Keine Kreditklemme? Radikaler Einbruch bei Kreditvergabe –17% – 23% – Und das ist nicht das Ende

by Dirk Elsner on 11. März 2010

Heute gibt es wieder einmal in Berlin einen Krisengipfel mit Ministern und Vertretern aus Wirtschaft und Banken zum Thema Kreditklemme. Ich bezweifele, dass dort viel herauskommt. Schon der letzte “Häppchengipfel” im Kanzleramt hat kaum Zählbares gebracht. Die in der Folge von der Deutschen Bank und der Sparkassenorganisation aufgelegten Eigenkapitalfonds überzeugen die Praxis angesichts des Finanzbedarfs nicht und werden vielfach als PR-Maßnahmen angesehen.

Dabei hat die KfW in dieser Woche heftige Zahlen zum Rückgang des Kreditvolumens veröffentlicht. Banken haben in Deutschland im vierten Quartal 2009 knapp 18 Prozent weniger Darlehen an Unternehmen und Selbstständigen vergeben als im Schlussquartal des Vorjahres. Erwartet hatte die KfW einen Rückgang von 15%. Und die KfW erwartet eine Verschärfung des Rückgangs im laufenden Quartal um zwischen 17% und 23%. Im Januar soll das Neukreditvolumen sogar um 33 Prozent unter seinem Vorjahreswert (Quelle Bericht Handelsblatt) gelegen haben.

Ein Blick auf die Statistiken der Deutschen Bundesbank bestätigt übrigens grundsätzlich diese Entwicklung, wenn auch nicht in der Schärfe (siehe dazu unten den exklusiven Chart von Gapa News).

Erstaunlich, dass die KfW trotz ihrer eigenen Zahlen nicht von einer Kreditklemme sprechen mag. Nach ihrer Einschätzung schrumpfte das Darlehensgeschäft vor allem aufgrund der niedrigeren Nachfrage der Unternehmen. Diese Aussage halte ich für nicht sachgerecht und schon fast zynisch. Sie widerspricht außerdem Aussagen im Lending Survey der Europäischen Zentralbank, deren Ergebnisse die Bundesbank wie folgt zusammenfasste:

 

Während die Hälfte der KMUs berichtete, dass ihr Bedarf an Bankkrediten im zweiten Halbjahr 2009 unverändert geblieben sei, meldeten ein Viertel von ihnen einen gestiegenen und knapp 10 % einen geringeren Bedarf gegenüber den vorangegangenen sechs Monaten. Eine breite Mehrheit der KMUs (75 %) gab an, den beantragten Kreditbetrag ganz oder teilweise erhalten zu haben, verglichen mit 77 % im ersten Halbjahr 2009. Bei den großen Unternehmen blieb die Erfolgsquote bei der Beantragung von Bankkrediten stabil.

In der zweiten Jahreshälfte 2009 verschlechterte sich die Verfügbarkeit von Bankkrediten für KMUs. So meldeten 42 % der KMUs im zweiten Halbjahr eine Verschlechterung (verglichen mit 43 % in den vorangegangenen sechs Monaten), während 10 % von einer Verbesserung berichteten (dieser Wert blieb gegenüber dem ersten Halbjahr unverändert). Bei den Großunternehmen fiel die Einschätzung hinsichtlich der Verfügbarkeit von Bankkrediten weniger negativ aus.

Man könnte die Debatte akademisch führen, wovon ich angesichts der Probleme in der Praxis nichts halte. Natürlich handelt es sich nicht um eine Kreditklemme im wissenschaftlichen Sinn. Von der wird nur dann gesprochen, wenn die Banken aufgrund von Geldmangel selbst nicht mehr in der Lage sind, Kredite zu vergeben. Die Zurückhaltung derzeit wird aber meist damit begründet, dass viele Unternehmen die gestiegenen Anforderungen für die Kreditvergabe bei schlechterer Wirtschaftssituation nicht erfüllen. Aus Sicht vieler Unternehmen ist die Debatte Kreditklemme ja oder nein, schlicht irrelevant, weil sie in einer Finanzierungsklemme stecken.

Echte Kreditklemme vor der Tür

Aber eine Kreditklemme im Definitionssinne ist sehr wahrscheinlich, wenn man auf Big Points der nächsten Jahre an den Finanzierungsmärkten schaut.  Im folgenden einige Punkte, die in den nächsten Monaten und Jahren die Kapitalengpässe deutlich verschärfen dürften:

  • auslaufende Mezzanine-Programme für mittelständische Unternehmen
  • auslaufende Garantieanleihen öffentlicher Banken, die bei Refinanzierung mit zusätzlichem Eigenkapital unterlegt werden müssen
  • verschärfte Eigenkapitalanforderungen durch Basel III
  • fällig werdende mittelfristige Kredite und Kontokorrentzusagen
  • steigender Finanzierungsbedarf der Wirtschaft durch Wachstum (Investitionen und Betriebsmittel)

Für zusätzlich Anspannungen könnten außerdem die Exit-Strategien von Beteiligungsgesellschaften sorgen. Viele haben bis Mitte 2008 ihre Beteiligungen mit Krediten finanziert, die in den nächsten Jahren fällig werden dürften. Über das Volumen habe ich zwar keine Informationen zur Hand, ich rechne aber mit einem mittleren zweistelligen Milliardenbetrag.

All diese Punkte bedürfen einer Refinanzierung bzw. einer Anschlussfinanzierung. Das Deleveraging wird außerdem das Kreditwachstum begrenzen. Den Akteuren an den Finanzmärkten und großen Unternehmen sind diese Probleme sehr wohl bewusst.

Staatliche Maßnahmen verpuffen

Ob die im Vorfeld diskutierten Maßnahmen, wie staatliche Garantien für Kreditverbriefungen, Verschiebung von Basel III etc. tatsächlich Abhilfe schaffen, ist zweifelhaft. Schon jetzt funktioniert der sogenannte Deutschlandfonds, bei dem die KfW Banken Bürgschaften für Kredite an Unternehmen gibt, nicht richtig. Die FTD berichtete am 5.2.10 (Titel Ausgebremst) darüber, dass die Banken nicht wirklich mitziehen bei den KfW-Sonderprogrammen. Wie die Praxis mit den Bürgschaften aussieht, hatte ich aus eigener Erfahrung bereits im vergangenen Sommer berichtet.

Neue Ansätze offenbar nicht gefragt

Der Weg über Verbriefungen ist sicher ein folgerichtiger Ansatz, wird aber auch schon seit einem Jahr diskutiert. Ausreichen wird er nicht. Vorschläge wie vom Bielefelder Professor Rainer Lenz (dargestellt in Beitrag Vom Neustart des Finanzsystems) oder im Blick Log zur Eigenkapitalfinanzierung sind derzeit für die von der Wirtschaftspraxis entfremdeten Vertreter aus Verbänden und Politik zu revolutionär.

Die Funktionäre in solchen Runden achten lieber peinlich genau auf die persönliche Präsentation vor der Presse. Man positioniert sich mit eigenen Ideen, die aber in der Praxis nicht weiter verfolgt oder lieblos umgesetzt werden. Die unten aufgeführte Historie der Beiträge zur Kreditklemme zeigt, dass die Probleme sehr lange bekannt sind. Außer heißer Luft und Häppchen ist in den letzten 18 Monaten aber kaum etwas bewegt worden.

Schön wäre es, wenn die Wirtschaftsjournalisten auf der anschließenden PK einmal nicht die üblichen Schuldzuweisungen in ihre Blöcke notieren, sondern hartnäckig nach konkreten Vereinbarungen, Maßnahmen und der Verantwortung fragen.

Mittelstand muss sich rechtzeitig vorbereiten

Angesichts der vorgenannten Entwicklung sollten Unternehmen nicht warten bis Politik und Verbände sich bewegen. So weist etwa Andreas Buschmeier in einem Beitrag für Wirtschaft Nordhessen (nur Print) auf die Notwendigkeit einer professionellen und aktiven Finanzkommunikation hin.

Banken betrachten zwar traditionell schwerpunktmäßig Vergangenheitsdaten, schauen aber immer häufiger, ob eine sachgerechte und realistische Finanzplanung für die nächsten Jahre vorliegt (siehe dazu auch diesen Beitrag mit Hinweisen). Wer es richtig professionell machen will, geht sogar noch einen Schritt weiter und erweitert seine Planung um die Simulation von Planungsrisiken.

Mittelständische Unternehmen, die sich keine Gedanken machen über die Finanzierungssituation in den nächsten Jahren, werden eher Probleme bekommen, wenn sie zusätzlichen Finanzierungsbedarf feststellen. Weitere Hinweise, was Unternehmen tun könnten, sind über diese Einstiegsseite zu finden.

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Beiträge im Blick Log zum Thema

Kanzlerrunde zur Finanzierungsklemme: Zeigt die “Funktionselite” endlich Verantwortung? (1.12.09)

Mittelstand im Stich gelassen: Betreten wird weggeschaut (26.11.09)

Endlich richtige Feststellung: Sparkassenpräsident sieht drohende Eigenkapitalklemme (10.9.09)

Neue Kreditmaßnahmen der Bundes helfen nicht gegen Eigenkapitalklemme (3.9.09)

Auch mangelnde Planungsunterlagen führen zu Verzögerungen bei Kreditvergabe (27.8.09)

Bankenverband sieht Engpässe bei der Kreditvergabe (21.8.09)

Die KfW weiß es schon: Wirtschaftskrise belastet Eigenkapital der Unternehmen (19.8.09)

Es geht ja doch: Banken wollen Verbriefungsmarkt fördern als Teillösung für die Finanzierungsklemme (22.7.09)

Alte Ideen gegen die Finanzierungsklemme des Mittelstands wieder aufgefrischt (15.7.09)

Kredit- und Finanzierungsklemme – Mittelstand sucht Eigenkapital: Hier ein Musterfall der Finanzkrise (13.7.09)

Beerdigt den Streit um die Kreditklemme: Es geht nämlich anders und besser (9.7.09)

Armseliges Ping Pong zwischen Politik und Banken zur Kreditklemme (7.7.09)

Insolvenzwelle: Der dicke Hals des Mittelstands mit dem Deutschlandsfonds (26.6.09)

So sieht die wirkliche Praxis der Staatsbürgschaften aus (11.6.09)

Viel mehr Berichte sind auf dieser Seite zur Finanzierungs- und Kreditklemme zusammengestellt.

nigecus März 11, 2010 um 20:26 Uhr

Ach was für ein Blödsinn habe ich da geschrieben. Es sind ingesamt 300mrd für Europa, von denen 200mrd bei Kreditinstitute liegen, 75mrd in Verbriefungen, und der Rest irgendwo anders.

Lesehinweis: One Bite at a Time

Der Newsletter von Avoca geht davon aus, dass wenn diese LBO-Kredit auslaufen, dann nur 50 bis 100 mrd durch Kreditinstitute gewuppt werden (siehe „RBS, HBOS and German Landesbanks“ sind raus aus dem Wettbewerb), 50 mrd Kapazität für Verbriefung da sind (Ein gewisser Zweckoptimismus von Avoca, die ja solche Verbriefungen verwalten), und beim Rest ein große Fragezeichen steht. Es fehlen noch mind. 100 Mrd. wenn in 1000 Tagen die LBO-Kredite nach und nach fällig werden.

In dem Newsletter wird untersucht, ob dies durch High Yield Anleihen (aka Junk Bond Market), IPOs/Aktienfinanzierung oder durch strategische M&As kompensiert werden kann. Antwort: Nein! HY und IPOs geht nur wenn die Firma/Zielobjekt groß genug ist, um sich ein Listing leisten zu können (Firmengrößenproblem), und für M&A braucht auch der Strategische Investor einen LBO-Kredit (Dreh-Dich-im-Kreis-Problem).

Schön finde ich die Stereotypisierung in
– Hedge Borrowers,
– Speculative Borrowers,
– Ponzi Borrowers

Das wäre vielleicht ein grobes Schema für Blicklogs Brot & Butter-Geschäft.

– Hedged: Ist die Liquditätsplanung der Firma „wie bei einer Versicherung“? Bekommt die Firma so sicher die Cashflows rein, wie sicher sie Zinsen abdrücken muss? Hat sich der CFO bereits vor langer Zeit Gedanken gemacht, wie Schulden refinanziert werden? Wird vor dem Fälligkeitstermin die Bezahlung einer großen Rechnung erwartet? Zum Beispiel der Bezahlung eines Großprojekts?

– Spekulativ: Verlässt sich die Firma auf den „Gott effizienter Märkte“? Ist der CFO so ein Typ, der ohne Thrill nicht leben kann? Oder gar ein Hans-guck-in-die-Luft? Hat der CFO Probleme sich Zahlungsströme über der Zeit vorzustellen? Verlässt sich die Firma blindlings darauf, dass die Sparkasse um die Ecke immer einen Kredit gewährt, „wie früher“, „wie gewohnt“, etc.? Ist es in der Vergangenheit schon mal vorgekommen, dass der CFO von heut auf morgen bei seiner Bank mit einer „Überraschung“, „Notfall“, etc bei der Hausbank vorstellig wurde?

– Ponzi: Ist das Geschäftsmodell, Produktangebot, Absatzmärkte, etc. Murks? Existieren bereits Substitute für die Produkte der Firma? Sinken die Umsätze/Absatz schon seit langer Zeit? Wird überhaupt noch Mühe verschwendet, um sowas wie F&E zu betreiben oder coole neue Dienstleistungen zu schaffen?

Fies gehebelt sind LBO-Firmen immer. Man muss nur noch auf die Fristigkeit der operativen und financing Cashflows achten, und viel wichtiger: Der ganze klassische Unternehmensberatungs-Klimbimm: Produkte, Qualität, Dienstleistungen, Absatzmärkte, Kundenwünschen, Preisgestaltung, etc etc etc. Wenn in der Firma zu dem Thema „glückliche“ Menschen sitzen, die zu jedem Thema schlauer als ein entsprechender Unternehmensberater, dann wird die Firma bestimmt eine Refinanzierung in 1000 Tagen bekommen.

Ich halte es auch nicht für eine schlaue Vorgehensweise, wenn eine gehebelte Firma den Market-based-view spielt: „Wenn die [heilige] Wirtschaft wieder anzieht, dann…[sieht die Welt wunderbar aus]“ . Der Grund ist ganz simpel: Es gibt bereits die ganzen Groß-Mega-Konzerne mit ihren hausinternen Vertriebs“konzernen“, die viel besser die Low Hanging Fruit des MBV ausbeuten. Dagegen hat so eine mittelgroße mega-gehebelte Firma keine Chance. Da kommt einmal ein Preisdiscount und schon fliegt die gehebelte Firma raus aus dem Angebotsrennen.

Es bleibt nur der Ressource-based view und die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Da ich aber weiß, dass das bei einer Ponzi-Firma eine organisatorische Revolution auslösen müsste, und als Vorraussetzung Erfinder bedarf die zum Beispiel Probleme wie „Kosten sind Null, Maximiere X“ zu lösen vermögen (die nicht auf die Idee kommen würden sich bei einer Ponzi-Firma zu bewerben), bin ich mir ziemlich sicher, dass es in 1000 Tage zu einen Peak in der Insolvenzstatistik kommen wird.

Ich hoffe, dass ich falsch liegen werde.

dels März 11, 2010 um 20:31 Uhr

Hallo Nigecus,

Danke für die Ergänzungen. Das klingt ja wirklich danach, dass wir viel, viel sehen werden.
Bis denn
dels

nigecus März 11, 2010 um 16:53 Uhr

Bei den LBOs sind es in Europa ca 300 mrd und Nordamerika ca 800mrd. für Kredite und Mezz die verbrieft sind. Die meisten laufen in rund 1000 Tagen aus… Und Große Player in den Feld sind aus dem Geschäft ausgeschieden, z.b. Landesbanken.

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