Gedanken zur Eigenkapitalfinanzierung 2.0 – Teil 1: Konzeptionelle Grundlagen

by Dirk Elsner on 9. März 2010

Dieser Beitrag knüpft direkt an die Vorüberlegungen von gestern an  und schaut auf die konzeptionelle Vorgeschichte und einige Beispiele.

Ausgangspunkt

Meines Erachtens rührt die im Einführungsbetrag skizzierte “Störung” des Marktes für Beteiligungskapital aus der herrschenden Informations- und Interessenasymmetrie zwischen Intermediären, Investoren und Unternehmen. Wenn beide Seiten ein Interesse am gegenseitigen Engagement haben, dann sollten sie eigentlich einen Weg finden, diese Asymmetrien abzubauen. Dazu müssen sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Der Staat könnte dies beschleunigen, in dem er rechtliche Hindernisse abbaut, entscheidend ist dies jedoch nicht.

Einer der interessanteste Ansätze wie der Neustart des Finanzsystems aussehen könnte, hat Rainer Lenz, Professor für International Trade and Finance in Bielefeld, im Handelsblatt skizziert. Er schlägt eine supranationale Plattform vor, über die „Finanztransaktionen dezentral ohne den bisherigen Intermediär Bank“ erfolgen. Dabei setzt er auf den Einsatz von Informationstechnologie, um die Transparenz, den Wettbewerb und die Mobilität von Kapital zu erhöhen.

Ausgangspunkt der Überlegungen von Lenz ist  die Frage, warum überhaupt in die Bankenrettung Geld investiert wird, wenn doch die Finanzkrise das Versagen der “Institution Bank” deutlich gemacht hat. Gut fundiert begründet er mit der Transaktionskostentheorie, dass die Institution Bank sich durch “dezentraler Verträge zwischen Individuen am Markt organisieren” lassen lässt.

Ein Problem der Institution Bank ist nämlich mittlerweile, dass die durch die Finanzprodukte und ihre Regulierung geschaffene Komplexität die “unternehmerischer Prozessgestaltung” an ihre Grenzen stoßen lässt. Ein auch vom Blick Log häufig vertretener Standpunkt (zuletzt hier), der viel zu wenig bedacht wird, wenn über die neue Finanzordnung geschrieben wird.

Banken verlieren außerdem zunehmend ihre Rolle als Finanzintermediäre und geben diese an andere Institutionen ab. Häufig schaffen sie keinen ausreichenden Interessenausgleich mehr zwischen den Marktteilnehmern, die Finanzierungsmittel anlegen wollen (Überschusseinheiten), und den Marktteilnehmern, die Mittel aufnehmen wollen. (Defiziteinheiten). Die vielschichtigen Faktoren, die die Finanzkrise ausgelöst haben, stellen die Rolle der Banken als Moderator zwischen den Interessengegensätzen von Überschuss- und Defiziteinheiten in Frage. Statt die Interessen zwischen diesen Gruppen auszugleichen, haben Banken z.T. mit opportunistischen Methoden diesen Mechanismus untergraben. Das Vertrauen vieler Kapitalanleger in Transparenz, Rechtssicherheit und Liquidität wurde empfindlich gestört

Lenz betont, “dass bankinterne Risikosteuerung sowie externe Aufsicht versagt haben. Und dies, obwohl die Kontrollanstrengungen (z.B. Basel II) und damit auch die Kosten deutlich zugenommen haben. Die derzeitigen Reformmaßnahmen, die alle auf ein Mehr an Kontrolle fokussiert sind, erfassen die grundsätzliche Problematik nicht. Im Gegenteil: Durch höhere Kontrollkosten werden die Transaktionskosten der Organisationsform „Geschäftsbank“ ins nahezu Unermessliche gesteigert, ohne die Komplexität und damit letztlich das Risiko zu reduzieren.”

Konkreter erster Ansatz

Etwas später wird Lenz dann konkreter:

“Die vorherrschende Überzeugung, die Vielfalt an Finanzprodukten noch in einer Gesamtbank steuern zu können, muss vielmehr einer Idee weichen, die sich bereits in der Entwicklungslinie des Bankensektors anzeigt: vollkommene Disintermediation und vollkommene Dezentralisierung der Finanztransaktionen im Rahmen einer einzigen suprastaatlichen Transaktionsplattform.

Wie kann man sich einen solchen Marktplatz vorstellen? Welches sind dabei die zentralen Richtlinien und Maßgaben, um einerseits die Schwachstellen eines institutionellen Geschäftsmodells zu unterbinden und andererseits die realwirtschaftlich relevante Innovationskraft von Finanzprodukten zu fördern und zu steuern? Hinter der Überlegung, zukünftig die Vermittlung, Abwicklung und Dokumentation aller Finanzgeschäfte über eine zentrale Transaktionsplattform zu organisieren, steht die Idee, dass damit das Einlagengeschäft und die Kreditvergabe an Transparenz gewinnen und so die damit verbundenen Risiken bewertbar werden. Das derzeit größte Problem ist ja die Unübersichtlichkeit der Finanzmärkte.

Ein zentral organisierter Finanzmarkt hätte einen immensen Vorteil: Alle Finanztransaktionen kommen dezentral ohne den bisherigen Intermediär Bank durch Angebot und Nachfrage innerhalb eines einzigen – wenn man den Gedanken in Konsequenz zu Ende denkt – weltweiten Finanzmarktes zustande. Die Plattform macht das Bankgeschäft der Kapitaleinlage und Kreditvergabe überflüssig. Jeder Marktteilnehmer kann über sein Transaktionskonto Kredite aufnehmen oder Kapital anlegen, sofern er innerhalb der Plattform einen Kontrahenten zum Vertragsabschluss findet. Jede Transaktion wird innerhalb der Plattform abgewickelt und dokumentiert.”

Damit plädiert Lenz für die Verlagerung zentraler Bankfunktionen, wie Fristentransformation, Losgrößentransformation und Risikotransformation zurück in den Markt. Lenz legt auch ein paar Argumente für die Vorteile einer solchen Plattform vor:

Damit sind entscheidende Vorteile verbunden. Die Transaktionsplattform kann keine systemrelevanten Verluste produzieren, da sie lediglich Finanzgeschäfte vermittelt, abwickelt und dokumentiert. So wie bei allen Verträgen liegen die wirtschaftlichen Risiken beim Käufer und Verkäufer, in diesem Fall beim Kapitalanbieter und-nachfrager. Auch bei Kreditausfällen, die es unverändert geben wird, bleibt das System somit stabil. Die Plattform ist kein gewinnmaximierendes Geschäftsmodell, sondern sollte von einer unabhängigen, suprastaatlichen öffentlichen Institution betrieben werden und sich mittelfristig aus den Gebühren der Teilnehmer finanzieren.

In der Plattform wird der Einsatz von Informationstechnologie die Transparenz, den Wettbewerb und auch die Mobilität von Kapital im Vergleich zum oligopolistischen Bankenmarkt deutlich erhöhen. Für die Marktteilnehmer bedeuten höhere Transparenz, verstärkter Wettbewerb und Wegfall der Bankmargen, dass sich die Kosten verringern und sich der Zugriff auf Kapital vereinfacht.

Es ist klar, dass dies nur eine grob skizzierte Vision eines neuen Banking sein kann. Das weiß natürlich auch Lenz, der die Kapitalmärkte gut kennt. Dieser Ansatz bedeutet auch nicht, dass das Spezial Know-how in Finanzinstitutionen überflüssig ist. “Das Know-how und das Produktwissen der Bankmitarbeiter werden unverändert gefragt sein, da auch in der Transaktionsplattform alle bisherigen Finanzinstrumente gehandelt werden.” Es will damit auch keinesfalls die Produkte beschneiden, sondern weiter die große Vielfallt auch komplexer Produkte zugelassen wissen, was ich für richtig halte.

Dezentrale Plattform

Der Vorschlag von Lenz ist faszinierend, aber zu groß, um umgesetzt zu werden. Eine zentrale supranationale Plattform wäre ein Webfehler. Bei der vorstellbaren Diskussion über die Ausgestaltung und Umsetzung würden wir den Start dieser Institution in diesem Jahrhundert nicht mehr erleben. Daher plädiere ich für eine marktgesteuerte Institution, die quasi in einen Systemwettbewerb mit den bisherigen institutionellen Arrangements und Finanzintermediären tritt.

Tatsächlich erinnert nämlich der Vorschlag an die Peer-to-Peer-Plattformen, wie sie in Deutschland z.B. Smava oder Auxmoney betreiben (siehe etwa hier das Interview des Blick Logs mit Geschäftsführer Alexander Artopé). Smava und Auxmoney stellen im Prinzip” nur” einen institutionellen Rahmen für Menschen, die in Kredite investieren und Menschen, die sich Geld leihen.

Neben diesen Kredit-Plattformen, die vorwiegend an Privatkunden gerichtet sind, hat die Deutsche Mittelstands AG eine Private Equity Börse initiiert. Nach Angabe der Website sind bisher Projekte mit einem Volumen von 15,9 Mio. € vermittelt worden. In einer Pressemitteilung wird das Konzept näher erläutert. Ich habe leider bisher keinen einzigen unabhängigen Bericht über dieses Projekt gefunden und auch keinen Blog- oder gar Verbandsbeitrag, der sich mit dem Konzept befasst. Pressearbeit und das Alexa-Ranking der Website lassen vermuten, dass mit dem Projekt eher ein klassischer Ansatz versucht wird, der noch weit weg von der 2.0-Philosophie ist.

Die derzeit in Gründung befindliche Plattform Seedmatch will das P2P-Prinzip auf die Einsammlung von Kapital zur Finanzierung von Startups anwenden. In mehreren Beiträgen des Gründungsblogs erläutert Jens-Uwe Sauer das Prinzip. Mit Seedmatch kann man Mikroinvestor werden und sich bereits mit Beträgen ab 1.000 € an Start-ups beteiligen. Mehr zu Seedmatch ist in dieser Präsentation zu finden.

Während Smava und Auxmoney sehr transparent und hoch standardisiert Kredite vermitteln, geht eine Eigenkapitalplattform 2.0 natürlich deutlich darüber hinaus. Das Grundprinzip ist aber ähnlich. Damit hängen viele praktische Fragen zusammen, die aber mit den richtigen Leuten lösbar sind. Ohnehin geht es ja zunächst nur um eine Diskussion und einen Austausch mit interessierten Kreisen. Daher konkretisiert der Blick Log diesen Ansatz in dem morgen erscheinenden Folgebeitrag.

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