erwischt würden, so wie Microsoft, wenn der Explorer mit dem Betriebssystem gebundelt wird. Und Banken, die im Ausland strafbare Handlungen begehen, könnten vom Marktzugang ausgeschlossen werden.

dels Juni 22, 2009 um 10:07 Uhr

Der Handel über die Dark Pools ist nicht strafbar, soweit ich das einschätzen kann. Ich wüsste auch nicht, warum man das bestrafen sollte. Der Beitrag sollte nicht auf dubiose Geschäftspraktiken hinweisen, sondern eher deutlich machen, dass die Institute kein Interesse an Transparenz haben. Und das liegt nicht nur an ihnen selbst, sondern auch an ihren Kunden.

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