Debatte über die Lösungsvorschläge zur Schuldenkrise (2): Transfers und ökonomisches Chaos

by Dirk Elsner on 28. Juni 2012

Im letzten Beitrag hatte ich geschrieben, dass niemand sicher sein kann, dass die verschiedenen Politikansätze, die derzeit auf internationaler Bühne diskutiert werden, tatsächlich wie beabsichtigt wirken.

In zu 1. hatte ich erklärt, dass nach meiner Auffassung sich sowohl die Austeritätsbefürworter als auch die Wachstumsprogrammfans auf das Prinzip Hoffnung stützen. Beide Seiten haben sich zwar mit entsprechenden theoretischen Modellen und empirischen Belegen bewaffnet, es gibt aber keinen zwingenden Determinismus, der den Schluss zulässt, dass so die Euro- und Schuldenkrise gelöst werden kann. Dr. Stefan Eichner geht in einem Kommentar sogar noch einen Schritt weiter und spricht davon, dass die beiden Ansätze (Austerität vs. Wachstum) garantiert nicht wirken

Wenn man auf das Prinzip Hoffnung der im letzten Beitrag genannten und weiterer Politikinstrumente setzt oder gleich erwartet, dass weder Austerität noch Wachstumsprogramme zum Erfolg führen oder die jeweiligen Werkzeuge aus anderen Gründen ablehnt, dann muss man zu 2. Transferzahlungen ohne Gegenleistungen bereit sein oder man nimmt “ökonomisches Chaos” in Kauf (siehe 3.). Ob das wirklich so bedrohlich ist, wie es klingt, ist freilich nicht klar. Wir waren in den vergangenen Jahren ständig Bedrohungsszenarien ausgesetzt, die letztlich alle nicht eingetreten sind. Daraus aber zu schließen, es wird alles gut, könnte sich als fatal erweisen. Bei mir verfestigt sich eher der Eindruck, dass “wir” hier in Deutschland die Eurokrise erheblich unterschätzen. Simon Tilford machte im Blog “Centre for European Reform” einen “sense of invulnerability” in Deutschland aus. Wir sind nicht unverwundbar, sondern anfälliger als das viele glauben. 

zu 2. Transferzahlungen

Diese Forderungen nach Transfers werden immer stärker. Meist werden sie noch hinter zahlreichen mächtig klingenden Begriffskonstruktionen verschleiert. Letztlich laufen aber aktuell sowohl die staatlichen Rettungsfonds, eine Fiskal- und Bankenunion, ein Schuldentilgungsfonds, sogar die Target-Salden oder was auch immer, alle auf Transfers hinaus. Es ist nämlich überhaupt nicht erkennbar, dass die vereinbarten Gegenleistung von den Krisenstaaten tatsächlich irgendwann einmal zu Realwerten erbracht werden können.

Ökonomisch liegt übrigens auch dann Transfers vor, wenn die Zinsen durch die Haftung eines Dritten gesenkt werden. So wird gern verdrängt, dass die Steuerzahler massiv die internationalen Banken dadurch stützen, dass

  • staatliche Rettungsfonds die Schuldner der Banken retten
  • die Staaten sogenannte implizite Rettungsversprechen gegegeben haben, die es Banken erlauben, sich günstiger zu verschulden (siehe dazu “Wie Steuerzahler die Banken füttern
  • die Zentralbanken zu Minikonditionen den Banken die Refianzierung ermöglichen
  • staatliche Rettungsfonds sich direkt an Banken beteiligen oder ihnen Garantien geben.

Mit diesen Transferzahlungen und auch der angedachten Bankenunion soll den Banken u.a. weiterhin die Finanzierung der Doppeldefizite (Leistungsbilanz und Staatsschulden) ermöglicht werden.

Ebenfalls liegen nach meiner Auffassung verdeckte Transfers vor, wenn durch expansive Geldpolitik eine erhöhte Inflation in Kauf genommen wird. Verträge von Gläubigern, Arbeitnehmern und anderen Anspruchsinhabern können nicht so schnell angepasst werden, sie erleiden daher oft einen Vermögensverlust.

Aus den genannten Maßnahmen wird eine wie auch immer gearteten Stabilisierung der Finanzmärkte erwartet. Letztlich führen sie aber zu einer Verlängerung der Leistungsbilanzkrise, wenn nicht parallel Maßnahmen ergriffen werden, die Leistungsbilanzen wieder in Einklang zu bringen.

Daneben nützen die europäischen Rettungsfonds zunächst einmal neben den oben bereits erwähnten Banken auch den Gläubigern, die meist gerade nicht in den Problemländern sitzen. Sie haben aus welchen Gründen auch immer zu leichtfertig Kredit vergeben. EFSF oder ESM sorgen prinzipiell dafür, dass die ursprünglichen privaten Gläubiger, die Konsequenzen der von ihnen eingegangenen Risiken nicht tragen müssen. Eine Beteiligung der Gläubiger, um die von ihnen eingegangenen Risiken zu sanktionieren, habe ich übrigens immer für angemessen gehalten. Nach dem griechischem Schuldenschnitt wird dies aktuell aber nicht mehr diskutiert.

Vor dem Hintergrund der Leistungsbilanzkrise können hier aber eigentlich nur Transfers Sinn machen, die direkt die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Volkswirtschaft erhöhen, also z.B. in neuen Technologien gesteckt werden. Das Dilemma hier: Die EU hat dazu meist ganz bestimmte Vorstellungen, wie solche direkten Transfern etwa im Sinne von Investitionsfonds verwendet werden sollen. So soll nach einem Bericht von ZEIT Online eine Task Force mit Mitteln ausgestattet werden, beispielsweise um Investitionen in die Solarenergie zu fördern oder die Logistik an den Häfen auszubauen. Ob staatliche Institutionen jedoch besser wissen, in welchen Sektoren “richtig” investiert werden sollte, darf man bezweifeln.

zu 3. ökonomisches Chaos und Ende der Eurozone

Vorschläge, wie die Auflösung der Währungsunion, das Einstellen aller Rettungsfondsaktivitäten oder der Austritt Deutschlands aus der Währungsunion sind hier im Landes vergleichsweise populär. Werden

  • alle oben diskutierten Hilfsmaßnahmen abgelehnt und
  • keine Alternativen Wege aufgezeigt oder
  • führen diese nicht zum Erfolg und/oder
  • werden Transfers irgendwann politische nicht mehr akzeptiert,

dann führt das nahezu zwangsläufig zunächst zu einer Situation, die ich hier “ökonomisches Chaos” bezeichne. Ich bezeichne sie vorläufig deswegen so, weil es zwar allerlei Szenarien gibt, aber tatsächlich nicht wirklich klar zu sein scheint, was dann konkret passiert. So würden plötzlich sehr viele bestehende Wirtschaftsbeziehungen zerstört werden, weil keine Gegenleistungen mehr erbracht werden können. Deutsche Vermögenspositionen im EU-Ausland sind akut gefährdet. Ein Weiterbestehen der Währungsunion wäre unmöglich, weil einigen Staaten sogar technisch der Zugang zu Geld versperrt wäre. Es bliebe nur der Ausweg, wieder auf eigene Währungen umzustellen.

Ich habe gerade erst angefangen, Texte zu sammeln, die sich mit den konkreten Konsequenzen eines Ende der Eurozone befassen.

Einzelne Teile in solchen Lesestücken mögen plausibel klingen, mir ist das jedoch noch nicht klar genug. Übrigens genau so wenig sind mir Forderungen zur Rückkehr nach einem Goldstandard oder was auch immer plausibel. Außer, dass sich die Goldkäufer darüber freuen, kann ich darin derzeit keinen besonderen Mehrwert erkennen. Keines der oben genannten Probleme  wird nämlich dadurch gelöst. Ich mag mir da heute aber noch kein abschließendes Urteil erlauben.

Interessanterweise folgt aus diesen Bedrohungsszenarien nicht, dass zwingend die unter 1. und 2. genannten Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Aber irgend etwas wird passieren müssen. Manche glauben, auf alle Stützungsmaßnahmen zu verzichten, sei marktgerecht und eine logische Konsequenz aus dem Scheitern der Währungsunion und sollten daher sofort angegangen werden. Dennoch, aufgrund der Vernetzung der europäischen Realwirtschaft und der in den Wirkungen unbekannten Finanzmarktrisiken drohen hier ebenfalls sehr hohe ökonomische Risiken mit noch vollkommen unbekannten Konsequenzen. Diese wird sowohl unsere Wirtschaft in Form von nachhaltigen Nachfragerückgängen als auch die volkswirtschaftlichen Ersparnisse in Form von Rentenansprüchen, Bankguthaben, Wertpapieren etc. stark reduzieren.

Vorläufiges Fazit

Mein vorläufiges Fazit. Aktuell sind alle hier genannten Optionen, nämlich

1. Prinzip Hoffnung
2. Transfers
3. Auflösung der Währungsunion

nicht besonders attraktiv. Das irritiert mich. Vielleicht habe ich eine Option vergessen bzw. ignoriert oder unterschätze die positiven Wirkungen eingeleiteter Maßnahmen.

In jedem Fall sehen wir derzeit den verzweifelten Versuch der Politik fundamentale Konstruktionsfehler der Währungsunion (siehe dazu insbesondere soffisticated “Die Buddelkästen wirtschaftspolitischer Kommentatoren” und auch Paul Krugman in “Revenge of the Optimum Currency Area”) zu bereinigen. Alle Maßnahmen und  auch das Nichtstun bedeuten für Deutschland Einschnitte bzw. Veränderungen des Status Quo. Die durch die Exportüberschüsse vergangener Jahre aufgebauten Forderungen Deutschlands gegenüber den Krisenstaaten werden so oder so stark im Wert reduziert. Was man früher durch eine Abwertung der jeweiligen Landeswährung verloren hat, wird nun auf andere Weise im Wert reduziert oder durch Transferzahlungen kompensiert. Die deutsche Wettbewerbsposition wird sich relativ verschlechtern und die Handelsaktivitäten innerhalb der europäischen Union verändern. Deutschland kann sich nicht zurücklehnen und die anderen machen lassen.

Fortsetzung muss folgen.

Weitere Beiträge im Blick Log aus den letzten Wochen zur Schuldenkrisendebatte

Debatte über die Lösungsvorschläge zur Schuldenkrise (1): Prinzip Hoffnung

Ein Kern der Eurokrise in einer Grafik: Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz

Meine vorläufige Kriterienliste zur Euroschuldenkrise und Austeritätsdebatte

Meine sechs Punkte zum Verstehen der Debatte zur europäischen Schuldenkrise

Warum mich die Austerität-Debatte wirklich nervt 

Nachtrag zur Austeritätsdebatte zum Wirtschaftsphilosophen und Wiesaussieht

Canabbaia Juni 29, 2012 um 19:14 Uhr

Die versprochene Fortsetzung müsste jene Frage stellen, die für mich einzig und allein entscheidend ist: Was kostet uns ein Zerfall der Eurozone, was kostet uns der Fortbestand?

Die WELT brachte neulich ein Interview mit drei (auslands-)griechischen Ökonomen u. d. T. „Deutschland muss anführen oder den Stecker ziehen“ (http://beltwild.blogspot.de/2012/06/griechenmund-tut-wahrheit-kund-zum-welt.html).

Der Focus hat die Aussagen von zwei der drei Ökonomen als Druck auf Merkel gedeutet (Deutschland soll die Euro-Zone retten. Ökonomen fordern Billionen für Euro-Rettung –
http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/deutschland-soll-die-euro-zone-retten-oeknomen-fordern-mehrere-billionen-fuer-euro-rettung_aid_774018.html).

In meinen Augen (Griechenmund tut Wahrheit kund! Zum WELT-Interview „Deutschland muss anführen oder den Stecker ziehen“ mit den (auslands-)griechischen Ökonomen Costas Azariadis, Nicholas Economides und Michael Haliassos – http://beltwild.blogspot.de/2012/06/griechenmund-tut-wahrheit-kund-zum-welt.html) beziffern sie aber ganz nüchtern die [vorläufigen: m. E. wird die Transferunion ein Dauerzustand; Vorbild: Italien/Mezzogiorno!] Eurettungskosten und fordern uns auf, eine Kosten-Nutzen-Abschätzung zu machen.

Diesen Aspekt vermisse ich im vorliegenden Blog-Eintrag, d. h. einen Ausblick auf die ‚Eurettungskosten‘. Aber vielleicht folgt der ja in der Fortsetzung?
Aus meiner Sicht wird ein Euro-Austritt das Fegefeuer.
Aber ein Verbleib wäre – die Hölle!

Dirk Elsner Juni 30, 2012 um 11:00 Uhr

Sorry, hat ein wenig bis zur Freischaltung gedauert. Aber wegen der Links ist der Kommentar in das Freigabeverfahren gerutscht.

Ich hatte ja geschrieben, dass diese Kosten fehlen. Ich vermisse sie ebenfalls und hätte sie ganz gern.
Ich glaube aber auch, dass sie derzeit niemand seriös schätzen kann. Schauen Sie doch mal auf den deutschen Auslandsvermögensstatus in den Daten der Bundesbank.
http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Statistiken/Termine/veroeffentlichungstermine_auslandsvermoegensstatus.html
Dort kann man sehr gut die Vermögenverquickung zwischen Deutschland und dem Ausland sehen. Sicher gibt es solche Daten auch noch für die EU.

Canabbaia Juni 30, 2012 um 11:59 Uhr

Logo, dass niemand die Kosten eines Eurozerfalls auf Heller und Cent abschätzen kann. Jedenfalls sind mit einem Zerfall „unsere“ Auslandsvermögen keineswegs enteignet.
Was man aber m. E. schon jetzt erkennen kann ist, dass der Hase in Richtung einer dauerhaften Transferunion läuft. (Siehe Mezzogiorno; aber auch Neue Bundesländer, Saarland, Bremen …)

Interne Abwertung in den einzelnen Volkswirtschaften wird es dann auch nicht mehr geben; Wettbewerbsnachteile muss dann halt ‚der reiche Onkel aus Berlin‘ ausgleichen.

Unter diesem Gesichtspunkt meine ich: Schnellstens raus aus dem Euro-Irrenhaus!

FDominicus Juli 1, 2012 um 09:21 Uhr

@Cannabia. Sie haben recht, auf den Cent kann man es nicht abschätzen aber vielleicht auf +/- 10 Mrd. Aber es ist zweitrangig, denn wir wissen eines mit Sicherheit es werden mit dem ESM mindesten 700 Mrd „mehr“. Und da es kein Limit für Nachforderungen gibt, wird es mit jedem neuen Kredit einfach nur teurer. Ohne das im Endeffekt das Ergebnis anders wäre eine wahrscheinlich vollständige Zerrütung des Geldes.

Wir wissen auch, daß die Politiker die gleichen Fehler machen wie vor WWK I. Nämlich Geld zu inflationieren und damit auch die Sparneigung kaputt zu machen. Ohne Sparen keine nachhaltigen Investitionen und somit geht es dahin…

Fakt ist auch wie vor WWK I sind die Löhne nach unten nominal inflexibel, was nur heißt es wird zu Rekordarbeitslolsigkeit kommen in den 30 ern waren 20 – 25% eine Katastrophe. Ich kann nicht sehen, daß es heute anders sein sollte. Spanien ist auf dem Weg, Griechenland sowieso. Und Frankreich wird kräfig nachziehen. Dem Märkten kann man Auswege nicht nehmen, man kann Sie nur früher öffnen oder aber sie werden „öffnen“. Die Eingriffe sind inzwischen mehr als vielfältig und damit staut sich ein Druck auf der sich irgendwann entladen wird. Und dann geht es ganz schnell ganz weit bergab und niemand „kontrolliert“ da noch irgend etwas.

FDominicus Juli 1, 2012 um 10:02 Uhr

Entschuldigung es fehlen ein paar 0 en also auf 1 Billion +/- könnte man hinkommen. Auch ziemlich pauschal kann man zumindest eine Schätzung abgeben. Die offiziellen Schulden betragen ca 20 Billionen

Für Deutschland „offiziell“ 2 Billionen die inoffiziellen ungefähr das 3 -4 fache
http://www.petersdurchblick.com/2012/04/der-deutsche-schuldenberg.html. Also dürften sich die Schulden insgesamt auf 60 – 80 Billionen belaufen. Man kann durchweg einfach davon ausgehen die Schulden wurden seit dem 2 WK angehäuft.

Das mir keine genauen Zahlen bekannt sind gehe ich einfach mal von 1- 2 Billionen Schulden nach WWK II aus. Wir haben also eine Schuldensteigerung von
rund 68 Billionen in 2012- 1945 = 67 Jahre. Die Steigerung beträgt also das 34 fache. Oder auf’s Jahr umgelegt irgendwo zwischen 12 – 13 %. Real ging es wenn wir von 3.5 % Wachstum im Schnitt ausgehen um das 10 – fache nach oben.

Ergo sind das 24 fache heiße Luft. Was dann inoffiziell 24 * 2 = 48 Billionen ausmacht. Gehen wir von 1/3 als offizielle Zahlen aus haben wir auch eine untere Grenze nämlich 16 Billionen. Der Schuldenwahnsinn kostet uns also nach meinem dafürhalten 48 Billionen. (der unteren Grenze traue ich überhaupt nicht) Das wir groß gerechnet 10 % davon auf unsere Kappe nehmen müssen (Tendenz ganz klar steigend) belaufen sich unsere Kosten (derzeit) auf mindestens 4,8 Billionen. Bei einem Haushalt irgendwo um 300 Mrd. ist das sicher ein schlechtes Verhältnis.

Damit scheine ich ganz gut zu liegen denn die offiziellen Schulden in Griechenland betrugen ja irgendwo um 300 Mrd. Inzwischen sind wir soweit mir bekannt bei 700 Mrd angekommen. Es ist noch kein Ende in Sicht und wir sind schon beim doppelten der „offiziellen“ Schulden angekommen. Es sind noch 300 Mrd Luft vorhanden um auf meine Zahlen zu kommen. Ich denke damit liege ich ganz „passabel“.

Eine andere Überschlagsrechnung ist es sich die Zahlen der „Assets“ der Fed anzuschauen dort gibt es eine durschnittliche Steigerung um ca 13 -14 % im Jahr. Die Differenz zum Schuldenwachstum des Staates beträgt „nur“ 2-3 %“. Man kann also die Zahlen durchaus für die Vergangenheit zurückrechnen und wird wahrscheinlich auf ähnliche Ergebnisse kommen. Kurioserweise kann man vielleicht festhalten das Schuldenwachstum des Staates + Preissteigerung = Geldmengenwachstum. Wäre mal interessant das tabellarisch/grafisch aufbereitet zu sehen…

Man kann durchaus feststellen, Staaten haben seltenst Ihre Schulden bezahlt sondern kamen über die Runden weil es Zeiten gab wo sie sich weniger neu verschuldeten als es dem Wirtschaftswachsum entsprach. Auch hier müsste man versuchen festzustellen wann und wo dieses auftrat. Dieses Verhältniss ist aber mit Sicherheit seit 20 Jahren nicht mehr gegeben. Was nur heißt die „Zinsfalle“ schnappt zu. Man muß immer mehr neue Schulden aufwenden um andere rollierend auszugleichen.

Also liebes Blicklog, Sie kommen doch immer so schön an Zahlen 😉

Canabbaia Juli 1, 2012 um 11:39 Uhr

Das Problem – rechnerisch wie insbesondere leider innenpolitisch – bei den Euhaftungsrisiken ist der Umstand, dass wir für kurze Freude („Befreiungsschlag“ am Kapitalmarkt) mit ewiger Reue (Transferunion) bezahlen werden.
Was das kostet, könnte man der Dimension nach abzuschätzen versuchen, indem man die Transferzahlungen Norditaliens für seinen maroden Mezzogiorno heranzieht.
Oder unsere eigenen Leistungen für Bremer Space Center-Träume (vgl. aktuell FAZ-Kommentar „Zentralwahn“ von Rainer Hank – http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/europaeische-schuldenunion-zentralwahn-11805165.html).

Wir (ich rechne Sie aufgrund Ihres Kommentars dazu) Gegner der Eurettungsfetischisten sollten m. E. ehrlich kommunizieren, wie sich die finanziellen Alternativen für Deutschland darstellen: Schmerzhaftes Fegefeuer bei einem Eurozonenzerfall; ewige Hölle, wenn wir sie erhalten wollen.

Ich selbst habe lange gebraucht um einzusehen, dass ein wahres Leben im falschen nicht möglich ist: Der Fortbestand der Eurozone ist notwendig identisch mit einer Transferunion und der Ausblutung Deutschlands (und der anderen – relativen – ‚Solidländer‘).
Deshalb:
Befreit euch aus dem EZ des Kapitalsozialismus! Verjagt die Berliner Politwärter des Euro-EntZiehungslagers (und ihre medialen Schläferhunde)!

FDominicus Juli 2, 2012 um 08:19 Uhr

Ich möchte eine kleine Ergänzung hinzufügen. Im Euro bleiben wird und mehr Kosten weil
a) der Ausstieg irgendwann sowieso kommt
b) wir uns immer um unser eigenen Schulden kümmern werden müssen. (Wer glaube wir würden Unterstützung finden

Wir können die bisherigen Kosten also einfach auf die Kosten „aufschlagen“ die das Euro Ende für uns bedeutet. Gehen wir mal einfach davon aus wir bewegen uns inzwischen auf 1 Billion an Hilfen zu. Deutschland trägt davon ein Drittel (grob gerechnet) also haben wir inzwischen folgende realisierten Kosten
333 Mrd
und Kosten die wir noch tragen werden müssen (Ausstiegskosten). Also ist der Verbleibt jetzt schon eine Drittel Billion teurer.

Die „Finanzausstattung“ des ESM reicht maximal 6 – 12 Monate. Also werden im Laufe dieses Jahres noch einige hundert Milliarden dazu kommen. In spätestens 3 Jahren dürfen die aktuellen Kosten für uns die Billionengrenze knacken. Mal sehen wie falsch ich liegen werde.

FDominicus Juli 3, 2012 um 06:15 Uhr

Ich beziehe mich auf einen Link:
„Deutschland sollte sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob es willens ist, die Euro-Zone überleben zu lassen. Falls ja, muss es folgende Schritte unternehmen: Die Garantien für den Rettungsschirm müssen verzehnfacht werden, um Italien und Spanien auffangen zu können. Zweitens muss Deutschland die Einführung von Euro-Bonds, also einer gemeinschaftliche Haftung, erlauben, etwa bis zu einer Schuldenquote bis zu 60 Prozent. Griechenland wird darüber hinaus einen weiteren Schuldenerlass benötigen.“

Der ESM beträgt 700 Mrd (ich habe darauf hingewiesen, daß es nur für maximal 6-12 Monate reichen kann) eine Verzehnfachung sind 7 Billionen. Davon tragen wird (solange kein anderes Land ausfällt ca 30%) also 2,1 Billionen.

Somit haben wir also die 4,8 Billonen aus meiner Überschlagsrechnung + 2,1 Billionen aus dem Rettungsschirm. Also kostet uns der zeitlich abzusehende Verbleib im Euro mindestens 50% mehr als wenn wir „den Stecker ziehen“…

Ich weiß diese Summen sind rein fiktive und selbst eine Verzehnfachung kann nicht „reichen“ wenn nicht das Neuanhäufen von Schulden unterbleibt. Und davon ist nirgendwo die Rede. Es geht also „nur“ darum wie können wir noch so weitermachen wie bisher….

Ulrich Fielitz Juni 29, 2012 um 08:43 Uhr

Es gibt übrigens zu den Target-2 Salden auch Stimmen, die es nicht so dramatisch sehen: wirtschaftswunder.ftd.de/2012/06/11/target-rumgejammer/

Mal im Ernst, der Börsenstart heute früh (29.06.2012, nach der „Einigung“ zum EU-Krisengipfel) inkl. dem Plus bei den Devisenpaaren EUR/JPY und EUR/USD spricht doch Bände, was der Markt will: Mehr Cash. Womit wir wieder wie oben beschrieben bei L. von Mises oder H. Hoppe „Wettbewerb der Gauner“ wären.
But the show must go on.

Canabbaia Juli 1, 2012 um 11:27 Uhr

„Es gibt übrigens zu den Target-2 Salden auch Stimmen, die es nicht so dramatisch sehen: wirtschaftswunder.ftd.de/2012/06/11/target-rumgejammer/“

Sie wollten sicherlich nicht ernsthaft das deutsche Zentralorgan des internationalen Kapitalsozialismus als autoritative Quelle für eine seriöse Einschätzung unserer Euhaftungsrisiken hinstellen, Herr Fielitz?
(Wobei ich nicht verkenne, dass das rosa Blättchen teilweise durchaus informativ ist – und gelegentlich sogar erfreulicher aggressiver als das manchmal etwas verschlafene Handelsblatt.)

FDominicus Juni 29, 2012 um 06:25 Uhr

Sie wollten doch alternative Vorschläge haben. Bitte besorgen Sie sich Rothbards
„The great american depression“ und lesen dort ungefähr bis S. 20. Da haben Sie eine Lösung.

Dirk Elsner Juni 29, 2012 um 07:35 Uhr

Danke für den Hinweis. Aber was hat denn denn der Rothbards konkret vorgeschlagen? Ich brauche mal so einen Tipp.

Zippo F Juni 29, 2012 um 07:44 Uhr

Der Schinken scheint etwas älter zu sein. Das Buch ist als PDF Download in der 5. Auflage über das Mises-Institut zum Download erhältlich
http://mises.org/rothbard/agd.pdf

Peter I Juni 29, 2012 um 07:56 Uhr

In dem Buch ist ab Seite 19 zu lesen:
„If government wishes to see a depression ended as quickly as possible, and the economy returned to normal prosperity, what course should it adopt? The first and clearest injunction is: don’t interfere with the market’s adjustment process. The more the government intervenes to delay the market’s adjustment, the longer and more grueling the depression will be, and the more difficult will be the road to com-
plete recovery. …“
In der Folge, so verstehe ich Rothbards Maßnahmen, zählt er verschiedenen Maßnahmen auf, die die Anpassungsprozesse erschweren. Da ist ja so ziemlich das gesamte Arsenal zu finden, was derzeit angewendet wird.
– Prevent or delay liquidation
– Inflate further
– Keep wage rates up
– Keep prices up
– Stimulate consumption and discourage saving
– Subsidize unemployment.

FDominicus Juni 30, 2012 um 07:39 Uhr

Peter I hat Ihnen ja die Auszüge geschickt und Thomas das zugehörige PDF und sogar die genaue Seitenangabe. Man kann schon sagen die Eurostaaten tun alles gegenteilige um die Krise fortzuschreiben. In der Tat wird ein Schrecken ohne Ende einem Ende mit Schrecken vorgezogen.

Wenn man sich so die Äußerungen div. EU-Leute anschaut, dann kann man durchaus feststellen: „Das scheint Methode“ zu haben. Junkers „lügen wenn es drauf ankommt“, Eingriffe in den Staatshaushalt, völlig Ausschaltung aller rechtsstaatlichen Mittel der Kontrolle etc. Auch wird uns ja immer eingeredet Armageddon = Euro-Untergang und wie Sie ja selber feststellten. Die Gleichung Euro = Europa.

FDominicus Juni 28, 2012 um 16:42 Uhr

Nun alle Wege aus dem Euro über die ich bisher so gelesen haben, gehen nur über Papiergeld. Was nur heißt alle VWLer wollen die Sparer enteignen. Und da bin ich sehr empfindlich.

Gold würde dieses Problem nicht haben. Kein Land kann Gold in irgendeiner Form beliebig vervielfältigen. Gold würde speziell diejenigen schützen die bei dem ganzen Kreditwahn nicht mitgemacht haben.

Weil das alle nicht wollten, habe ich immer betont. Im Augenblick ist der Euro für die Sparer der Länder auf der Kippe ein Segen. Mit den eigenen Fiat-Währungen ist der Weg m.E klar. Es geht über Inflation.

Sie können sehen, alle Politiker wollen sparen entgehen. Sie nennen es kaputtsparen und was auch immer. Aber Fakt ist nun mal eine Rekordverschuldung verlangt eine Rekordentstaatlichung. Auch das will keiner der Politiker in den angeschlagenen Ländern. Und damit ist es klar die Rufe nach „leichterem“ Kredit werden immer lauter.

Transfers würden auch nur auf ein hinauslaufen auf eine weitere Kreditexpansion. Denn es gibt doch kein Euro land was ohne Defizite auskommt. Also woher soll das Geld für Transfers kommen, es kann nur über neue Kredite kommen und wie das ausgeht hat Mises ganz klar formuliert:
„Es gibt keine Möglichkeit, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kreditexpansion erzeugt wurde. Die einzige Alternative lautet: Entweder die Krise entsteht früher durch die freiwillige Beendigung einer Kreditexpansion – oder sie entsteht später als finale und totale Katastrophe für das betreffende Währungssystem. “

Ob ESM, EFSF, Transferzahlungen es läuft nur auf eins hinaus mehr und billigeren Kredit um damit Löcher zu stopfen die Kredite gerissen haben.

Sie haben schon recht es gibt keinen „leichten“ Weg daraus. Alle drei aufgeführten Punkte laufen auf dasselbe hinaus weitere und billigere Kredite zu bekommen. Und das kann nicht funktionieren.

Entweder man akzeptiert die Realität das eben eine Kreditexpansion in Ewigkeit nicht funktioniert und zieht daraus die Konsequenzen, und stoppt die Kreditexpansion. Das heißt, daß eben nicht mehr beliebig Subventionen ausgeschüttet werden, es bedeute staatliche Firmen zu privatisieren. Es bedeutet die Korruption zu beenden. Es bedeutet Hindernisse für das Aufnehmen von wirtschaftlicher Tätigkeit aufzuheben. Es bedeutet weniger Einmischung in das Leben jedes Einzelnen. Es bedeutet auch zu sagen. „Wir sind pleite“ und da bedeutet nun mal auch die Gläubiger des Staates werden leer ausgehen.
Nichts wird uns das im Endeffekt ersparen.

Es muß vor allem das größte Problem angegangen werden. Die Möglichkeit beliebig Geld zu drucken. Gold ist da eine Lösung, die diesem Betrug und diesen Möglichkeiten ein Riegel vorschiebt. Dazu muß jeder Kredit 100 % durch Eigenkapital und/oder Zusagen von Sichteinlagenhaltern gedeckt sein. Alles andere fällt unter Kreditexpansion und muß früher oder später scheitern. Die völlig gedeckte Kreditvergabe heißt nämlich, es wurde tatsächlich etwas „gespart“ und nur dieses Geld seht wirklich für die Ausdehnung der Produktionskapazitäten „real“ zu Verfügung.

Der Euro als Papierzwangszahlungsmittel gehört weg. Wir brauchen Währungen die nicht beliebig inflationiert werden können. Alles andere ist „Scheinwohlstand“ und so ähnlich wie Mr Furfur. Auf die Weite ein Gigant in Wirklichkeit etwas bös ausgedrückt ein Zwerg.

Es ist klar dies wird auf heftigsten Widerstand der derzeitig profitierenden stoßen, als da wären Staaten als größte Schuldner und Banken die das neu geschaffene Geld immer zuerst in der Hand haben. Und daher werden nur Ihre drei Optionen überhaupt in Erwägung gezogen. Sie alle werden über kurz oder lang (in diesem Fall gehe ich von kürzer) aus scheitern…

Wer nun nach noch mehr Staat verlangt will sich dieser Realität nicht stellen. Wenn es nicht jetzt getan wird, wird es nur umso größere Verwerfungen später geben. Der Rubikon wurde von unseren Staaten in Ihrer derzeitigen Ausdehnung überschritten …..

Dirk Elsner Juni 28, 2012 um 13:20 Uhr

@Tim
Ich kann nicht erkennen, wie der Vorschlag wirken soll.
Den Ausgleich der Target-Salden kann man nicht einfach befehlen. Da hinter stecken real- und finanzwirtschaftliche Marktteilnehmer. Nur mit Importverboten und Kapitalverkehrskontrollen könnte man diese Salden per Gesetzgeber zurück drehen.

Tim Juni 29, 2012 um 08:54 Uhr

@ Dirk Elsner

Das größte Problem wäre wahrscheinlich die Neuverhandlung der Verträge. In den USA gibt es diesen Ausgleich zwischen den Fed-Bezirken, daran könnte man sich technisch orientieren. Was steht Ihrer Meinung nach einer Übernahme des amerikanischen Modells entgegen?

Tim Juni 28, 2012 um 07:00 Uhr

Vorschlag: Deutschland und die anderen Austeritätsstaaten verpflichten sich für die nächsten Jahre zu hohen Ausgleichszahlungen, gleichzeitig beginnt man, die Target-2-Salden regelmäßig auszugleichen, zumindest teilweise. Es ist klar, daß die Salden nicht von heute auf morgen ausgeglichen werden können, aber die Südstaaten brauchen unbedingt einen ökonomischen und fiskalischen Anreiz, den sie nicht aushebeln können. Eine Fiskalunion, wie sie jetzt im Gespräch ist, ist nicht das Papier wert, auf dem sie bald stehen wird. Europäischen Verträgen glaubt dort draußen in der Welt und hier drinnen in Europa kein Mensch mehr.

Der fehlende Saldenausgleich war ja vermutlich der dramatischste Konstruktionsfehler der Währungsunion, der meiner Meinung nach auch straf- und zivilrechtlich untersucht werden müßte. Es ist mir unbegreiflich, wie ein solcher Fehler geschehen konnte. Da kann man nicht mal mehr von grober Fahrlässigkeit sprechen.

Dirk Elsner Juli 1, 2012 um 15:10 Uhr

Ich teile die Einschätzung nicht, dass die Target-Salden ohne Risiko sind. Sie sind ein Ersatzkreditinstrument. Im Ergebnis werden darüber unsere Leistungsbilanzüberschüsse finanziert.

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