Finanzbranche unter Druck: Irland und Verdopplung des EURO-Rettungsfonds entlarven endgültig Stresstests

by Dirk Elsner on 26. November 2010

Stress Test Flier for UniversitiesIm Sommer haben die europäische Finanzaufsichtsbehörden gemeinsam mit großen Banken ein beispiel- und eindrucksloses Theater mit den Stresstests für europäische Kreditinstitute inszeniert. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse sollte die Stabilität der europäischen Finanzbranche unter Beweis gestellt werden (siehe den damaligen Liveticker der wichtigsten Wirtschaftsmedien). Nun kommt es innerhalb weniger Wochen knüppeldick. Plötzlich benötigt Irland für seine Banken astronomische Summen und nimmt dafür den europäischen Rettungsfonds in Anspruch, dann fürchtet die Bundesbank Zeitbomben in den Bankbilanzen und nun bringt die EU-Kommission gar eine Verdoppelung des Rettungsschirms ins Gespräch.

Bei diesem beispiellosen Bündel kommt man kaum zu Luftholen und fragt sich jetzt noch mehr als damals, was eigentlich die Stresstestfarce im Sommer sollte. 

Die irischen Institute fanden sich damals zwar im hinteren Drittel der 91 getesteten Institute, lagen aber selbst im Rezessionsszenario über der geforderten Schwelle einer Eigenkapitalquote von 6%. (Platz 63 für Bank of Ireland, Platz 74 für Allied unter 91 Banken). Sieben Institute, darunter die deutsche Hypo Real Estate, verfehlten die Hürden. Bereits damals gab es viele kritische Stimmen (hier Auswahl im Handelsblatt und hier die des Blick Log). Aufsicht und Banken feierten sich selbst und erklärten die Finanzkrise für Europas Banken als für beendet. Wie so oft in den drei Jahren Finanzkrise wurden kritische Geister (eine wirklich ausgezeichnete Betrachtung lieferte Steffen Bogs auf Querschüsse:  “Stresstest ohne Stress”) mit dem üblichen Schweigen aus Politik, Aufsicht und der Finanzwelt ignoriert.

Tatsächlich aber schafften die Veröffentlichungen wenig zusätzliches Vertrauen unter den Finanzmarktprofis. Großanleger kannten die Schwächen der Tests sehr genau. So sollen einige Institute Länderanleihen noch so umgebucht haben, dass Abwertungen für den Stresstest vermieden werden konnten. Daneben war der Veröffentlichungsprozess ausgesprochen unprofessionell. Zwei Tage vor Bekanntgabe wollte man das Prozedere der Veröffentlichung noch ändern und die Aufseher rügten deutsche Institute für ihre unvollständige Veröffentlichungen. Die FAZ schrieb rückwirkend zu den Stresstests:

“Ein großes Problem ist die Glaubwürdigkeit der im Sommer durchgeführten Stresstests. Marktbeobachter übertragen die schlechte Erfahrung, nach der sich die angeblich so positiven Testergebnisse als Makulatur erwiesen haben, auf die spanischen, nicht an der Börse notierten Sparkassen. „Anleger blicken seit längerer Zeit nervös auf die schlummernden, nicht realisierten Verluste spanischer Banken mit Blick auf ihr Hypothekenportfolio, befürchten Eventualverbindlichkeiten des Staates und deshalb eine Parallelität zu Irland“, schreibt Goldman Sachs … „Auch bei den deutschen, belgischen und italienischen Banken stellt sich die Frage, welche Qualität haben die Kreditpositionen der Banken eigentlich?“ hieß es in einem Analystengespräch von BNP Paribas..”

Mittlerweile wird auch nicht mehr verheimlicht, dass die Mittel aus dem europäischen Rettungsfonds vorwiegend die irischen und indirekt viele europäische Banken vor weiteren Instabilitäten bewahren soll. Die Irlandkrise und die Äußerungen aus dem Hause der Bundesbank machen die Farce dieses Stresstests deutlich. Man darf gespannt sein, ob die europäische Bankenaufseher, die eine neue Runde von Stresstests planen, darauf angemessen reagieren werden. Zweifel darf man jetzt schon haben. Und ich denke schon, angesichts der übernommenen Risiken, die wir Steuerzahler tragen, haben wir Anspruch auf deutlich mehr Klarheit. 

Blick Log damals zum Stresstest

Banken-Stress-Test in Europa: Drama oder geschickte Inszenierung? In jedem Fall kein NENLE (19.7.10):

Epilog zum Sommertheater um die Stresstests europäischer Banken

Schwächeln deutsche Banken auf der Eigenkapitalseite mehr als geahnt?

Dokumentation: Stresstestergebnisse europäischer Banken

Stress-Day in Europa: CEBS veröffentlicht heute seinen Notenspiegel (+ Liste getesteter Banken)

Weitere Presse- und Blogberichte

HB: Angst vor Staatspleiten: Zweifel am Rettungsschirm wachsen (25.11.10): Keine Entspannung in der Schuldenkrise. Risikoaufschläge für Anleihen der Schuldenstaaten steigen weiter. Die Anleger fürchten, dass sie im Fall einer Staatspleite zur Kasse gebeten werden. Für Verwirrung sorgen Meldungen, wonach die EU-Kommission eine Verdopplung des Euro-Rettungsschirms plant. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beruhigt die Märkte nicht.

Egghat: Zahl des Tages (25.11.10): 440.000.000.000

Welt: Das unheimliche Band zwischen Banken und Staaten: Währungskrise bedroht die Geldhäuser des Kontinents – Die Lage ist ernster als bisher angenommen – Investoren trennen sich von Finanztiteln – Euro-Notierungen sack

Acemaxx-Analytics: Wird Irland zahlungsunfähig?

Weissgarnix: Game over für den Euro: BuBa-Chef Axel Weber berauscht sich heute im SPIEGEL am typischen Machbarkeitsglauben eines Geld-Technokraten

Egghat: Wenn 750.000.000.000 Euro nicht genug sind …

FAZ: Schulden-Krise in Europa – Bundesbank bringt noch größeren Rettungsschirm ins Gespräch (25.11.10): Reichen die 750 Milliarden Euro für den Euro-Rettungsschirm? Ja, findet der Vorsitzende des Rettungsschirms, Klaus Regling. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, hält eine Vergrößerung des Rettungsschirms jedoch für möglich.

FTD: Irlands Banken entwickeln sich zum Milliardengrab für Anleger: Die Finanzinstitute der Insel sind offenbar noch maroder als gedacht. Die Kosten für die Absicherung nachrangiger Bank-Anleihen schnellen in die Höhe. Das Beispiel der Anglo Irish Bank zeigt, warum.

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