Kehren die düsteren Zeiten zurück?

by Dirk Elsner on 23. Juni 2009

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Die Börsen sprechen seit drei Wochen eine klare Sprache: Es geht wieder abwärts, gestern wieder besonders kräftig. Nach der Erholungsrallye im Mai kriechen wieder die Pessimisten aus den Höhlen. Damit werden vorerst die zuletzt positiven Stimmungseinschätzungen (Überblick hier) wieder kassiert. Ob dabei tatsächlich die von Börsianern befürchtete “double-dip‘ recession” (Guardian) vor der Tür steht, kann offen bleiben. Aber tatsächlich sieht die Lage in vielen Unternehmen der Realwirtschaft viel dunkler aus, als es freundliche Umfragen suggerieren.

Die Unsicherheit hinsichtlich der Auftragsvolumina ist weiterhin groß. Nicht alle Unternehmen haben ihren Boden gefunden. Die Liquiditätsschwäche vieler Unternehmen frisst sich durch die betriebliche Leistungskette. Auf der verzweifelten Suche nach Liquidität wird die Schlinge immer enger gezogen.

Die staatlichen Programme, insbesondere das KfW-Bürgschaftsprogramm, kommen trotz neue Antragsflut beim Wirtschaftsfonds in ihrer Wirkung nicht an, wie gestern wieder zu lesen war. Das liegt an Schwächen, über die ich mehrfach in diesem Blog geschrieben habe (siehe unten). Anstatt die Programme zu optimieren (Vorschläge hier), kümmert sich die Regierung nächtelang um die Großindustrie und verteilt Steuergeschenke, die angesichts der Wirtschaftslage verpuffen werden.

Die Banken selbst haben aus nachvollziehbaren Gründen bereits vor Monaten die Kreditvergabebedingungen verschärft. Und daran werden sie trotz Bad Bank und anderer Staatshilfen nichts ändern, weil sich nämlich die Bonitäts-Einschätzungen vieler Kreditnehmer deutlich verschlechtert haben. Sie stehen nämlich vor einer weiteren Abschreibungswelle im Kreditgeschäft. Passend dazu warnt der Bankenpräsident vor einer Kreditklemme, die Minister zu Guttenberg selbst übrigens nicht sieht.

Eine dogmatische Diskussion über die Kreditklemme hilft aber den Unternehmen nicht weiter, denn sie werden in immer mehr Finanzierungsschwierigkeiten gedrängt, weil z.B.

Erstaunlich ist in der aktuellen Lage allein, dass die Konsumenten ihre Ausgaben noch nicht drastisch eingeschränkt haben und ihre Stimmung sogar steigt. Dabei hätte man damit rechnen können, weil bereits viele Verbraucher direkt oder indirekt mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise konfrontiert sind.

Nun will ich die Lage nicht dunkelschwarz malen, denn es ist ja nicht so, dass nichts Positives passiert. Die Banken selbst haben sich (zumindest vorläufig) erholt, was zunächst eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren der Kreditmärkte ist. Mittlerweile gesellen sich zu dunklen Prognosen immer wieder Lichtblicke, die Besserung verheißen. Gleichwohl lehrt uns die Erfahrung der letzten Monate, dass Prognosen selten zutreffen.

Aber es gibt weitere Indizien, die für eine Art Wendepunkt sprechen könnten.  Einige Hedgefonds befinden sich wieder auf der Kapitalsammelseite und wähnen sich zurück im Spiel. Investoren fangen wieder an, sich für Unternehmensübernahmen zu interessieren und wittern Schnäppchen (allerdings bei schlappen M&A-Geschäft).

Was auf der Ebene des großen Geldes zu beobachten ist, sieht man ebenfalls auf der Mikroebene. Es sind Anlagehändler unterwegs, die begonnen haben, von Unternehmen z.B. Maschinen zu kaufen, freilich meist deutlich unter ihren Marktwerten. Unternehmen mit viel Liquidität leisten sich außerdem wieder Investitionen, z.B. um ihre schwächelnden Wettbewerber zu distanzieren.

Dennoch, der Weg zum Ende der Krise ist steinig (FTD). Und das bedeutet, es wird Rückschläge an Stellen geben, an denen wir heute nicht damit rechnen. Wir werden uns darauf einstellen, weiter mit Schwarzen Schwänen zu leben. Zum Glück sind Schwarze Schwäne nicht per se bösartig, sondern können uns sehr wohl positiv überraschen. Gewiss bleibt damit nur die Ungewissheit.

Aktuelle Schlagzeilen zur Wirtschaftslage

HB: Niedrige Inflation verbessert die Kauflaune: Trotz der schärfsten Rezession seit 60 Jahren zieht die Kauflaune der Deutschen wieder an: Das GFK-Konsumklima für Juli verbesserte sich überraschend auf den höchsten Stand seit einem Jahr. Doch der Optimismus dürfte nach Meinung der Experten schon bald wieder verfliegen.

Spon: GFK-KONSUMKLIMA – Kauflaune steigt auf höchsten Stand seit einem Jahr: Die Deutschen trotzen der Rezession – und hoffen auf ein Ende der wirtschaftlichen Talfahrt. Nach den jüngsten Erhebungen hat sich das Konsumklima verbessert. Der GfK-Index kletterte von 2,6 auf nun 2,9 Punkte.

NZZ: Weltbank erwartet verschärfte Rezession Konjunkturprognose für führende Industrieländer gesenkt Die Weltbank hat ihre Konjunkturprognosen für die Euro-Zone, die USA und Japan gesenkt. Die wirtschaftlichen Aussichten seien weiter ungewöhnlich unsicher. Die Erholung werde im kommenden Jahr schwächer ausfallen als bis jetzt erwartet.

FTD: Der Weg zum Ende der Krise ist steinig: Die Wirtschaft rund um den Globus erholt sich. Die große Mehrheit des FTD-Konjunkturschattenrats erwartet eine Stabilisierung des Trends. Allerdings warnen die Experten auch vor Rückschlägen. Denn die Risiken werden als beträchtlich eingeschätzt.

HB: Trichet: Keine Konjunkturprogramme mehr: Geht es nach dem Chef der europäischen Zentralbank, dann ist die Zeit der Konjunkturprogramme vorbei. Mit klaren Worten sprach sich Trichet gegen Staatshilfen aus – und äußerte sich auch zum Iran.

FAZ: Steinbrück rechtfertigt Steuerentlastungen: Finanzminister Steinbrück hat die steuerliche Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen als eines der größten Entlastungsprogramme in der Geschichte Deutschlands bezeichnet. Er rechtfertigte auch Erleichterungen für Unternehmen.

FAZ: Bund fehlen 300 Milliarden Euro bis 2013: Finanzminister Steinbrück rechnet für das nächste Jahr mit einer Nettokreditaufnahme von 86,1 Milliarden Euro, wie aus Koalitionskreisen durchsickerte. Das ist mit Abstand die höchste Schuldenaufnahme in der Geschichte der Bundesrepublik.

HB: Kurzarbeit: Die Frist läuft ab: „Wenn sich nicht bald etwas tut, wird es böse enden.“ Das hört man oft, in und um Iserlohn. In kaum einem anderen Landstrich wird so viel kurzgearbeitet wie dort. Was macht das mit den Menschen? Geschichten aus einer Region im Wettlauf gegen die Zeit.

Focus: Die deutsche Wirtschaft versprüht Zuversicht: Ist das Schlimmste überstanden? Zum dritten Mal in Folge ist der Ifo-Geschäftsklima-Index gestiegen. Doch Euphorie wäre fehl am Platz.

Berichte im Blick Log zu den staatlichen Hilfsprogrammen in Deutschland

So sieht die wirkliche Praxis der Staatsbürgschaften aus (11.6.09)

So sieht die Kreditklemme 2.0 in der Praxis aus: Beispiel Hafencity (8.6.09)

Kreditklemme 2.0 und Rating 2.0 sorgen für Stress 2.0 (5.6.09)

Merkels Warnungen vor Eskalation der Kreditkrise kommen fast zu spät (3.6.09)

Mittelstand existiert für die Politik nicht mehr (29.5.09)

Wie Unternehmen, Banken und Regierung das KfW-Kreditprogramm zum Laufen bringen können (6.5.09)

Fiat, Opel: Die “Investmentbanker” der Bundesregierung setzen falsche Prioritäten (2.5.09)

Wo bleibt die Kreditversicherung des Bundes? (29.4.09)

Ausbaufähiger Vorschlag zur Eigenkapital-Finanzierung für den Mittelstand (16.4.09)

Sparkassen zwischen Kreditklemme und toxischen Wertpapieren (6.4.09)

Fokus der Staatshilfe auf Großunternehmen ausgerichtet (6.3.09)

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