War das jetzt die Königsetappe der Schuldenkrise? Wohl nicht. Immerhin haben die Regierungschefs der EU gestern einen wichtigen Gipfel erklommen. Ob es für das Gelbe Trikot am Ende reicht, wird sich aber noch zeigen müssen. Aus meiner Sicht hat sich die EU gestern nur auf einen zaghaften Schuldenschnitt für Griechenland verständigt. Die Eurozone lässt die privaten Gläubiger weiter sehr stark im Windschatten der Steuerzahler fahren, sprich ihnen wird weiter ein großer Teil ihrer Risiken genommen. Vorläufige Dokumente sind diese hier (Danke egghat für das Auflisten):
- Daily Telegraph: Draft eurozone proposal document
- Stellungnahme der EU: STATEMENT BY THE HEADS OF STATE OR GOVERNMENT OF THE EURO AREA AND EU INSTITUTIONS (PDF!)
Nach den Berichten umfasst das neue zusätzliche Gesamtpaket 109 Mrd. Euro, der Nettobeitrag der privaten Gläubiger soll dabei 37 Mrd. Euro betragen, man wird wohl eher bis zu 37 Mrd. Euro sagen müssen. Der Privatsektor fährt voraussichtlich ausgesprochen gut mit der Lösung. Hätte sich die EU und insbesondere die Eurozone nicht, wie gesetzlich vorgesehen, in die Finanzierungsbeziehungen zwischen Land und Gläubiger gedrängt, dann wäre das Risiko für den Privatsektor deutlich höher gewesen. Abgelesen werden kann dieses Risiko bekanntlich am Preise für griechische Anleihen, die gestern bereits einen Satz nach oben gemacht haben.
Der Preis dieser Anleihe von unter 50% noch vor zwei Tagen signalisiert ein sehr hohes Risiko für die Investoren, die diese Anleihen halten und impliziert einen Schuldenschnitt von 50%. Jetzt dürfen die Investoren auf deutlich mehr hoffen. Diese Erwartung hatten gestern bereits die Märkte durch die starke Preissteigerung vorweg genommen.
Die 17 Euro-Ländern feiern sich, dass im Rahmen des Rettungspakets griechische Staatsanleihen im Wert von 32,6 Mrd. Euro zurückgekauft werden und “nur” 20 Mrd. Euro dafür bezahlt werden. Das entspricht immerhin einem durchschnittlichen Marktwert von über 60%, also deutlich mehr, als für diese Anleihen in dieser Woche am Markt bezahlt wurde.
Ob Gläubiger wirklich von dem Sonderangebot Gebrauch machen und das in der Umsetzung sehr komplizierte “freiwilligen” Umtauschprogramm nutzen, ist derzeit noch unklar. Die Frage ist nämlich, was passiert mit den Anleihen, die nicht umgetauscht werden. Werden die dann zwangskonvertiert?
So eine richtig epische Etappe ist der gestrige Gipfelsturm nach erster Einschätzung nicht gewesen, aber besser überhaupt mal ein Ergebnis, als diese ewigen Flachetappen in Form unendlich nervenden Debatten. Für eine intensivere Beurteilung müsste man mehr Informationen über die Regelungen und Umsetzungen haben. Ich denke, dazu werden in den nächsten Tagen entsprechende Informationen gestreut. Für weitere Lektüre verweise ich mal auf ältere Beiträge in diesem Blog, die angesichts der gefundenen Lösung, hoch aktuell bleiben und auf die ausgewählten Presseberichte. In jedem Fall ist das Rennen noch lange nicht beendet.
- Nach Notkrediten für Griechenland: Warum die Banken von der Beteiligung gem. des französischen Modells profitieren
- Wirkung des Ratings und des französischen Plans zur Gläubigerbeteiligung auf die Bankbilanzen
- Wenn Du ein Gläubiger bist, dann bist Du ein Gläubiger. Ausnahme, Du bist eine Bank
- Warum ein Schuldenschnitt für Griechenland und Portugal nicht schrecken soll (Beispielrechnung mit Haircut)
- Griechische Schuldenkrise: Politik hat sich in Retter-Rolle drängen lassen, dabei ist nicht ihr Job und verstößt gegen EU-Recht
Nachtrag
Die oben betrachtete Anleihe hat heute im Laufe des Tages einen weiteren ordentlichen Satz nach oben gemacht. “Die Märkte” haben also auf Basis der bisher nicht weiter konkretisierten Beschlüsse eine ausgezeichnete Chance gesehen, die Anleihen Griechenlands mit Gewinn umzutauschen.
Ich hoffe, dass man uns Steuerzahlern irgendwann in Nahe Zukunft einmal erklären wird, was man denn gestern genau beschlossen hat, bzw. wie man den Beschluss umsetzen wird.
Presse- und Blogberichte
HB: BundesbankWeidmann kritisiert Griechenland-Plan scharf: Bundesbankchef Weidmann lässt kein gutes Haar an den Beschlüssen des Euro-Gipfels: Der Rettungsplan für Griechenland schwäche die Grundlagen der Währungsunion. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet verteidigt die Notenbank.
HB: Die vertane Chance der Euro-Retter: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sieht die Griechenland-Beschlüsse als unkalkulierbares Risiko für die Euro-Zone. Warum, erläutern die DIW-Experten Belke und Dreger in einem Gastbeitrag.
FAZ: Einigung bei EU-Gipfel – Neues Hilfspaket für Griechenland: Die Euro-Staaten haben sich auf ein zweites Hilfspaket für Griechenland geeinigt. Dabei beteiligen sich erstmals auch private Gläubiger. Ihr Anteil am Gesamtpaket von 109 Milliarden Euro soll 37 Milliarden Euro betragen.
egghat: Der zweite Default für Griechenland, der erste für Irland und Portugal
Lostgen: Eurozone Summit Draft – Mein Kommentar
Weissgarnix: Schatz, es ist nicht so, wie du denkst …
HB: Griechenland-Rettung – Banken sollen Milliardenbeitrag leisten: Die Euro-Staaten haben sich auf einen Rettungsplan für Griechenland geeinigt. Das neue Hilfspaket wird mehr als 100 Milliarden schwer sein. Auch der Privatsektor soll einen großen Beitrag leisten.
SZ: Wie die EU Griechenland retten will— Und vergib uns unseren Schuldenberg : „Griechenland ist in einer einzigartig ernsten Situation im Euroraum“, stellt die Abschlusserklärung des EU-Sondergipfels fest. Die Griechen wissen, dass sie die Milliardenkredite alleine niemals abtragen können. Nun kann Athen erstmals das Geld aus den Notkrediten viel länger behalten als bisher. Doch diese Erleichterung alleine reicht nicht.
FTD: Gipfel in Brüssel – Das ist der Euro-Rettungsplan: Der Euro-Sondergipfel hat ein neues Programm zur Rettung Griechenlands und zur Hilfe für weitere Staaten beschlossen. Kern ist eine erweiterte Funktion des Rettungsfonds EFSF. Eine Analyse
Spon: Euro-Sondergipfel – Sarkozy drückt Europäischen Währungsfonds durch: Die Euro-Regierungschefs haben das zweite Griechenland-Paket beschlossen, private Gläubiger beteiligen sich mit einer erstaunlich hohen Summe – ein Erfolg für Angela Merkel. Die Kanzlerin musste aber auch eine Niederlage hinnehmen: Die Euro-Zone macht einen weiteren Schritt Richtung Transfer-Union
Business Insider: STOCKS EXPLODE AS WORLD GOES DEBT DEAL CRAZY: Here’s What You Need To Know
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