Chapeau für US-“Bad-Bank”-Vorschläge

by Dirk Elsner on 11. Februar 2009

very toxic...

Gift muss gekennzeichnet werden (Foto: flickr/gonzales2010)

Zum wiederholten Mal entsteht der Eindruck, die USA zeigen Europa und Deutschland mal wieder wie man pragmatisch die Herausforderungen im Bankgewerbe anpackt. Europäische Wirtschaftspolitiker, die die Bankenkrise nicht richtig in den Griff bekommen, werden so zu Amateuren degradiert. Dies gilt insbesondere dem Werkeln hierzulande an den Bad-Bank-Plänen. Die USA haben nun ein rundes Konzept vorgelegt mit einer intelligenten Lösung für die toxischen Wertpapiere. Die Reaktion der US-Märkte ist dagegen eine Schande (siehe dazu eigenen Beitrag hier)  für die Branche und zeigt, dass sie nichts verstanden hat.

Intelligenter US-Vorschlag

Der Vorschlag der US-Administration ist konzeptionell rund und basiert auf der Grundlage, dass die sogenannten toxischen Assets gar nicht so toxisch sind, wie ich mehrfach in diesem Blog herausgearbeitet habe. Am Ende könnte sich nämlich herausstellen, dass die toxischen Wertpapiere viel mehr wert sind als ihre aktuellen Marktwerte. Und tatsächlich spricht viel dafür, dass die Marktwerte verbriefter Forderungspakete deutlich unter ihren “inneren Werten” notieren. Zuletzt habe ich versucht, dies in dem Beitrag “Das Gift für die schlechten Banken (Teil 2): Wie giftig ist das Gift?” herauszuarbeiten.

Man muss die Bewertungsfrage stellen und …

Erstaunlich ist, dass man weder über Medienberichten noch über Nachfragen bei Spezialisten vernünftige Aussagen zur Bewertung toxischer Assets erhält. Das erstaunliche ist nicht, dass sie keine Werte kennen, sondern, dass sie sich die Frage nach ihren tatsächlichen Werten bisher gar nicht stellen. Die zentrale Frage lautet nämlich, wie hoch ist die tatsächliche Ausfallquote der originären Forderungen, die in den ABS-Papieren verbrieft sind.

Warum diese Frage so wichtig ist zeigt der Fall von Bewertungsdifferenzen eines mit Immobilien abgesicherten Bonds. Zwei Autoren nennen dazu in der New York Times ein Beispiel für ein MBS-Papier. Dieses mit Immobilienkrediten besicherte Asset Backed Security wird von der Bank, der es gehört, intern mit 97% bewertet, was vermutlich zu hoch ist. Standard & Poor schätzt das Papier auf 87% basierend auf den gegenwärtigen Ausfallraten. Es könnte auf bis zu 57% heruntergestuft werden, wenn sich die Rahmenbedingungen weiter verdüstern und sich die Ausfallquoten verdoppeln.  Interessant aber jetzt, dass dieses Papier am Markt für 38% gehandelt wird und damit sehr hohe Risikoprämien signalisiert, die den düstereren Erwartungen von Investoren aber auch einer nicht mehr vorhandenen Liquidität am Markt geschuldet sind.

Dieses Beispiel ist deswegen so wichtig, weil Banken in diesem Fall das Papier zu 38% in ihrer Bilanz ansetzten müssen, wenn sie das Papier im Handelsbestand halten und keine Bewertungserleichterungen in Anspruch nehmen. Hier darf man sich zurecht fragen, ob man tatsächlich die dunkelsten Erwartungen und die mangelnde Liquidität des ABS-Marktes als Bewertungsbasis verwenden sollte.

… die toxischen Papiere durch Käufer bewerten lassen

Natürlich ist die Bewertung der toxischen Assets ein Riesenproblem. Niemand erwartet, dass ausgerechnet staatliche Stellen dies besser können als viele Banken, die an der Bewertung ebenfalls gescheitert sind.

Der Weg, den nun die US-Regierung gehen will, ist genau die richtige Antwort auf diese Bewertungsfrage. Wenn die Einschätzung nämlich richtig ist, dass viele toxische Papiere stark unterbewertet sind, dann lohnt sich der Kauf dieser Instrumente. Und tatsächlich gibt es immer mehr institutionelle Investoren, die hier zugreifen. Anders hätten Deutsche Institute bisher nicht große Bestände ihrer Kreditderivate verkaufen können. Die Institute kennen übrigens die Käufer. Ich leider nicht.

Die USA-Administration erleichtert den Verkauf dieser Assets an Investoren, in dem sie eine Art Floor bieten  und den Käufern einen Mindestwert garantieren. Der kann sich allerdings nicht auf einen Marktwert beziehen, sondern wird sich auf die erwarteten Zins- und Tilgungsleistungen der Papiere beziehen. Ich schätze, man wird auf Basis der Marktwerte einen Zahlungsstrom berechnen, der bis zur Fälligkeit aus den Papieren folgen muss. Wird der nicht erreicht, dann trägt die Regierung die Differenz.

Flankierende Maßnahmen zur Stabilisierung

Zusätzlich werden die in den toxischen Wertpapieren verbrieften Forderungen sicherer gemacht durch Kapitalspritzen für Banken und Hilfen für Immobilienbesitzer sein. Das Handelsblatt schreibt dazu

“So sollen die betroffenen Banken sich verpflichten, von der Zwangsvollstreckung betroffenen Häuslebauern mit neuen Hypothekenkonditionen entgegenzukommen. Um den Teufelskreis aus sinkenden Häuserpreisen, Überschuldung der Hypothekennehmer und Zwangsversteigerungen und den dadurch ausgelösten weiteren Hauspreisverfall zu durchbrechen, sind weitere Maßnahmen geplant. So sollen die staatlichen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac, die mehr als die Hälfte des US-Hypothekenmarktes in ihren Büchern haben, bis zu 100 Mrd. Dollar erhalten, um den Schuldnern bessere Konditionen einräumen zu können.

Teil des Geithner-Plans soll Berichten zufolge auch die Ausdehnung des bereits angekündigten Anleiheaufkaufprogramms der US-Notenbank, Talf, sein. Talf soll nun auch mit Gewerbeimmobilien gedeckte Anleihen (CMBS) umfassen. Der sechs Billionen Dollar schwere Markt für CMBS leidet in der Rezession unter dem Verfall der Preise für Bürogebäude und Einkaufszentren. Deren Besitzer brauchen dringend neue Kredite, um Insolvenzen zu vermeiden. Zudem stehen 2009 bis zu 600 Mrd. Dollar an Krediten zur Umschuldung an.”

Das Riesenkonjunkturprogramm wird außerdem dafür sorgen, dass die Fähigkeit, Schulden zu tilgen, wieder zunimmt.

In der Summe werden zwar nicht alle als Subprime vergebenen Darlehen zu 100% getilgt werden können, die Ausfallquoten werden aber wesentlich geringer sein als dies die aktuellen Bewertungen implizieren. Wer also auf die Erholung setzt, der könnte jetzt auch toxische Papiere kaufen und sich über die nächsten Jahre an der Entgiftung erfreuen. Natürlich bleibt ein Risiko bei diesen Vorschlägen, nämlich dass alles kollabiert. Aber dann hilft es nicht einmal, wenn man sein Geld in Gold angelegt hat.

Fazit

Dieser Plan ist das bisher intelligenteste Konzept zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Er zeigt, dass die US-Administration sich intensiv mit der Funktionsweise der Finanzmärkte und dem Verhalten ihrer Akteure auseinandergesetzt hat. Sie will die Finanzmärkte nicht bekämpfen, wie sich das vielleicht viele gewünscht hätten. Sie zwingt aber die Finanzmärkte nun endlich Verantwortung zu zeigen. Dazu hilft sie den Gestrauchelten auf die Beine. Gehen müssen sie aber allein.

Chapeau Obama und Geithner

Weitere Beiträge in anderen Medien und Blogs

HB: US-Regierung auf Billionen-Rettungskurs

NYT: Bailout Plan: $2.5 Trillion and a Strong U.S. Hand

BV: Und der Verlierer ist: Der US-Steuerzahler

WSJ: Full text: Geithner’s remarks on financial plan

FTD: Geithner bleibt Details schuldig

FTD: US-Rettungspaket – Feuer frei in Washington

Spon: US- Regierung will Finanzmärkte mit Billionen- Dollar- Plan wiederbeleben

WSJ: Treasury fact sheet
WSJ: Econ: Live Blogging Geithner at the Senate
WSJ: Economists React: Plan Fails to Satisfy
WSJ: Main Street: A Banker Fumes at Bailout

NYT: Geithner Details New Bank Rescue Plan

WSJ: Treasury Aims To Strengthen Banks

HB: Verbriefungsmarkt: Gefangen in der Zeitschleife

Welt: EU und USA Staatliche „Bad Bank“ hat kaum noch Chancen

HB: Rettungsplan: USA wollen Hilfen von Privatinvestoren

Duckhome: Island: Gegen eine Entschädigung deutscher Kaupthing Sparer

FTD: Bad-Bank-DiskussionPure Panik in allen Varianten

BV: US-Rettungspläne Tarp-Rückzahlung: Keine Eile nötig

Egghat: USA: Neues 1,5 Billionen Dollar Rettungsprogramm!!!

Querschüsse: „Weitere 2 Billionen Dollar fürs US-Finanzsystem“

HB: Geithner-Pläne lassen US-Börsen abstürzen

Hintergrundbeiträge zum Thema im Blick Log

Hier habe ich noch einmal die wichtigsten Beiträge des Blick Logs zum Thema Kreditderivate und ihrer Bewertung zusammengestellt.

Blick Log: Das Gift für die schlechten Banken (Teil 2): Wie giftig ist das Gift?

Blick Log: Das Gift für die schlechten Banken (Teil 1): Was steckt in den Bilanzen

Blick Log: Der “Giftmüll” der Finanzkrise: Collateralized Debt Obligation

Blick Log: Hintergrund: Asset Backed Securities und die Subprime-Krise

Blick Log: Wie die Banken sich schlecht rechnen

Blick Log: Warum die angekündigten Horrorabschlüsse der Banken uns nicht schrecken sollten

Blick Log: Deutsche Bank: Kreditderivate können Highlight von Q1 werden

Blick Log: Einmaleins der Kreditderivate

Blick Log: Der “Giftmüll” der Finanzkrise: Collateralized Debt Obligation

Joss Februar 11, 2009 um 09:56 Uhr

Erlaube mir einen Hinweis auf ein paar von oben angesprochenem Thema unabhaengige
Aspekte eher allgemeiner Natur.
Einmal: Finanzhistoriker Charles R. Geisst hat etliche Buecher geschrieben. Eines davon:
(die meisten nur in engl. Sprache zu haben), zu einer allf. Kurzeinsicht / Beschreibung
hier, nur fuer einen ersten Eindruck, ein Link zu einem Buchversand:
Undue Influence
http://books.global-investor.com/books/20237/Charles-R.-Geisst/Undue-Influence/
bzw. wer +Undue Influence: Charles R. Geisst+ ….googelt erhaelt dazu u.a. auch den
Eintrag von Google Books, etwas ausfuehrlicher. (Leider wollte Link nicht klappen, hat
wohl mit Domain oder so zu tun)

In diesem Buch beschreibt Geisst achtzig Jahre lange Lobby – Aktivitaet der Wall Street
und weist auch auf die moeglichen Probleme hin. Da ja innerhalb weniger Jahre
tatsaechlich mehr als akut wurden.
(Geisst hat einen m. E. sehr angenehmen Stil zu schreiben, er erzaehlt ersten sehr
leicht nachvollziehbar und kenntnis wie was lief. Und zweitens ohne Links –
Intellektuellen Jammer, falls das ein Kriterium sein sollte.)
Da lief in den letzten Jahren insgesamt ziemlich viel. Daraus resultierte dann
auch das Kredo der „freien Finanzmaerkte“ (dh. die Freiheit von Eigenkapitalquoten,
Transparenz, usw.). Den Anlegern weltweit wurde diese Freiheit erst mal so eingeredet
dass viele der Meinung waren, derartige Kriterien und Standards wuerden ihre
moeglichen Profite gefaehrden, verunmoeglichen, usw. – Ein wenig dieser Freiheit
ist mittlerweile ganz zurecht Sache der Strafrechtspflege, die abekanntlich auch erst
angekurbelt werden muss. Und zwar wirklich begruendet anhand dessen, was da
zu Tage kam.
Und auf der Seite die Politiker. In den USA machen derzeit so ziemlich alle Politiker,
Demokraten wie Republikaner, den CEO’s der Banken das Leben schwer, stellen
schwierige Fragen. Es gibt natuerlich divergierende Ansichten in Detailfragen, etc.,
aber die vorgeladenen CEO’s haben es, zusammenfassend, mit erwaehnten schweren
Fragen zu tun.
Darin zeigt sich die Unberechenbarkeit der Politik, etwa jene von Republikanern, die
vor nicht allzu langer Zeit noch den Lobbyisten die Mauer machten und jetzt ur-
ploetzlich den Bankchefs Dampf machen.
Eine Rolle spielt dabei natuerlich vox populi. Die Amerikaner sind in mancher Hinsicht
etwas aktiver, lassen ihre Abgeordneten wissen, was sie von ihnen erwarten, was
nicht zu tolerieren ist. usw. Also wenn die Politker in Washington jetzt mal ganz
anders agieren, hat das auf jeden Fall mit Protesten seitens der Waehler zu tun.
Das gilt uebrigen genauso fuer die eher konservativen Waehler. Die sind, blase
formuliert, nicht immer ganz so dumm wie das vielleicht dargestellt wird. Eher
aehnlich deutschen Unternehmern, die sich begruendet wegen was beschweren.
Die wissen ja auch konkret, worum es da geht.

Man kann also, ausgehend von Geisst’s Buch, verfolgen, wie sich was aendert, was
iin mancher Hinsicht relevant ist. Natuerlich ist alles eine offene Geschichte, mit sehr
vielen unterschiedlichen Ueberzeugungen. Aber es tut sich was.

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