Gestern war nun der 5. Jahrestag der Lehman-Pleite. Viele Banker machen schon lange wieder einen auf “business as usual” und wollen am liebsten die Bankenkrise und vor allem ihre Aufarbeitung abhaken. Das gipfelte gestern auf Twitter in Gelächter für zwei äußerst skurrile Nachrichten über zwei Großbanken:
- WSJ: Morgan Stanley verabschiedet sich vom Risiko
- FT: Credit Suisse chief vows to make no more losses
Der Chef der Credit Suisse schwört sogar, die Bank werde nie wieder Verluste machen. Freilich haben bisher weder die beiden Institute noch andere unter Beschuss geratene Banken bisher den Nachweis erbracht, dass sie wirklich stabil sind. Nur das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) glaubt, dass Banken wieder sicherer sind und argumentiert mit den bisherigen “Erfolgen” der Finanzmarktregulierung (als Entgegnung empfehle ich Martin Hellwig auf Ökonomenstimme: “Deutschland und die Finanzmarktregulierung fünf Jahre nach der Krise”).
Weil harte Nachweise für die Stabilität der Banken bisher fehlen, wird die EZB in den nächsten Jahren Millionen dafür ausgeben, damit Wirtschaftsprüfer erneut die Risiken der Bankbilanzen sezieren und ihre Risiken verstehen.
Mark Dittli hat am Wochenende in zwei unbedingt zu empfehlenden Beiträgen für Finanz und Wirtschaft den Zustand des Bankensystems und die unzureichende Regulierung analysiert:
Wer auf die tiefere Analyse verzichten will, dem schlage ich ein Gedankenexperiment vor, um festzustellen, dass der Finanzsektor weit entfernt von jeder Normalität ist. Man stelle sich dazu vor, dass ab sofort, alle direkten und indirekten Maßnahmen zur Stützung einzelner Banken beziehungsweise des Finanzsektors wegfallen. Dazu gehören die offen ausgewiesenen Beihilfen in Form von Einlagen und Garantien genauso wie die indirekten Subventionen, die dadurch anfallen, dass große Banken bei einer Schieflage mit Rettung rechnen können. Aber auch von der Stützung der europäischen Krisenstaaten profitieren die Finanzhäuser ebenso wie von der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken sowie der großzügig bereit gestellten Refinanzierung der EZB.
Martin Hess, der Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung, wies auf finews darauf hin, dass die EU-Staatshilfen für den Finanzsektor weiter steigen:
- Fünf Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise stiegen die neu bewilligten Gelder auf 429,5 Milliarden Euro und erreichten 2012 den höchsten Stand seit 2009. Weitere Zahlen lassen ähnlich erschauern.
- Insgesamt wurden zwischen 2008 und 2011 Staatshilfen im Wert von sagenhaften 4’656 Milliarden Euro bewilligt. Mit 1’612 Milliarden Euro wurde gut ein Drittel davon – oder rund 13 Prozent des BIP – beansprucht.
- Bis Ende 2012 wurden 10 bis 15 Prozent aller Banken in der EU staatliche Beihilfen gewährt, unter der Auflage einer Restrukturierung. Werden die Banken nach der Grösse ihrer Bilanz gewichtet, schnellt dieser Anteil sogar auf 25 Prozent.
- In vier Ländern ist der Bankensektor faktisch verstaatlicht. Ein Viertel der 76 grössten Bankengruppen in der EU waren gemäss IWF grösstenteils oder vollständig in Staatsbesitz.
(siehe dazu auch Genehmigte staatliche Hilfen für europäische Banken 2008–2012: 5.058,9 Mrd. Euro). Im Dezember diesen Jahres wird voraussichtlich auf dieser Seite der EU-Kommission ein Update der Beihilfen auch für den Finanzsektor erhältlich sein. Gerade erst im September genehmigte die EU Staatshilfen für Hypo Alpe Adria.
Durch die Vernetzung des Finanzsystems ist klar, dass von der Stabilisierung der gesamte Sektor profitiert. Und das Banksystem profitiert selbstverständlich auch von der Haftung für die europäischen Schuldenkrisenstaaten. Das aktuelle Potenzial dieser Haftung beziffert das IFO-Institut aktuell auf 1.806 Milliarden Euro.
Neben den offiziellen Hilfen kommen die indirekten Subventionen, vor allem dadurch, dass notleidende Grossbanken, die too big to fail sind weiterhin vom Staat gerettet werden müssen. Mit den Kosten der faktischen (oder impliziten) Staatsgarantie für Kreditinstitute habe ich mich in diesem Blog mehrfach befasst, z.B. “Die Kosten der faktischen Staatsgarantie für Kreditinstitute”. In der NZZ war dazu jüngst zu lesen:
“Das Wissen um diese Zwangslage animiert Sifi zu einer übermässigen Risikoneigung und hat implizite staatliche Subventionen für Banken zur Folge. Analytiker der Bank of England haben diese Subvention für 29 globale Sifi per Ende 2012 auf 500 Mrd. $ geschätzt (vgl. Grafik). Das FSB sieht Anzeichen, dass die Umsetzung des 2010 von der G-20 gebilligten Rahmenwerks erste Früchte trägt. So begännen Firmen und Anleger, dem Begehren der Behörden, die TBTF-Problematik zu beenden, Rechnung zu tragen.”
Leider konnte ich die aktuelle Analyse der Bank of England dazu nicht finden, dafür aber die des Vorjahres: The implicit subsidy of banks. Außerdem weist das Financial Stability Board in einer aktuellen Analyse auf die Subventionen hin:
“The implicit government guarantee that arises when public authorities are perceived to have limited options in dealing with a threatened failure of a financial institution, leading them to bail it out and pass on the costs of failure to taxpayers, provides a public subsidy to TBTF firms in the form of lower funding costs and adversely affects market discipline, competition, systemic risk and public finances. “
Philip Plickert schreib bereits im letzten Jahr, dass das Problem der „Systemrelevanten“, die gerettet werden müssen, sich seit der Finanzkrise noch verschärft habe, weil die Geldhäuser inzwischen noch größer geworden sind und damit auch die impliziten Garantien. Das DIW stellte in einer in diesem Frühjahr veröffentlichten Untersuchung fest, dass die implizite Staatsgarantien die Probleme für den Finanzsektor verschärfen.
Barry Ritholz hat übrigens in seinem Big Picture Blog eine beeindruckende Übersicht mit Aussagen von Ökonomen, Finanzfachleuten und Bankern selbst zusammen gestellt nach denen zu große Banken der Wirtschaft schaden.
Der neue Blog Qualitative Easing wies vergangenen Woche übrigens in einem Beitrag auf eine Forschungsarbeit der Dallas-Fed zu den “Kosten der Finanzkrise” hin: “Daraus geht unter anderem hervor, dass die Gesamtkosten für die Wirtschaft zwischen$6 und $14 Bio, oder $50.000-120.000 pro US-Haushalt liegen könnten. “
Weitere Beiträge zum Zustand des Finanzsektors
- New York Times: After a Financial Flood, Pipes Are Still Broken
- Guardian: Five years after Lehman, could a collapse happen all over again?
- Telegraph: Five years after Lehmans, should you buy bank shares?
- Voxeu: Is there a future for international banks?
- Welt: Lasst die Banken doch ruhig pleite gehen
- FSCB: Bank systems are not safe (anymore)
- Blätter: Europäischer Bankensozialismus
- FuW: «Banken halten uns in Geiselhaft» (18.9.13): Die US-Ökonomin Anat Admati warnt im Interview, dass die Schutzmassnahmen gegen den Fall eines Finanzriesen noch immer zu schwach sind.
Danke für reichlich Lesestoff.Eine exzellente Zusammenstellung,so wie es nur
auf Blick Log gibt.
Danke @ludwig
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