Da hat man ja in der 85 Broad Street in New York City bei Goldman Sachs die Champagnerkorken knallen lassen. Offenbar hat man die Analysten mit den Geschäftszahlen des 2. Quartals überrascht (hier Link zur Original Erklärung von Goldman), die deutlich über den Erwartungen lagen. Mit einem Reingewinn von 2,7 Mrd. Dollar (rund 1,9 Mrd. Euro) “wies Goldman für das zweite Quartal ein um 33 Prozent über dem Vorjahreszeitraum liegendes Ergebnis aus. Die Erträge kletterten um fast die Hälfte auf 13,7 Mrd. Dollar.”
Goldman ist sehr hohe Risiken eingegangen und hat prächtig im Eigenhandel verdient. Ich kann allerdings aus den Zahlen nicht ersehen, in welchem Umfang Teile der Gewinne auf Zuschreibungen von im letzten Jahr abgeschriebenen Beständen beruhen. Fest stehen dürfte dagegen, dass diese Gewinne weniger den Leistungen der Banker, sondern vor allem der Obama Administration und der US-Notenbank zu verdanken sind. Ich erinnere an drei Ereignisse, die neben vielen weiteren flankierenden Maßnahmen zu einer Stimmungswende beitrugen:
- Zu Beginn des ersten Quartals erreichte die Unsicherheit in Form von Risikozuschlägen an nahezu allen relevanten Kapitalmärkten einen historischen Höhepunkt. Dies hätte zunächst im 1. Quartal des laufenden Jahres zu weiteren Abschreibungen führen müssen. Plötzlich, es war Mitte März drehte sich die Stimmung. Damals hatte der US-Notenbank-Chef neuen Bilanzierungsregeln angekündigt, die damals zu starken Kursgewinnen führten.
- Kurze Zeit später konkretisierte Timothy Geithner die US Bad Bank Pläne. Dies geschah diesmal bewusst mit einer geschickten Kommunikationsstrategie, die die Märkte sehr positiv stimmte (siehe dazu: “Wie Kommunikation Milliarden schafft oder vernichtet”).
- Der dritte Teil der marktpsychologischen Strategie folgte im Mai mit der Veröffentlichung positiver Stress-Test-Ergebnisse für die wichtigsten US-Banken (siehe dazu Stress Test motzt die Psyche der Marktteilnehmer weiter auf).
In der Summe haben diese drei Schlüsselereignisse in wohldosierten Abständen zu einer erheblichen Vertrauensbildung beigetragen. In der Folge sanken die Risikoprämien, womit sich gleichzeitig die Assetpreise (insbesondere die der “toxischen Assets”) deutlich erholt haben. Ich hielt und halte das Vorgehen in den USA, das wesentlich durch Behavioral Economics beeinflusst war, für richtig. Die Animal Spirits im ersten Quartal lagen am Boden. Ich befürchtete mit Robert Shiller, dass das Gerede von einer Depression direkt dorthin führte. Der Pessimismus und insbesondere die hohe Risikoprämien bestimmter Wertpapiergattungen (insbesondere die der verbrieften Forderungspakete) waren viel zu hoch und kaum noch fundamental begründet.
Ich sehe damit meine Auffassung von Mitte Januar diesen Jahres abschließend als bestätigt an. Damals legte ich sehr ausführlich dar, warum die angekündigten Horrorabschlüsse der Banken uns nicht schrecken sollten (eine kürzere Fassung hier: Wie die Banken sich schlecht rechnen) und blieb dieser Linie in den Folgewochen treu (siehe hier Artikelserie zu toxischen Wertpapieren).
Damit gebe ich jetzt aber keine Entwarnung und erkläre die Finanzkrise für beendet. Die “psychologische” Wende auf Basis der US-Regierungs-Strategie war folgerichtig. Allerdings geht die Erholung nun doch sehr schnell, so dass zu befürchten ist, dass sich die Institute neue Risiken aufladen. So liegen denn auch die Haupterlösquellen von Goldman im Handelsgeschäft. Das Geschäft mit Unternehmensanleihen, Kredit- und Zinsprodukten sowie Devisen legte im zweiten Quartal so stark zu, wie seit Monaten nicht mehr. Die Erträge in der Sparte verdoppelten sich fast. Das Handelsblatt schrieb dazu:
“Dafür verantwortlich waren ausschließlich die Einnahmen im Handel: Das Geschäft mit Unternehmensanleihen, Kredit- und Zinsprodukten sowie Devisen legte im zweiten Quartal so stark zu wie seit Monaten nicht mehr. Die Erträge in der Sparte verdoppelten sich fast. Damit verdient Goldman vor allem in dem Bereich wieder Geld, in dem die Finanzkrise ihren Anfang genommen hatte. Und die Bank ist auch wieder bereit, höhere Risiken einzugehen. Das zeigt die Kennziffer des maximalen prognostizierten Verlusts eines Handelstages (der sogenannte Value at Risk). Diese Kennziffer stieg im zweiten Quartal auf 245 Mio. Dollar. Das waren fünf Mio. Dollar mehr als im ersten Quartal. Gegenüber Anfang 2007, also der Zeit vor der Krise, stieg der Risikoappetit der Bank sogar um fast 90 Prozent. „In vielerlei Hinsicht herrscht bei Goldman Sachs wieder business as usual“, sagte Barclays-Analyst Roger Freeman.”
Die FTD findet die Zahlen nicht zum Aufatmen und befürchtet: “Die Branche wird derzeit gut gedopt – und braucht dringend neue Eigenkapitalvorschriften.” Weiter schreibt das Blatt auf seiner Webseite:
“Doch so sehr die Zahlen glänzen mögen, Entwarnung ist noch lange nicht angesagt – weder für Goldman noch für den Rest der Branche. Und das nicht nur, weil Goldman Sachs aus mehreren Gründen nicht mit den anderen vergleichbar ist: So ist das auf das Investmentbanking ausgerichtete Haus perfekt gerüstet, um den derzeitigen Boom an den Anleihe- und Aktienmärkten auszunutzen – und wird nicht von den Kreditausfällen und steigenden Rückstellungen etwa im Geschäft mit Konsumentenkrediten oder Hypotheken getroffen, die in den Bilanzen von Wettbewerbern wie JP Morgan Chase oder Citigroup im zweiten Quartal tiefe Spuren hinterlassen haben dürften.
Vorsicht ist vor allem deshalb geboten, weil die Erholung im Bankensektor kaum nachhaltig sein dürfte – und nicht „hausgemacht“, also durch solides Geschäft erwirtschaftet ist. Die Talente mögen fleißig trainiert haben, doch ohne das Doping von Staaten und Zentralbanken wären sie nicht wettbewerbsfähig. Diese sollten die vielleicht einmalige Chance nutzen und zumindest versuchen, die Branche zu bändigen – am besten mit harten, konsequenten und intelligenten Eigenkapitalvorschriften.”
Wenn meine These richtig ist, dass ein Teil der Gewinne bei Goldman (in den nächsten Wochen werden wir diese auch bei anderen Banken sehen) vor allem auf Zuschreibungen abgeschriebener Bestände beruhen, dann könnte auch das gerade begonnene Quartal ebenfalls gut laufen. Man sollte dazu vor allem die aktuellen Credit Spreads auf die Top-Banken, aber auch auf andere Schuldner betrachten. Soweit sich hier die Erholung fortsetzt, können die Banken weitere Teile ihrer 2008 abgeschriebenen Handelsbestände weiter zuschreiben. Beobachtet werden kann die Marktentwicklung der Credit Spreads anhand der iTraxx-Indizes (Erläuterung hier), die aber leider nicht öffentlich zugänglich sind.
Ach ja, der der Bonus steht natürlich nicht allein den Goldmännern zu. Ohne Bernanke, Geithner und die Obama-Adminstration hätte die Investmentbank (ja, sie ist weiterhin eine) diesen Gewinn nie schaffen können.
Weitere Berichte und Reaktionen:
HB: Ökonomen-Warnung – „Risikobanker legen Keim für nächste Krise“: Der überraschend hohe Milliardengewinn der weltgrößten Investmentbank Goldman Sachs hat die Diskussion um risikofreudige Banker angeheizt. Ökonomen befürchten, die Wall Street könnte die Lehren der vor zwei Jahren ausgebrochenen Finanzkrise schon wieder vergessen haben. Ihr erschütterndes Resümé: „Der Casino-Betrieb geht weiter.“
Focus: US-Bank: Goldman Sachs verdient Milliarden
NYT: Big Profit at Goldman Sachs Beats Forecasts
HB: Goldman Sachs: ein Ein-Quartals-Wunder?
HB: Goldman Sachs: Nur teilweise gut
Spon: Experten fürchten Rückkehr der Turbobanker
HB: Erholungsphase wird den Banken zur Last
Welt: Goldman Sachs spürt von der Krise nicht mehr viel
FAZ: Goldman Sachs steigert Gewinn deutlich
CWD: Goldman crushes earnings estimates
Zero Hedge: Gasparino Tells CNBC To Stop Protecting Goldman
Zero Hedge: David Faber On Goldman CRE Write Downs And REIT Pain
Zero: Goldman Blow Out Q2 Revenues On Principal Trading; VaR Hits New All Time Record: $245 MM Total VaR
Weissgarnix: L’Etat, c’est Goldman Sachs?
NYT: Sizing Up Goldman’s Bonuses
Breaking Views: Goldman’s biggest remaining risk: pay backlash
NZZ: US-Grossbank Goldman Sachs übertrifft die Erwartungen – Aktienverkäufe des Managements mitten in der Krise sorgen für Wirbel
MM: Die Wahrheit hinter der Bankenhausse
Naja, wenn ich im Roulette-Spiel drei mal auf Rot gesett habe und drei mal verlor, dann setze ich ich eben den dreifachen Beitrag und wenn ich dann gewinne, dann ist auch das Spiel gewonnen. Einfacher wird es , wenn ich den dritten Einsatz mit staatlichen Geldern finanziere.
Gruss
Adrian
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