Kanzlerrunde zur Finanzierungsklemme: Zeigt die “Funktionselite” endlich Verantwortung?

by Dirk Elsner on 1. Dezember 2009

Es ist Finanzierungsklemmenzeit. Morgen will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Finanzindustrie beim “Konjunkturgipfel” in Berlin wieder einmal über die “drohende Kreditklemme” sprechen. Frau Merkel hat sich dazu wieder eine von der Wirtschaftspraxis entfremdete Funktionselite eingeladen. Die Vertreter der jeweiligen Wirtschaftszweige werden sich wie immer hinter ihren gebügelten Statistiken und Umfragen verstecken und wissen, warum man selbst seine Hausaufgaben gemacht hat und Handlungsaufforderungen an jeweils andere Gruppierungen richten.

Die in der Bundesregierung bereits angedachten Ideen (Entschlackung des Deutschlandfonds, Exportbürgschaften etc.) gehen zwar in die richtige Richtung, reichen aber längst nicht aus (siehe hier zur Wirkungslosigkeit der staatlichen Bürgschaftsprogramme). Die Regierungspläne werden die Finanzierungsklemme nicht oder nur sehr punktuell lindern.

Ich werde nicht müde, zu wiederholen, dass die Finanzierungsklemme nur zum Teil auf die restriktive Kreditvergabepraxis der Banken zurückzuführen ist. Seit Monaten beobachten wir nämlich in der Beratungspraxis neben dem restriktiven Verhalten der Banken eine Eigenkapitalklemme bei mittelständischen Unternehmen. Und dagegen helfen keine noch so guten Kreditprogramme. Viele Unternehmen müssen und wollen sich mit Eigenkapital bzw. eigenkapitalnahen Mitteln versorgen, können dies aber nicht. Bereits Anfang Juli veröffentlichte die KfW eine Kurzstudie dazu (mehr hier), die leider kaum Beachtung fand.

Der Weg zum frischen Eigenkapital ist schwierig für viele Unternehmen. Dies hatte bereits vor einigen Jahren eine Arbeitsgruppe ebenfalls unter Federführung der KfW diagnostiziert und entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen. Festgestellt wurde damals eine Lücke im Beteiligungsmarkt (siehe hier) für bestimmte Unternehmensgrößen. Leider ist von den damaligen Vorschlägen offenbar rein gar nichts umgesetzt worden. Dabei drängt mittlerweile die Zeit.

Und Kapital ist mittlerweile genügend da. Hunderte von Private-Equity-Firmen, Family-Offices und Mezzanine-Investoren sitzen auf großen Reserven, die investiert werden wollen, nur fließen aus vielen Gründen die Mittel nicht dorthin, wo der Bedarf besteht. Die Gründe dafür sind vielfältig aber gemeinhin bekannt. Mittelständische Unternehmen sind es nicht gewohnt, Eigenkapital von Investoren einzuwerben und sich deren Regeln anzupassen. Investoren wiederum legen ihre Mittel lieber in größeren Tranchen an und kennen sich zu wenig mit den Strukturen des Mittelstands aus (siehe weitere Details zur Lücke im Beteiligungsmarkt hier und in diesem Beitrag). Dabei winken gerade bei mittelständischen Unternehmen durch die niedrigeren EBIT-Multiples deutlich höhere Renditen. Wer mittelständische Unternehmen kennt, der wird bei Lektüre dieses Artikels über Private Equity als Partner für den Mittelstand feststellen, wie weit weg die Vorstellungen einiger Private Equity-Gesellschaften von den Bedürfnissen der Familienunternehmen sind.

Meines Erachtens rührt diese “Marktstörung” aus der herrschenden Informations- und Interessenasymmetrie zwischen Banken, Investoren und Unternehmen. Wenn beide Seiten ein Interesse am gegenseitigen Engagement haben, dann sollten sie eigentlich einen Weg finden, diese Asymmetrien abzubauen. Dazu müssen sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Der Staat kann dies beschleunigen, in dem er rechtliche Hindernisse abbaut (etwa die steuerliche Diskriminierung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital).

Daneben könnte er in Form einer Public-Private-Partnership Fonds initiieren oder Peer-to-Peer-Eigen- oder Fremdkapitalbörsen anschieben (dazu unbedingt in diesen Artikel schauen: Vom Neustart des Finanzsystems) und mit Basiskapital (etwa aus nicht abgerufenen Mitteln des Deutschlandfonds und der Bankenhilfen der SoFFin) ausstatten. Über diese Wege könnten mittelständischen Unternehmen Fremd- und/oder Eigenkapital in verschiedenen Risikoklassen zu Verfügung zur Verfügung gestellt werden. 

Dieser Fonds sollte in Abstimmung mit Vertretern des Mittelstands und der Beteiligungsindustrie ein Standardinformationsset und Vorgehen bestimmen, das zur Beurteilung des Risikos ausreichend ist. Für Unternehmen hätte dies den Vorteil, dass sie ihr Reporting und ihre Planungsberichte darauf entsprechend einstellen könnten. Dabei müssen zukunftsgerichtete Daten stärker in die Finanzierungsbeurteilung einfließen. Die derzeit im Einsatz befindlichen Ratingverfahren und Kreditwürdigkeitsprüfungen messen dem viel zu wenig Bedeutung bei.

Um eine solche oder ähnliche Initiative als Projekt wirkungsvoll zu starten, müssten sich Banken, Industrie und Regierung nur endlich einmal zusammenraufen und mit diesem peinlichen Schwarze-Peter-Spiel aufhören. Und es muss nach Monaten doch endlich auch einmal Funktionären und Politikern klar werden, dass die Finanzierungsklemme auch eine Eigenkapitalklemme ist.

Der Präsident des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes, Heinrich Haasis, war übrigens der erste Top-Banker, der das Thema Eigenkapitalklemme deutlich angesprochen hat (in seiner Rede auf der Bankentagung des Handelsblatts, nachzulesen auf S. 4 unten). Bedauerlicherweise gehört auch Haasis zu den Verbandsvertretern, die offenbar gern solche Vorschläge in Vorträge schreiben lassen, indes die Umsetzung solcher Vorschläge nicht ernst nehmen. Jedenfalls sind mir weitere Aktivitäten des Sparkassenverbands nicht bekannt.

Notwendig ist es daher, wenn Unternehmens- und Bankenverbände nun endlich Verantwortung und Initiative zeigen und strukturiert und mit Nachdruck die Themen abarbeiten und endlich aufhören an nicht eigenen Interessen entsprechenden Vorschlägen herumzunörgeln (beispielhaft für dieses Schwarze-Peter-Spiel hier in der FAZ). Vorschläge umzusetzen ist nämlich deutlich anspruchsvoller als Aktivitäten in Sonntagsreden zu fordern und bestehende Vorschläge zu kritisieren.

Ich kenne die Zusammensetzung der Runde im Kanzleramt nicht, aber ich schlage Frau Merkel vor, einfach ein paar Leute dazu zu hohlen und die reinen Schönredner, Netzwerker, sich Hinterstatistikenverstecker und Nurskeptikeraberkeineeigenenvorschlägemacher wieder auszuladen. Ich will nicht mehr wissen, warum etwas nicht geht, sondern halte es für notwendig, dass sich endlich Menschen zusammentun, die Ideen haben. Es gibt nämliche viele kluge Vorschläge, um die Finanzierungsprobleme zu lösen. Von folgenden Personen weiß ich, dass sie für interessante Vorschläge stehen:

Um es noch etwas praxisnaher hinzubekommen würde ich noch einladen:

  • ein oder zwei Vertreter von Beteiligungsgesellschaften,
  • ein oder zwei Vertreter von mittelständischen Unternehmen und vielleicht einer IHK (hier mache ich gern Vorschläge)
  • und gern lasse ich mich auch dazu einladen, weil ich sowohl die praktischen Themen der Banken, die Probleme im Mittelstand und die Bedürfnisse von Investoren kenne. 

Vielleicht ist die Gruppe schon fast zu groß. Aber es sind alles Leute, die umsetzbare Ideen haben. Das Lamentieren, Bedauern und Beklagen hilft niemanden mehr. Die Gruppe sollte erst wieder gehen dürfen, wenn wirklich konkrete Umsetzungsschritte mit zugeordneten Verantwortlichkeiten vereinbart sind. Das solche Runden möglich sind, zeigen die Krisensitzungen zur Finanzkrise und die ominösen Opelrunden. Gerade die mittelständischen Unternehmen, die bekanntlich das Rückgrat der Wirtschaft darstellen, haben es verdient, dass man sich endlich engagiert für sie einsetzt. Verlassen sollten sie sich freilich nicht darauf.

Weitere Artikel

Blick Log: Alte Ideen gegen die Finanzierungsklemme des Mittelstands wieder aufgefrischt

Blick Log: Eigenkapitalfinanzierung 2.0: Wie man Unternehmen mit Risikokapital fördern kann

Blick Log: Die KfW weiß es schon: Wirtschaftskrise belastet Eigenkapital der Unternehmen

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Blick Log: Beerdigt den Streit um die Kreditklemme: Es geht nämlich anders und besser

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